Julia Hagemann mit ihrem Programm 'Fort, Bildung! überzeugte im Theater Halbe Treppe

Julia Hagemann | Foto: K. Ulrich
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Julia Hagemann war mit ihrem Programm "Fort, Bildung" zu Gast im Theater Halbe Treppe und hat das Publikum auf angenehme Art fort-gebildet, frei nach dem Motto "Entweder Inhalt oder schöne Töne". Das Publikum war begeistert und feierte die Künstlerin frenetisch. Der Abend begann direkt bildungsherausfordernd…Pisa-Studie NRW…und schon waren wir bei den Katastrophen-Limericks über Ortsnamen aus NRW…nach Köln, Düsseldorf + Hamburg nun auch in Dinslaken…Wir haben gelernt: Limericks sind immer 5-Zeiler A-A-B-B-A, die sich immer reimen. Im 2ten Chanson ging es um die grauenhaften Leiden eines Küchenjungen in einem Hamburger Nobelhotel – dem Atlantik. Sein Alptraum war die Fischsuppe – 'Jochen noch nen Rochen kochen'. Dann wechselte Julia ins Märchen…'ein rotes Käppchen hat sie auf…Julias Stimme wechselte in verschiedene Lagen, mal Rotkäppchen, mal Wolf…untermalt von wunderschönen Bewegungen. Das 4. Lied forderte uns heraus, doch einfach mal genial zu sein. Ein genereller Rat für das weitere Leben! Das macht dann auch das Lesen von diversen Ratgebern schlichtweg überflüssig. Baut euch ein rosa Baumhaus, dreht euch aus 100ern Zigarren. Seien Sie fantastisch. Seien Sie ungebremst bescheuert…es erneuert sich die Lebenslust. Lernziel dieser Lektion: Keine Margarine heißt 'Du musst'. Tun Sie, was glücklich macht…Seien Sie doch einfach, seien Sie doch einfach, seien Sie doch einfach… Im 5ten Lied nähern wir uns der Barockmusik. Lektion: Die Basslinie hat mindestens fünf und maximal 12 – 15 Töne. Irgendwas bleibt immer gleich. Im 6ten Lied ging es um DAS große Thema: Männer & Frauen – denn Genderstreaming darf ja heute in keinem Programm fehlen. 'Warum Männer…, wenn Frauen zu sehr… Ganz niedriges Niveau;-) aber irgendwann nähern sich die Wesen an – vielleicht. Obwohl Männer- und Frauengespräche große Unterschiede aufweisen. Männergespräch: Und wie iss? – Muss. – Jo – alles gesagt! Und die Bildungsreise ging weiter… Köchelverzeichnis 545, 2. Satz. Da Julia uns den Dialog schauspielerisch darbot, war Hilfe aus dem Publikum am Klavier gefragt. Jedoch keiner konnte aushelfen. Kulturbanausen! Zum Glück hatte Julia den Ghettoblaster mitgebracht. Es ging wieder um Männer & Frauen. Der Text stammt aus einem Wiener Caféhaus. Da wird klar, warum Mozart so früh aus ungeklärten Gründen starb. Denn merke: Mann + Mann = Gewalt; Frau + Frau = Intrige; Mann + Frau = Gewalt; Frau + Tier = Gewalt das kennt Julia schon von ihrer Mutter mit der Fliegenklatsche. Es folgt das Lied der Biologin Else Erdmann, wie sie ihre Stelle verlor und fast ins Wasser geht. Dann das Lied der Frösche, die bei 40° noch Spagat machen, bei 60° schwer schnaufen, bei 70° aufquillen und schließlich bei 80° platzen. Danach riecht das Wasser nach – ja was? – Froschsuppe! Pause – Die 2te Hälfte begann mit Klavierspiel…und wir befassen uns bildungsthematisch mit genügend, relativ viel und genügend ist relativ – ganz relativ…das ist ja der Spaß! Auch Zuschauerzahlen sind relativ…dem Publikum gefällts! Julia sagte, dass sie ja auch Pädagogin sei. Manche wollen andere besser machen, Bildung verbreiten…sie kann es nur in der alten Rechtschreibung. Es folgte ein Schwarz-Schilling/Kohl-Witz. Zum Glück musste sie hier nicht noch alles erklären, denn das Publikum war für den Witz durchaus im richtigen Alter. Nun beschäftigt sich das Programm mit der Kehlkopfmuskulatur, denn davon versteht Julia was. Sie ist der Frage nachgegangen, warum Chansons immer so doofe Melodien und warum Opern immer so doofe Texte haben. Schuld sind die Gehirnhälften. Wenn die eine angesprochen wird, kann die andere nicht mehr folgen. Ist der Chanson textlastig, springt die linke Gehirnhälfte an, die rechte läuft leer. Eine schöne Melodie wäre somit verschwendet. Es folgt ein Beispiel mit einem linkslastigen Text von Kreisler. Jetzt das gleiche Lied mit einer schönen Melodie und schon klingt der Text nicht mehr so lustig. Merke: Daher sind Opernarien immer rechtslastig. Es gibt eine wahnsinnig schöne Melodie…aber der Text besteht maximal aus 11 Wörtern, vorzugsweise auf italienisch oder tschechisch. Es folgen Beispiele von Händel, Mozart, der die Fähigkeiten der Sängerinnen – der Koloratur – hervorbringt…Wir alle kennen es: ha, ha, ha, ha, ha…Hiermit ist es bewiesen: entweder Inhalt oder schöne Töne. Die Oper nutzt also auf sehr geschickte Weise die Mangelfunktion des Gehirns aus. Es folgten noch Beispiele von Rossini, Verdi…So, nun weiß das Publikum alles, was es über Oper wissen muss. Es folgte die Geschichte der Oma, die ihre eigene Beerdigung inszenierte, um dabei sein zu können. Es war alles minutiös geplant und am Ende war sie tatsächlich tot. Wir kehren zur Oper zurück und lernen, dass es Opernarien mit mehr als 11 Wörtern gibt, z. B. die von Waffenschmidt (1792). Schöne Melodie? Wenn man bei Kreisler die Wechselbässe weglässt, ist es ein Chanson…aber Wagner hat sich im Großhandel bedient. Er hatte wohl Tintendiarrhoe. Denn merke: die ganze Zeit beidseitig (gehirnmäßig) geht nicht. Das ist wie joggen mit beiden Füßen gleichzeitig. Und so joggten Julia weiter durchs Programm und kam zur Oper des 21. Jahrhunderts – Medea. Fast kein Text – keine schöne Melodie. Schon eine Herausforderung für das Publikum. Ende. Es folgten drei geniale Zugaben…das Publikum hätte noch endlos zuhören können. Die erste Zugabe ging wieder ins Reich der Märchen: Rumpelstilz. Genial wie Julia in alle Rollen schlüpfte. Auch ihre schauspielerische Größe kam durch, durch grazile Bewegungen begleitet. Und so verkörperte sie mühelos das Rumpelstilz, den Müller, die Tochter, den Chor. Es folgte eine Zugabe am Klavier. Danach war Hans im Himalaya. Mit 70 auf 5000 Metern, die Gebetsfahnen flattern im Wind. Die Aufgabe bestand darin, ein Lied über eine Fotografie zu schreiben…Alles ist Julia Hagemann wunderbar und mit spürbarer Leichtigkeit gelungen. Sie hat uns mitgenommen auf eine musikalische Reise und wir haben viel gelernt…oder?

Autor:

Petra Mosbach aus Dinslaken

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