Das deutsche Weltbild von Makroökonomie gerät ins Schwanken

Bekowerdo findet, dass die deutsche Wirtschaftspolitik keine Kuckuckseier ins europäische Nest legen sollte.
  • Bekowerdo findet, dass die deutsche Wirtschaftspolitik keine Kuckuckseier ins europäische Nest legen sollte.
  • hochgeladen von Rüdiger Beck

"IWF fordert mehr Investitionen" titelt die Westfälische Rundschau von heute.

Finanzminister Wolfgang Schäuble versteht die Welt nicht mehr. Wie kann es sein, dass Deutschland permanent wegen seiner Exportüberschüsse angegriffen wird? Wir in Deutschland sind doch eigentlich die "Guten" und die anderen machen doch immer alles falsch, oder? Doch der Druck auf die deutsche Wirtschaftspolitik wächst von allen Seiten. Scharfe Kritik an den deutschen Leistungsbilanzüberschüssen kommt von US-Präsident Donald Trump, vom französischen Präsidentschaftskandidaten Emmanuel Macron und wieder einmal von IWF-Chefin Christine Lagarde.

Arbeitspapier soll aufklären

Schäuble hat sich laut Bericht der Westfälischen Rundschau vom 19.04.2017 auf die anstehenden Gespräche mit dem IWF besonders intensiv vorbereitet. Im Bundeswirtschaftsministerium wurde ein Arbeitspapier entwickelt, das die Ursache und Wirkungen der hohen deutschen Exportüberschüsse zu erklären versucht. Die Betonung liegt auf "Versuch", denn es werden wieder die üblichen Argumente vorgetragen, mit denen die deutsche Wirtschaftspolitik ihre Hände in Unschuld wäscht. Schuld ist natürlich wieder die EZB, die wie ein bockiges Kind einfach nicht die Zinsen erhöhen will. Schuld sind natürlich auch die Schuldnerländer, die einfach nicht ihre Wirtschaft in Ordnung bringen. Und außerdem sind es natürlich die qualitativ hervorragenden deutschen Produkte, die für die hohen Exportüberschüsse sorgen.

Diese Aussagen klingen unheimlich plausibel, sind aber leider falsch. In Deutschland kann man sich offensichtlich ein Wirtschaftswachstum, das nicht auf irrsinnigen Exportüberschüssen beruht, gar nicht mehr vorstellen. Das ist aber gerade eine der Ursachen der europäischen Krise. Deutschland hat seit Beginn der Währungsunion massiv Lohndumping betrieben und sich dadurch einen künstlichen Wettbewerbsvorteil verschafft. Der Begriff "Lohnpolitik" in Richtung höherer Lohnabschlüsse ist völlig aus dem deutschen Wortschatz der Ökonomen und der Politiker gestrichen worden. Die Gewerkschaften feiern eine Lohnerhöhung von 2 Prozent schon als Erfolg.

Die Folgen des Lohndumpings

Wohin diese Politik geführt hat, stellen wir nun fest. Die Lohnzurückhaltung seit Begin der Währungsunion ist die Ursache für die hohen deutschen Exportüberschüsse, da die Preise in Deutschland nicht entsprechend der Vorgabe der EZB um 2 Prozent gestiegen sind. Dadurch sind die Exporte explodiert und im Gegenzug wurde die Binnennachfrage massiv geschwächt. Deutschland hat also unter seinen Verhältnissen gelebt. Das ist jedoch ein Verstoß gegen die europäischen Regeln. Jedes Land der Währungsunion sollte weder über noch unter seinen Verhältnissen leben. Das funktioniert jedoch nur, wenn man seine Löhne entsprechend der nationalen Produktivität erhöht zuzüglich dem von der EZB gesetzten Inflationsziel von 2 Prozent.

Die deutschen Exportüberschüsse konnten auch nur in dieser historisch einmaligen Konstellation entstehen, nämlich im Schutze der Währungsunion. Die anderen europäischen Länder können sich gegen das deutsche Lohndumping jedoch nicht wehren, weil sie keine eigene Landeswährung mehr haben, die sie abwerten könnten. Außerhalb einer Währungsunion würden diese riesigen deutschen Leistungsbilanzüberschüsse gar nicht entstehen, weil die D-Mark sofort aufwerten würde.

Daher hat Deutschland einen Keil in die Währungsunion getrieben, der jetzt nicht mehr so einfach zu entfernen ist. Deutschland hat durch diese Politik nicht nur seine Produkte sondern auch seine Arbeitslosigkeit exportiert und die Importländer in die Verschuldung getrieben. Hinzu kommt, dass in den anderen Ländern nun auch die Löhne unter Druck geraten und Europa weiterhin mit einer Deflation zu kämpfen hat, die maßgeblich von Deutschland verursacht wird.

Deutschland muss Marktanteile abgeben

Es wird jedoch keine Lösung geben, wenn Deutschland nicht Marktanteile abgibt, die in der Vergangenheit durch relative Lohnsenkungen erschlichen worden sind. Und das hat nichts mit Theorie oder Ideologie zu tun sondern mit makroökonomischer Buchhaltung, die sich aus der Logik der sogenannten Saldenmechanik ergibt. Im Klartext heißt das, dass in Deutschland die Löhne so stark steigen müssen, dass das vereinbarte Inflationsziel von 2 Prozent eingehalten wird. Das hätte den Vorteil, dass die Binnennachfrage signifikant erhöht wird und die Exportüberschüsse abgebaut werden. Die Schuldnerländer hätten dann die Möglichkeit, Marktanteile zurückzugewinnen und ihre Schulden zurück zu zahlen.

Wenn die herrschende Politik diesen Zusammenhang nicht erkennt oder erkennen will, führt der weitere Weg in die Katastrophe, denn die Schuldner-Länder können irgendwann aufgrund der steigenden Schuldenlast ihre Importe nicht mehr bezahlen. Vor diesem Hintergrund sollten einige Politiker und Ökonomen ihre einfachen Vorstellungen von Wirtschaftspolitik nach dem Motto "Wir sind die Guten" dringend hinterfragen.

Autor:

Rüdiger Beck aus Dortmund-City

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