SG Dortmund: Kein schlüssiges Konzept zur Ermittlung der Bedarfe für Unterkunft im Hochsauerlandkreis

Das Konzept der Fa. Analyse & Konzepte für den Hochsauerlandkreis hielt der gerichtlichen Überprüfung in der ersten Instanz (S 62 SO 444/14) nicht stand.

Das Dortmunder Sozialgericht hatte heute in mündlicher Verhandlung im Gebäude des Landgericht Arnsberg über den Anspruch einer Grundsicherungsbezieherin aus Brilon auf Kosten der Unterkunft zu entscheiden.

Die 1936 geborene Rentnerin bezog nach 45 Arbeitsjahren eine Altersrente in Höhe von gerademal 600,00 € und ist auf aufstockende Leistungen der Grundsicherung angewiesen. Nachdem sie im Juli 2014 krankheitsbedingt von Olsberg nach Brilon, in die Nachbarschaft ihrer Tochter umgezogen war, verweigerte ihr die Stadt Brilon die Übernahme der vollen Mietkosten in Höhe von 370,00 €. Nach Auffassung des Hochsauerlandkreises war die Mietobergrenze auf 285,50 € zu deckeln. 84,50 € musste sie sich vom Mund absparen. Am 28.06.2014 erließ die Grundsicherung einen Bewilligungsbescheid für den Zeitraum Juli 2014 bis Juni 2015 in dem die Kürzung beschieden wurde.
Die damals 78jährige Frau setzte sich im Widerspruchs- und heutigen Klageverfahren erfolgreich zur Wehr.
Der vorsitzende Richter Stölting gab beiden Parteien viel Raum, um die Positionen darzulegen.

Die heute fast 80jährige erschien zur Verhandlung mit ihrer Tochter und einem Beistand. Für die Stadt Brilon bezog Rechtsanwalt Jörg Neunaber aus Delmenhorst Position. Neunaber ist Mitinhaber der Neunaber & Schumacher Consulting GmbH die nach eigener Darstellung „eine Ausgründung der Rechtsanwaltskanzlei von Häfen & Neunaber mit den Standorten Delmenhorst, Saarlouis, Mühlhausen (Thüringen) und Leinefelde. Die Kanzlei ist mit zwölf Anwälten auf die Prozessvertretung von Jobcentern vor den Sozialgerichten spezialisiert.“ ist.

Neunaber bestätigte im Prozess eine nicht näher ausgeführte Zusammenarbeit mit Analyse & Konzepte, Hamburg, widersprach aber dem Vorwurf der Vorteilnahme.

unterlassene Ermessensausübung

Der Beistand der Klägerin unterstrich in seinem Vortrag die Notwendigkeit des Umzugs und stellte die Schwerbehinderung (GdB 100 %) wegen Wirbelsäulensyndrom, Hüftleiden und drohender Erblindung heraus. Die damalige Wohnungssuche hatte keinen günstigeren Wohnraum vorgehalten, der den Mindestanforderungen der Frau entsprochen hatte. In Olsberg habe sie aufgrund der Sehschwäche zwei Stürze erlitten und zuletzt die 25 Stufen zu ihrer Wohnung abgezählt. Die Wohnung in Brilon sei ebenerdig und Stadt nah, das neue Umfeld alterskonform und die Wohnlage ruhig.

Die Anfrage des Richters, ob sie ihre Wohnungssuche 2014 dokumentiert habe, musste die Klägerin verneinen.

In der Verhandlung wurde herausgestellt, dass ein „schlüssiges Konzept“ zwar einen grundsätzlich gültigen Rahmen vorgeben könne, damit aber nicht die Einzelfallprüfung ersetzen könne.

Diese Ermessensprüfung war im Fall der Klägerin nicht erfolgt. Die gesundheitlichen und sozialen Aspekte hätten zu einer anderen Bewertung führen müssen.

Urteilsbegründung

In seiner Urteilsbegründung hob der Vorsitzende Richter den streitgegenständlichen Bescheid auf und sprach der Klägerin höhere Kosten der Unterkunft zu.

Das Konzept des Hochsauerlandkreises wies er als nicht schlüssig zurück. Zwar sei die Herangehensweise der Ermittlung grundsätzlich nicht bedenklich, dennoch seien schwerwiegende Fehler bei der Datenerhebung und -Verarbeitung gemacht worden. Nicht hinnehmbar sei das Versäumnis der Ermittlung der Nachfrager zum tatsächlich frei verfügbaren Wohnraum abgebildet zu haben. Außerdem sei veraltetes Datenmaterial aus 2009 in die Bemessung für 2014 eingeflossen. Auch aus diesem Grund sei das Konzept insgesamt zu verwerfen.

Für die Berechnung der „angemessenen Miete“ sei darum auf die Wohngeldtabelle plus 10 % abzustellen. Somit seien 321,00 € anstelle der gewährten 285,50 € anzurechnen. Die Gewährung der vollen Miete in tatsächlich anfallender Höhe scheiterte an der Beweislast der Klägerin einer erfolglosen Wohnungssuche.

Und obwohl für keine der beteiligten Parteien der erforderliche Beschwerdewert erreicht werde, so wurde die Beschwerde wegen der grundsätzlichen Bedeutung zugelassen.

Gericht kippt Mietobergrenze für Sozialhilfe-Empfängerin

Das Dortmunder Sozialgericht hat am Freitag die vom Hochsauerlandkreis festgelegte Mietobergrenze für Sozialhilfe-Empfänger gekippt. Mit einer Klage gegen die Behörde war eine 79 Jahre alte Grundsicherungsempfängerin aus Brilon erfolgreich. Die Kreisverwaltung wollte ihr nach einem Umzug nur einen Teil der Miete anerkennen. Es hatte die Obergrenze von einer Beratungsfirma als «schlüssiges Konzept» für angemessene Wohnkosten berechnen lassen. Das Sozialgericht sah die Berechnungsgrundlagen aber kritisch, weil teilweise zu allgemeine und zu alte Daten zugrunde gelegt wurden. Nun bekommt die Rentnerin mehr Geld, weil statt der Obergrenze des Hochsauerlandkreises bei der Berechnung die Tabelle des Wohngeld-Gesetzes zugrunde gelegt werden muss.
justiz.nrw.de

Autor:

Ulrich Wockelmann aus Iserlohn

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