Ostalgie - super oder Tinnef?

Joachim "Jo" (Gernoth) und Olaf (Hellenkamp) arbeiten für den STADTSPIEGEL Dorsten. So wöchentlich wie möglich verfassen sie das "Nicht ganz ernst gemeinte Streitgespräch". Diese Rubrik befasst sich mit den unterschiedlichsten Themen, die mit einem deutlichen Augenzwinkern aus den zwei Blickwinkeln "Alles super!" und "Alles Tinnef" betrachtet werden.

Heute geht´s um "Ostalgie"

Jo Gernoth sagt: Tinnef!

Keine roten Ikonen

Ostalgie: Ein Begriff, der bei mir höchst unterschiedliche Befindlichkeiten auslöst. Mich stört es nicht, wenn Bürger der ehemaligen DDR ihre Halberstädter Würstchen mit Werder-Ketchup essen und dazu eine Flasche Bier aus dem Getränkekombinat Tank trinken. Wenn aber Politiker, die auch noch Bezüge aus öffentlichen Kassen vereinnahmen, per Eiertanz und Rhetorik versuchen, das Mord-Regime der SED schön zu reden, regt sich in mir der Widerstand. Was in aller Welt treibt solche historisch verwirrte Geister an? Tausende saßen in den Folterkellern der Stasi, über 100 000 Schergen waren damit beschäftigt, ihre Mitbürger zu bespitzeln und mit Intrigen Familien und Freundschaften zu zerütten. Korrupte alte Männer haben gnadenlos in die eigene Tasche gewirtschaftet und werden jetzt verherrlicht. Die Bundesrepublik hat eine ganze Generation und mehr gebraucht, um die Autobahnsegnungen des Idioten aus Braunau am Inn zu entzaubern. Jetzt will man mit dem Nebelwerfer der Vergangenheit die roten Diktatoren verniedlichen. Die Linkspartei schreibt einen Brief an Fidel Castro, der nur so trieft vor Heuchelei. Es gibt Lager auf Kuba. Eins davon ist Guantanamo. Schlimm genug. Die ungezählten Kerker des Castro-Regime werden geheim gehalten. Ich will diese Ostalgie nicht. Ich will nicht, dass eine Partei, die Verbrecher verherrlicht, Geld kassiert, das von den Opfern in Form von Steuern gezahlt wurde. Ich will auch nicht den Eindruck erwecken, dass ich etwas gegen die Menschen aus Mitteldeutschland habe. Im Gegenteil: Sie bereichern unsere Gesellschaft.

Olaf Hellenkamp sagt: super!

Es war nicht alles schlecht

Ostalgie? Finde ich gut. Sicher, das Schwärmen für alte Zeiten sollte gewisse Grenzen haben. Aber unter dem Begriff Ostalgie verstehe ich, dass die Bürger der ehemaligen DRR ihre Wurzeln nicht vergessen - und vor allem: nicht verleugnen. Und das ist gut so. Klar, viele Menschen litten unter dem Regime, waren in ihrer Freiheit stark eingeschränkt und dem Misstrauen ausgeliefert, das andere säten. Der größte Teil der DDR-Bürger stammt aber aus ganz normalen Familien. Die Kinder gingen in den Kindergarten und zur Schule, Ausbildungen wurde abgeschlossen, andere studierten. Die erste große Liebe, Hochzeitsfeiern, schöne Stunden mit Freunden, das erste Auto. Diese schönen Momente sind es, mit denen die Ostalgie verbunden wird. Wir denken an diese Ereignisse auch (meist) gerne zurück und verbinden damit geliebte Geschmäcker, Gerüche und Gegenstände. Bei uns waren es Käfer, Kadett und Vespa. Im Osten waren es Trabi, Wartburg und Schwalbe. Ostalgie hat mit dem persönlichem Empfinden, mit schönen Erinnerungen zu tun. Und die sollte man jedem gönnen. Auch dann, wenn das entsprechende Regime ein mieses war. Eines darfst Du nämlich nicht vergessen: Es war eine friedliche Revolution, die die Mauer zu Fall brachte. Es waren die friedlichen, die „normalen“ Bürger, die das Land befreiten. Und denen sei es mehr als gegönnt, sich auch an die schönen Zeiten ihres früheren Lebens zu erinnern. Wenn das mit Hilfe von Club-Cola, Goldmännchentee und Spreewaldgurken geht, darf man nichts dagegen sagen. Der Spruch „Es war ja nicht alles schlecht“ hat seine Gültigkeit.

Autor:

Lokalkompass Dorsten aus Dorsten

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