„Sag keinem, dass du Alevit bist!“

Aziz Aslandemir ist nicht nur in der alevitischen Gemeinde in Eving aktiv: Als Lehrer gibt er unter anderem den alevitischen Religionsunterricht, zum Beispiel an der Libellen-Grundschule. | Foto: Schmitz
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In der Türkei sind Aleviten eine religiöse Minderheit, die im Verborgenen lebt. Die sunnitischen Muslime dort betrachten sie oft mit Argwohn.Ganz anders ist ihre Situation im europäischen Ausland, wohin die Aleviten aus der Türkei wie ihre muslimischen Kollegen als Gastarbeiter gekommen sind.

Schon seit 23 Jahren gibt es die alevitische Gemeinde in Dortmund, insgesamt haben sich im Laufe der Zeit 130 Gemeinden in Deutschland gegründet.
Hier muss die Religion nicht wie in der Türkei versteckt werden, doch alevitische Familien sind vorsichtig geblieben. „Viele Kinder wissen gar nicht, dass sie alevitisch sind“, berichtet Aziz Aslandemir, der nicht nur in der Gemeinde als Vorsitzender aktiv ist, sondern als Lehrer auch den alevitischen Religionsunterricht anbietet.

Denn anders als die muslimischen Schüler, die bislang noch keinen spezifisch muslimischen Unterricht an den Schulen haben, sind die Aleviten als anerkannte Religionsgemeinschaft schon einen Schritt weiter. Seit etwa drei Jahren gibt es den Unterricht an fünf Dortmunder Schulen. Damit war Nordrhein-Westfalen Vorreiter.

Glaubensbrüder in der Türkei können davon nur träumen. „Alevitischen Unterricht gibt es dort nicht“, und auch der Druck auf die Aleviten sei dort groß: „Viele Aleviten dort tun zum Beispiel so, als ob sie zu Ramadan mitfasten, um nicht aufzufallen“, erklärt Aslandemir. Und weist damit auf die Unterschiede zum Islam hin.

Für Aleviten gelten die „fünf Säulen des Islam“, also Fasten, Pilgern, Beten, Glaubensbekenntnis und Spenden für Arme nicht. Sie kennen keine Geschlechtertrennung, Frauen werden als gleichberechtigt angesehen und verschleiern sich nicht. Auch der Gottesdienst wird gemeinsam gefeiert.
Das bildete bei strengen Muslimen einen Grund, warum sich Vorurteile und Märchen so lange halten konnten. Ein Tatort-Krimi handelte vor eingen Jahren von Inzest in einer alevitischen Familie, ein Vorwurf, gegen den sich Aleviten schon lange wehren müssen und der sie damals zu Demonstrationen auf die Straße getrieben hat.

Anders als der Islam ist die alevitische Religion keine monotheistische Religion, sondern eine pantheistische. Sie kennt keine Gottesfigur, sondern sieht das Göttliche im Menschen. „Gottesdienst ist Dienst am Menschen“, erklärt Aziz Aslandemir. Der muss nicht im Gemeindehaus, dem „Cem“ stattfinden, sondern kann auch zu Hause praktiziert werden. Auch ein Priester ist nicht zwangsläufig nötig, die meisten Entscheidungen werden von der gesamten Gemeinde getragen.

In Deutschland und in Europa befinden sich die Aleviten derzeit in einem Selbstfindungsprozess. Und der geht bei wachsendem Selbstbewusstsein davon aus, ihre Religion außerhalb des Islam zu verorten. Ein Punkt, der schon seit langem strittig ist. Schließlich sind bei der Religion viele Einflüsse zusammen gekommen, gibt es buddhistische und schiitische Elemente.
Bleibt auf mehr Freiheiten für die Aleviten in der Türkei zu hoffen. Immerhin: Der türkische Spielfilm „Sakli Hayatlar“, der zurzeit auch in deutschen Kinos läuft, thematisiert die schwierigen Beziehungen zwischen Muslimen und Aleviten an einer Liebesgeschichte.

Auch im religiösen Dialog sind die Aleviten in Deutschland schon ein Stück weiter: Die alevitische Gemeinde in Eving ist in vielen Bereichen aktiv und pflegt die Diskussion und den Austausch mit den anderen Religionen.

Aziz Aslandemir ist nicht nur in der alevitischen Gemeinde in Eving aktiv: Als Lehrer gibt er unter anderem den alevitischen Religionsunterricht, zum Beispiel an der Libellen-Grundschule. | Foto: Schmitz
Gretchenfrage: „Wie hältst du es mit der Religion?“ Die alevitische Gemeinde pflegt den Dialog mit anderen Glaubensbekenntnissen | Foto: Schmitz
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Lokalkompass Dortmund-City aus Dortmund-City

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