Dinslaken: Der Tag als die Flüchtlinge kamen

Direktor des Caritas Verbandes Kreises Wesel: 
Michael van Meerbeck.
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    Michael van Meerbeck.
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Der Caritas Direktor über Helfen in Dinslaken und Voerde - Jeder Helfer ist gleich wichtig. In den Baracken der „Fliehburg Dinslaken“ lebten 120 Flüchtlinge, als die Caritas die Einrichtung 2013 übernahm.

Seitdem ist viel geschehen. Die Schlichthäuser der Notaufnahmestelle wurden renoviert und auch das Umfeld gestaltet. Nun sieht man freundlich wirkende helle Häuser, wahrhaft kein Luxus, aber eigentlich nichts Besonderes, wenigstens schön gelegen unter Bäumen mit viel Grün. In diesen Tagen ist objektives Lob einmal angebracht:

Dinslakens Notaufnahmestelle „Fliehburg“ ist in keiner Weise vergleichbar mit anderen Massenunterkünften, wie sie jeder aus dem Fernsehen zu kennen meint.

Andere Städte „fuhren ihre Aufnahme-Kapazitäten runter“, in Dinslaken wurde hier kontinuierlich weiter ausgebaut. Darüberhinaus greift die katholische Fürsorge-Organisation hier durch weitere eigene Einrichtungen auf ein stabiles und sich gegenseitig ergänzendes Netzwerk mit Werkstatt, die Möbel beim Spender abholt, aufarbeitet und auch Wohnungsauflösungen organisiert. Die Kleiderkammer der Fliehburg ist gut gefüllt. Eine ehemalige Schulleiterin kümmert sich ehrenamtlich mit vielen engagierten gleichgesinnten Freiwilligen um Deutschkurse, Hausaufgabenhilfen, Kinder-Betreuung und unterstützt bei Behördengängen.
Ganz konkrete Hilfen bei der Integration für diejenigen, die hier ein neues Leben beginnen müssen. Das gemeinsame Ziel von Caritas und hilfestellender Stadtverwaltung: Hilfe zur Selbsthilfe, Deutsch lernen, Arbeit finden, Wohnung, Schule und Ausbildung für die Kinder.

Über 800 sind schon hier

Fast unbemerkt von der großen Öffentlichkeit haben derzeit bereits über 800 Menschen Zuflucht in der Fliehburg und in weiteren Notaufnahmeplätzen gefunden. Es gab heißen Tee und ein sauberes Bett mit Kopfkissen und Decken für jeden Flüchtling, der mitten in der Nacht hier ankam.

Caritas Direktor Michael van Meerbeck berichtet mir immer noch berührt von jenem ersten Tag Ende August, als überraschend Busse aus Dortmund mit den ersten 120 Flüchtlingen für den kommenden Tag angekündigt wurde:

„Direkt nach dem Info-Anruf habe ich um 13.26 Uhr den Bürgermeister angerufen, 14 Uhr Treffen mit Lothar Muschig vom Jugendamt am Haus Hardtfeld - noch nicht fertig renoviert und noch ohne Heizung und Strom. Denn es waren auch unbegleitet fliehende Jugendliche angekündigt: Darunter ein achtjähriger Junge, der sich seit 70 Tagen allein auf der Flucht vor dem Krieg in Syrien bis hierher durchgeschlagen hatte! Seine Eltern? Schon in Syrien getötet…

Gleichzeitig wurden alle Mitarbeiter informiert, die daraufhin zum Teil spontan aus dem Urlaub zurückkamen. Wir sind als Caritas hier unbürokratisch sogar in fünfstelliger Höhe finanziell in Vorleistung gegangen. So konnte sofort viel erledigt werden ohne Dienstweg:
Haben für 120 Menschen eingekauft, Betten, Matratzen, Bettwäsche, Kissen, Decken, Waschzeug, Handtücher...

Wie viele Essen braucht Ihr?

Unsere Kantine, die sonst die Seniorenheime bekocht, übernahm die Essensversorgung. Da kam nur die prompte Frage: Wieviel Frühstücke, Mittagessen und Abendessen braucht Ihr wann und wo? Schnell wurde klar, dass wir für diese 120 Flüchtlinge erstmal genügend Platz nur im Haus der Offenen Tür in St. Marien in Lohberg finden.

Doch wo ein Wille ist, ist auch ein Weg. Und so haben wir es mit vereinten Kräften geschafft. Am nächsten Tag haben wir unser Büro geschlossen und alle gemeinsam Betten zusammen gebaut. Und die weitere Versorung organisiert, die zehn Dutzend sollten ja um 14 Uhr ankommen, wirklich gekommen sind sie dann mitten in der Nacht! Musste die Mitarbeiter nun wieder aus den Betten holen, auch die Ärzte für die Erstuntersuchungen. Sie kamen alle gern und haben ihre Arbeit freundlich und professionell getan.

Wenn wir sehen, wie die Menschen, die eben noch mit starren Gesichtern aus den Bussen steigen, ungewiss nach so langer Flucht, was nun mit Ihnen geschieht. Wenn wir dann sehen, wie die Starre sich löste und in Erleichterung und Dankbarkeit umschlägt, wenn sie ihre Betten sehen und endlich ausruhen können, dann ...
In diesen Momenten weiß jeder, der hilft: Wir tun das Richtige. Solche Momente geben Einem sehr viel zurück. Wir sind hier verlässlich und praktisch beim Helfen.“

Sie alle arbeiten ja beinah geräuschlos und machen nicht viel Aufhebens um diese Mammut-Aufgaben? Wie geht das?

van Meerbeck: Das geht nur, weil wir ein eingespieltes Team sind, auf das jeder Einzelne einfach nur stolz sein kann. Unsere Mitarbeiter und da nehme ich mich nicht aus, sind dem Gedanken der „Caritas“, der Wohltätigkeit und Mitmenschlichkeit im ursprünglichen Sinn verpflichtet. Und gemeinsam mit den vielen ehrenamtlichen Helfern ist etwas entstanden, das uns alle trägt.
Unsere Arbeit hier in Dinslaken ist bestimmt von gegenseitigem Respekt und Achtung: In solchen Notsituationen, wo jeder gebraucht wird, sind alle gleich wichtig - von der Reinigungskraft bis zu den organisatorischen Leitern.

Wie machen Sie das konkret? Wie geht das, oft ohne gemeinsame Sprache?

Michael van Meerbeck Schon wenn die Menschen ankommen, hat die Leiterin der Fliehburg „den Hut auf“. So erledigen sich sofort viele Fragen in Sachen Gleichberechtigung von Mann und Frau: Sie ist die Chefin. Das verstehen auch alle sofort, egal aus welchem Kulturkreis sie kommen. UneindeutigesVerhalten ist oft der Grund für Missverständnisse. Klares Auftreten ist immer hilfreich, besonders bei Sprachschwierigkeiten. Wir können stolz auf unsere freiheitliche Demokratie sein und sollten das auch durch unser Verhalten zeigen: Freundlichkeit und Höflichkeit sind die Basis unserer Kultur. Gerade in Stress-Situationen.

Nicht die alten Fehler machen

Denn alle diese Menschen sind auch eine große Chance für unsere immer älter werdende Gesellschaft. Wir haben großen Bedarf an Pflegekräften, viele Handwerksbetriebe suchen Auszubildende. An unserem Verhalten heute liegt es, ob eine positive Integration gelingen kann. Wir dürfen nicht mehr die Fehler der vergangenen Jahrzehnte machen: Fremde ausgrenzen oder durch Wegschauen das Entstehen von Parallelgesellschaften dulden.

In unserem ureigenen gesellschaftlichen Interesse müssen wir vernünftig und menschlich handeln. Aktiv Konflikten vorbeugen und für unsere Werte werben und einstehen. Die meisten Flüchtlinge, die derzeit zu uns kommen, fliehen vor Kriegen aus zerstörten Ländern, in denen es keine Hoffnung mehr auf Besserung gibt. Auch wir selbst würden das wahrscheinlich genauso tun.

Wie war eigentlich Ihr persönlicher Weg zur Caritas?

van Meerbeck: Ganz klassisch, durch die katholische Jugendarbeit hier in Dinslaken. Fußball war nicht mein Hobby, aber ich konnte wohl schon immer gut organisieren. Auch die Feten, so war ich bald Stadtvorsitzender. (da lacht der Diakon). Und nun arbeite ich schon seit 1991 für den Caritasverband, heute als Direktor der Caritas im Kreis Wesel.

„Ihre Caritas“ übernimmt nun auch in Voerde u.a. die neue Flüchtlings-Erstaufnahmestelle im ehemaligen Baumarkt?

van Meerbeck: Das setzen wir gerade um: Es wird einen Kinderbereich geben, Räume für Familien und Trennwände, die in einer Notaufnahme wenigstens das Mindestmaß an Privatsphäre hergeben. Auch hier in Voerde ist die Zusammenarbeit mit der Stadtverwaltung eng und vertrauensvoll.

Vielen Dank für diese Antworten auf Fragen, die heute viele unserer Leserinnen und Leser haben.

Amtlich bestätigt: Auch Dinslakens Bürgermeister Dr. Michael Heidinger und der Voerder Bürgermeister Dirk Haarmann, kurz dazu gefragt, bedankten sich ausdrücklich für die „hervorragende Zusammenarbeit zwischen Caritas und Stadtverwaltung.“ Und für das große Engagement der so zahlreichen ehrenamtlichen Helfer in ihren Städten.

Info-Börse Flüchtlingshilfe Dinslaken und Voerde:

Zentraler Ansprechpartner:
Freiwilligen Zentrale der Caritas, Ritterstr. 1, 46535 Dinslaken, Telefon: 02064-970642, E-Mail-Adresse: freiwilligenzentrale@caritas-dinslaken.de. Lore Penzel und Anja Killemann bringen alle Hilfswilligen und die Hilfesuchenden sinnvoll zusammen, gegebenenfalls auch städteübergreifend in Dinslaken und Voerde.
lokalkompass.de/584373

Caritas Möbellager, Gerhard-Malina-Str. 91 in Dinslaken,
Ansprechpartnerin: Gabriele Hagen.
Telefon: 02064 – 2639, E-Mail: moebellager@caritas-dinslaken.de. Öffnungszeiten: Montag bis Donnerstag 9 bis 15 Uhr.

Förderverein Fliehburg:
Ansprechpartnerin: Lilo Wallerich, An der Fliehburg, 46535 Dinslaken, Telefon: 02064-12797.
Spendenkonto: Sparkasse Dinslaken-Voerde- Hünxe, Kto. 6709 396 10, BLZ: 352 510 00, IBAN: DE 07 352 510 000 670 939 610, BIC: WELADED1DIN (Spendendebescheinigungen werden auf anfrage zugeschickt).
lokalkompass.de/ 581458

Kleiderkammer Fliehburg: Rosie Hannemann (Flüchtlingsrat), Telefon: 02064 - 90898

Kontakt zum Flüchtlingsrat NRW: Bärbel Radmacher, Telefon: 02064 - 4771149.

Flüchtlingshelfer-Infopool der Verbraucherzentrale NRW: www.vz-nrw.de/fluechtlingshilfe.

Weitere Infos auch in der VZ-Beratungsstelle an der Duisburger Str. 21, 46535 Dinslaken.

Direktor des Caritas Verbandes Kreises Wesel: 
Michael van Meerbeck.
Zeichentalent Albina zeichnet Kinder und Menschen, die wie sie aus ihrer Heimat fliehen mussten. Ihre Bilder sind jetzt  auch im Bürgerhaus Friedrichsfeld in einer Ausstellung des 1. Voerder Kunstvereins vom 1. bis zum 8. November (Fr, Sa, So: 11 bis 18 Uhr und Mo, Di, Mi, Do: 15 bis 18 Uhr) zu sehen.
Autor:

Caro Dai aus Essen-Werden

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