Neuer Regionalplan Ruhrgebiet
Regionalplanerische Zielvorgabe für Haltern am See: Einwohnerrückgang und kein Siedlungsflächenwachstum

HALTERN AM SEE. Der neue Regionalplan für das Ruhrgebiet, der gerade zum zweiten Mal öffentlich ausgelegt wird, ist die rechtsverbindliche Planungsvorgabe auch für die Stadt Haltern am See bei ihrer Bebauungsplanung. Danach muss die Stadt Haltern wegen der demografischen Entwicklung laut Bevölkerungsprognose realistisch von einem Schrumpfen auf 37.500 Einwohner bis 2040 ausgehen, ein Minus von 3%. Bisher waren jedoch die Kommunalpolitiker in der 38.600 Einwohner-Stadt Haltern mit ihrer Planungspolitik ideologisch noch auf Wachstumskurs und träumten von mindestens 40.000 Einwohnern durch weiteren Zuzug aus den noch stärker schrumpfenden Nachbarstädten. Damit wollte man die natürlichen Bevölkerungsverluste durch weitere Zuzüge und großzügige Bauflächenangebote unzulässiger Weise kompensieren – mit nicht kompensierbarem Flächenverbrauch.

Jahrelang klagten die Halterner Kommunalpolitiker lautstark über angeblich „zu wenige Siedungsflächen“, weil die „große Nachfrage nach Baugrundstücken“ überwiegend von außerhalb sonst nicht befriedigt werden könne. Eine nun im Regionalplan geforderte regionale Abstimmung mit den Nachbarstädten bei der Bauflächenplanung für Wohnen und Gewerbe fand bislang nicht statt, sondern eher ein schädlicher Konkurrenzkampf um Flächen und Einwohner. In Wirklichkeit hat die Stadt Haltern als „Zuzugsgewinner“ in ihrem Flächennutzungsplan eine vom Regionalverband ermittelte Überdeckung von 0,5 ha Wohnsiedlungsflächen und 4,5 ha Gewerbeflächen, deren Rücknahme laut Regionalplan nun erforderlich und auch sinnvoll ist.

Die Halterner Kommunalpolitik muss sich davon verabschieden, den Wunsch zigtausender Ruhrgebietsbewohner befriedigen zu wollen, die am liebsten alle in der grünen Erholungsstadt Haltern am See leben möchten, wie schon 7.500 Zuwanderer vor ihnen, davon 2000 allein in den letzten 10 Jahren, zum Leidwesen der abgebenden „Verliererstädte“. (Aufgrund bloßer externer Nachfragen könnte die begehrte Seestadt Haltern sicherlich zur ausufernden Großstadt mutieren). Was sagen die betroffenen Nachbarstädte dazu, dass ihnen Haltern seit Jahrzehnten die (vor allem zahlungskräftigen) Einwohner abwirbt, während die Einheimischen in Haltern die sündhaft teuren Bau- und Mietpreise in ihrer Heimatstadt kaum noch zahlen können?

Nachhaltigkeit  geht vor Rendite-Interessen

Das ersehnte „Wohnen im Grünen“ entwickelt sich aber dann ad absurdum, wenn eben dieses ersehnte Grün für immer neue Wohnbauflächen reduziert und entwertet wird. Die Stadt Haltern beraubt sich damit selber ihrer naturnahen Lebensqualität und erschwert das Erreichen der nachhaltigen Planungsziele für den Landschafts- und Klimaschutz, den Freiflächen- und Bodenschutz sowie für die überfällige Verkehrswende und den Energieverbrauch.

Die übermächtigen Interessen von örtlichen und regionalen Bauunternehmen und Bauträgergesellschaften, Immobilienmaklern, Investoren, Grundbesitzern und an der Baufinanzierung verdienenden Banken und Sparkassen können nicht die (von Rendite-Interessen geleiteten) Zielrichtungen und Standorte für das bauliche Wachstum in Haltern am See weiterhin vorgeben. Denn die Seestadt ist mehr als ein bloßer verfügbarer Immobilienmarkt für Spekulanten, die bereits die überzogenen Preise in Haltern in bedenkliche Höhen getrieben haben, während keine Wohnbauflächen für flächensparenden öffentlich geförderten Wohnungsbau im Stadtgebiet vorgesehen sind.

Traum vom Wohnen im Grünen darf nicht zum Albtraum werden

Der „Traum vom Wohnen im Grünen“ würde für alle Beteiligten ansonsten zum Albtraum, wenn die naturnahe Erholungslandschaft von Haltern am See - die jährlich 3 Mio. Touristen überwiegend aus dem gesamten Ruhrgebiet anzieht - durch immer weitere bauliche Inanspruchnahme dezimiert würde, von der ökologischen Überforderung ganz abgesehen. Den übrigen Städten im Kreis Recklinghausen mit einem prognostizierten Bevölkerungsrückgang von dort sogar 7% bis 10% würde die Stadt Haltern mit der Abwerbung von Einwohnern damit keinen Gefallen tun, sondern zu deren Leidwesen eher schaden. Das hält die städtische Flächenentwicklungsgesellschaft Haltern bislang nicht davon ab, mit ihrem neuen Projekt am Halterner Nesberg weiterhin für „anspruchsvolles Wohnen im Grünen“ in einer ausgedehnten Einfamilienhaus-Siedlung örtlich und überörtlich zu werben.

 Trotz Regionalplan "weiter so" mit verschwenderischem Flächenverbrauch?

Doch mit einer laut Planentwurf dünnen Besiedlung von nur 27 Einwohnern pro ha statt mit kompakter Bebauung handelt sie dort (mit breiter Zustimmung des Stadtrates) den verbindlichen regionalplanerischen Vorgaben zur flächensparenden, bedarfsgerechten und bodenschützenden Siedlungsentwicklung zuwider. Von 6,5 ha Gesamtfläche werden in dem neuen Baugebiet 3,3 ha (=50%) landwirtschaftliche Fläche neu versiegelt und zusätzlich anderthalb ha Freifläche aus dem Landschaftschutzgebiet sogar noch außerhalb der bisherigen Flächennutzungsplanung einbezogen, obwohl der Regionalplan insgesamt im Stadtgebiet 0,5 ha Rücknahme im FNP fordert.

Damit ist der Entwicklungsspielraum in der Stadt durch verschwenderische Flächenpolitik weitgehend ausgeschöpft. Es macht deshalb wenig Sinn, bei den Regionalplanern ohne überzeugenden Eigenbedarfsnachweis um zusätzliche Siedlungsflächen zu feilschen wie auf dem „arabischen Teppichmarkt“. Stattdessen geht es vorrangig um Nachverdichtung im Bestand.

Falsch verstandene Planungshoheit gegenüber nachhaltiger Regionalplanung

Obwohl die Stadt in ihrem rechtsgültig beschlossenen Flächennutzungsplan eingangs im Textteil selber darauf hinweist, dass die städtische Planung im Rahmen der gesetzlichen Planungshierarchie an die Vorgaben der Landes -und Regionalplanung gebunden ist, tut sie sich mit der Planungshierarchie in der Planungspraxis offenbar schwer, muss aber auch den neuen verbindlichen Regionalplan akzeptieren –oder? Legendär ist die Aussage des vormaligen Bürgermeisters und heutigen Landrats in der Presse: „Wir brauchen keine planerischen Vorgaben von oben. Wir wissen in Haltern selber, was für unsere Stadt sinnvoll ist“.

Für einen Amtsträger, der als Aufsichtsbehörde auf die Einhaltung von Rechtsnormen in den kreisangehörigen Städte zu achten hat, ist ein solches Infragestellen der Planungs- und Behördenhierarchie umso bemerkenswerter. Seine Forderung nach deutlich mehr Siedlungsflächen wäre auf 45.000 Einwohner hinausgelaufen (mit der Falschbehauptung natürlichen Bevölkerungswachstums). Hat sich mit dem „Halterner Landrecht“ ein fragwürdiges Verständnis von kommunaler Planungshoheit eingeschlichen?

Am neuen Regionalplan führt kein Weg vorbei

An den klaren und verbindlichen Zielvorgaben des neuen Regionalplanes führt jedoch kein Weg vorbei; sie erlauben keine Regelverstöße, weil sie wissenschaftlich fundiert und durchweg sinnvoll sind: Das Oberziel ist die nachhaltige, flächensparende, kompakte und bedarfsgerechte Siedlungsentwicklung sowie die Begrenzung der Bodenversiegelung und die Vermeidung der Inanspruchnahme landwirtschaftlicher Flächen (als Produktionsflächen für Nahrungsmittel) durch andere Nutzungen.

Das Ruhrgebiet und seine Städte und Kreise müssen sich wegen der Überalterung bis auf ganz wenige Ausnahmen auf Bevölkerungsrückgang einstellen sowie auf einen Anstieg der Single-Haushalte bis zur Verdreifachung, womit der Vorrang der flächenzehrenden Einfamilienhaus-Bebauung in Haltern in Frage steht. Die Planung der Wohnbau- und Gewerbeflächen soll überdies im Rahmen interkommunaler Zusammenarbeit aufeinander abgestimmt werden, damit das konkurrierende Hin- und Hergezerre um Einwohner und Flächen (als irrationales, kostspieliges und schädliches Nullsummenspiel) beendet wird. Stattdessen sind die Nachhaltigkeitsziele für den Freiflächen- und Landschaftsschutz, den Klima- und Bodenschutz etc. prioritär zu verfolgen.

Wilhelm Neurohr

Autor:

Wilhelm Neurohr aus Haltern

Webseite von Wilhelm Neurohr
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