AK 2012 | Tor 23: Gegenwart.

Gestern genehmigte ich mir das eine oder andere Bier bei einem Umtrunk in einer der üblichen Anlaufstellen meiner Heimatstadt. Irgendwann hatte ich die Nase voll und machte mich auf den Heimweg. Es war bereits nach 2 Uhr nachts und es regnete weiterhin; wahrscheinlich hatte es seit 24 Stunden durchgeregnet. Auf halber Strecke sprachen mich vier finstere Gestalten an, die mir wohl gefolgt sein müssen. Einer von denen wollte meinen Ausweis sehen, faselte irgendwas von "Isch bin von der Polizei" usw. Er wirkte nicht besonders authentisch, drum gab ich ihm auf charmante Art und Weise zu verstehen, dass er sich verpissen soll. Tat er nicht. Stattdessen trat er mir hinterrücks gegen die Beine, so dass ich unglücklich stürzte. Dank eines imposanten Adrenalinschubes war ich aber wieder blitzschnell auf meinen Beinen und brüllte voller Aggression und auch zum Schutze lauter Dinge, die ich an dieser Stelle nicht unbedingt wiedergeben muss. Ich hatte Glück. Mein cholerischer Ausbruch schlug sie in die Flucht. Auch sie hatten ein großes Mundwerk, als sie sich zügig vom Acker machten. "Deine Schwester!" war das letzte, was ich hören könnte.
Eine Runde Schlaf später schmerzt mir einiges. Das rechte Knie, mein linker Arm und am schlimmsten mein linker Zeigefinger. Macht das Tippen hier gerade etwas problematisch. Aber es geht.

"Frohe Weihnachten", war die typisch ironische Reaktion auf diese Geschichte. Da wird man fast zum Opfer kurz vor dem Heiligen Abend. Aber dennoch freue ich mich auf morgen. Ich werde meine Mutter besuchen und uns etwas Besonderes kochen. Die Idee kam mir letztens Jahr; da kochte ich Hummer mit schwarzen Nudeln samt mediterraner Sauce. Ich bin sicherlich kein Gegner des vorzüglichen Kartoffelsalates meiner Mutter, doch finde ich, dass wir uns zum Fest ruhig mal etwas gönnen könnten. Drum habe ich mir für morgen Ente mit Glasnudelsalat überlegt. Meine Mutter aß noch nie Ente, von daher bietet sich das an.
Sie hat außerdem noch einen neuen Untermieter. Elsie heißt der Neuzugang und ist ein Pekinese. Nicht jeder ist Freund von dieser Hundeart, doch meine Mutter liebt diese abgöttisch. Zuletzt hatte sie eine Schäferhündin namens Jessy, die jedoch leider dieses im Alter von 11 Jahren verstarb. Das hat selbstverständlich eine große Lücke hinterlassen. Genau wie Kater Maurice, der nur zwei Monate vorher an einem Tumor verstarb. Genau wie mein Kater Henry. Dieses Jahr im Mai musste ich ihn unter vielen Tränen einschläfern lassen. Das war kein gutes Jahr für unsere Vierbeiner, die stets vollwertige Familienmitglieder waren.

Aber Elsie wird uns gewiss auf andere Gedanken bringen. Genau wie das Fest an sich. Natürlich fallen einem oft die schlechten Dinge zuerst ein, wenn man das Jahr Revue passieren lässt. Doch oft will das Umfeld ja nichts anderes hören. Ja, wir haben alle gelernt, unser Leid und unseren Frust zum Aushängeschild werden zu lassen. Wenn uns jemand fragt, wie es uns geht, wird oftmals erst richtig hingehört, wenn man etwas Schlechtes zu berichten hat. Alles andere scheint uninteressant. Warum ist Leid für uns alle greifbarer und somit interessanter? Ich ertappe mich selbst auch ständig dabei, wie ich nur Negatives von mir erzähle. Tat ich ja teilweise gerade auch. Ist das die Gegenwart? Negatives zwischenmenschlich teilen und im Internet (z.B. bei Facebook) nur noch Positives anklicken, teilen, "liken" ... aber nicht mehr erleben?
Ich hoffe nicht.

Apropos "Deine Schwester!" ... So unrecht hatten die Unholde vielleicht doch nicht. Sie wird sich gewiss morgen Abend melden. Sie hat sonst nicht so den besten Draht zu uns ... aber ich hoffe, dass sie sich traut. Ich würde mich freuen, sie mal wieder zu sehen. Ich wette, sie hat in ihrem Leben auch noch nie Ente gegessen.

Autor:

Oliver Peters aus Dinslaken

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