Neue Publikation "Kohle, Koks und Kolonie" über die Gneisenau-Geschichte in Derne vorgestellt
Die große Zeit des Bergbaus im Dortmunder Nordosten

Die neue Publikation "Kohle, Koks und Kolonie. Das Verbundbergwerk Gneisenau in Dortmund-Derne" stellten jetzt (v.l.n.r.) Ursula Mehrfeld, Geschäftsführerin der Industriedenkmalstiftung, Historikerin und Archivarin Gabriele Unverferth und Aschendorff-Verlagsleiter Dr. Dirk Paßmann vor Ort in Derne vor. | Foto: Industriedenkmalstiftung
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  • Die neue Publikation "Kohle, Koks und Kolonie. Das Verbundbergwerk Gneisenau in Dortmund-Derne" stellten jetzt (v.l.n.r.) Ursula Mehrfeld, Geschäftsführerin der Industriedenkmalstiftung, Historikerin und Archivarin Gabriele Unverferth und Aschendorff-Verlagsleiter Dr. Dirk Paßmann vor Ort in Derne vor.
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Buchpräsentation am geschichtsträchtigen Ort: In der heutigen "Zeche Zukunft", Sitz der Werkhof gGmbH und früher Verwaltungsgebäude der Zeche Gneisenau, präsentierten Autorenteam, Verlag und die Stiftung Industriedenkmalpflege und Geschichtskultur, die Neuerscheinung "Kohle, Koks und Kolonie. Das Verbundbergwerk Gneisenau in Dortmund-Derne".

Das 464-seitige Buch, das in erster Linie von ehemaligen leitenden Mitarbeiterin des Verbundbergwerks verfasst und von der Dortmunder Historikerin Gabriele Unverferth bearbeitet wurde, erinnert an die große Zeit des Bergbaus im Dortmunder Nordosten. Erschienen ist das Werk mit über 700 zum Teil farbigen Abbildungen im Münsteraner Aschendorff-Verlag. Bewusst wendet sich die Publikation mit vielen spannenden Geschichten an eine breite Leserschaft.

1886 Aufnahme der Kohle-Förderung

Mit der Stilllegung der Zeche und der Großkokerei Gneisenau in den Jahren 1985 und 1989 ging die wechselvolle Geschichte des Steinkohlenbergbaus in den nordöstlichen Dortmunder Stadtteilen zu Ende. 1886 hatte das Bergwerk nach verheerenden Wassereinbrüchen in der Abteufphase die Förderung aufgenommen.

1891 gelangte es zusammen mit den benachbarten Schachtanlagen Scharnhorst und Preußen in den Besitz der 1856 in Dortmund gegründeten Harpener Bergbau-AG. 1899 kam die seit 1861 in Betrieb befindliche Zeche Courl in Husen hinzu, die allerdings bereits 1931 im Zuge der Weltwirtschaftskrise stillgelegt werden musste, während Gneisenau und Scharnhorst zur Großschachtanlage Gneisenau vereinigt wurden.

Von der 1958 einsetzenden Kohlenkrise blieb Gneisenau zunächst verschont. Vielmehr wurde die Zeche unter wie über Tage noch einmal großzügig ausgebaut und modernisiert. 1963 ging der zum neuen Zentralförderschacht umgebaute Schacht Gneisenau 3 mit einem von dem bedeutenden Industriearchitekten Fritz Schupp entworfenen Förderturm in Betrieb. Mit der Übernahme des Baufelds Victoria 3/4 entstand zeitgleich das Verbundbergwerk Gneisenau, das nach der Einbringung in die Ruhrkohle AG als größte Zeche im Ruhrgebiet und als eine der bedeutendsten in Europa gelten konnte. 1974 erreichte sie mit weit über 6.000 Bergleuten und einer Jahresproduktion von 4,2 Millionen Tonnen Kohle die höchste Förderung ihrer Geschichte. Da sich die Absatzkrise jedoch in den frühen 1980er-Jahren weiter verschärfte, stellte Gneisenau am 4. August 1985 den Betrieb ein, 99 Jahre und sechs Wochen nach Aufnahme der Förderung.

Auf der rund 70 Hektar großen Industriebrache ist inzwischen ein attraktives und lebendiges Quartier für Freizeit und Wohnen, Handwerk, Handel und Gewerbe entstanden, dem die beiden erhalten gebliebenen, einzigartigen Fördergerüste mit ihren Maschinenhallen einen unverwechselbaren Charakter verleihen. Sie wurden 1989 unter Denkmalschutz gestellt, befinden sich seit 1997 in der Obhut der Stiftung Industriedenkmalpflege und Geschichtskultur und konnten so vor dem drohenden Abbruch gerettet werden.

Der Tomson-Bock - der letzte seiner Art

Der nach Eugen Tomson, dem ersten Direktor der Zeche Gneisenau benannte und 1885/86 über dem Schacht Gneisenau 2 errichtete Tomson-Bock ist der letzte Vertreter seiner Art und zugleich das älteste noch existierende stählerne Fördergerüst im Ruhrgebiet – ein technisches Denkmal von herausragender Bedeutung.

Diese Sonderform des vor allem in Westeuropa weit verbreiteten englischen Bockgerüsts erfreute sich auch im Ruhrbergbau bis in das frühe 20. Jahrhundert hinein großer Beliebtheit, insbesondere auf den Zechen der Harpener Bergbau-AG, die auf Betreiben Tomsons insgesamt 26 Schächte damit ausstattete.

Das monumentale, 58 Meter hohe, als Landmarke weithin sichtbare und in seiner Konstruktion auch im internationalen Vergleich einmalige Fördergerüst über dem Schacht Gneisenau 4 mit seinen fast senkrecht stehenden Streben wurde 1933/34 von der Firma Dortmunder Union Brückenbau errichtet. Es symbolisiert in eindrucksvoller Weise die Entwicklung der Zeche zur modernen Großschachtanlage und prägt als Wahrzeichen und Industriedenkmal von überregionalem Rang bis heute das Gesicht des maßgeblich vom Bergbau bestimmten Dortmunder Ortsteils Derne.

Zu den bedeutenden Relikten des Steinkohlenbergbaus im Ruhrgebiet sind aber auch die beiden noch vorhandenen, mehr als 280 Tonnen schweren Zwillings-Dampffördermaschinen des Schachts Gneisenau 4 zu rechnen, der bis 1963 als Hauptförderschacht diente. Die nördliche Fördermaschine wurde 1934 von der Gutehoffnungshütte in Oberhausen geliefert; ihre Treibscheibe hat einen Durchmesser von sieben Metern. Die etwas kleinere südliche Fördermaschine (Baujahr 1924/25) wurde von der stillgelegten Zeche Kurl übernommen und nach Gneisenau umgesetzt. Beide Maschinen waren auf eine Leistung von bis zu 4200 PS ausgelegt; sie zählten zu den stärksten der Harpener Bergbau-AG.

Als Partner der Stiftung Industriedenkmalpflege und Geschichtskultur kümmerte sich zunächst der Knappenverein Glück-Auf Gneisenau-Hostedde 1896 um die Erhaltung des nördlichen Maschinenhauses des Schachts Gneisenau 4, das ihm im Mai 2004 von der Stiftung zur Nutzung übergeben wurde. Heute wird diese Aufgabe vom 2009 gegründeten Förderkreis Zechenkultur „Gneisenau“ e.V. mit Erfolg wahrgenommen.

Neben der Verbesserung und Pflege des baulichen Bestands setzen sich die Mitglieder mit großem Engagement dafür ein, dass sich die Menschen im Stadtteil, aber auch darüber hinaus mit dem historischen Erbe beschäftigen und identifizieren. So öffnet der Verein regelmäßig am Tag des offenen Denkmals seine Tore und trägt darüber hinaus mit seinen vielfältigen Aktivitäten dazu bei, dass die Bergbautradition in Derne lebendig bleibt und die Erinnerung an ein Bergwerk wach gehalten wird, das fast ein Jahrhundert lang die wirtschaftliche Entwicklung des Ortes und das Schicksal von Generationen von Bergleuten und ihren Familien bestimmte.

Diesem Ziel dient auch das vorgestellte Buch. Es stützt sich vor allem auf die reichen, größtenteils noch unveröffentlichten Quellen, die im Westfälischen Wirtschaftsarchiv in Dortmund verwahrt werden. Eingebunden in die Geschichte der Harpener Bergbau-AG und des Ruhrbergbaus, wissenschaftlich fundiert, aber verständlich geschrieben, beleuchtet es die wirtschaftliche und technische Entwicklung der Zechen Gneisenau, Scharnhorst und Courl/Kurl in allen Facetten.

Von Belegschaften und Arbeitskämpfen

Aber auch der Sozialgeschichte ist viel Raum gewidmet. Das Buch erzählt u.a. von der Herkunft und Zusammensetzung der Belegschaften, vom Charakter und den Gefahren der Arbeit vor Ort, vom Kampf der Bergleute um die Verbesserung ihrer Arbeitsbedingungen und ihrer sozialen Lage, vom Überleben in Kriegs- und Krisenzeiten, von den Wohnverhältnissen in den Bergarbeitersiedlungen und von den zahlreichen anderen Einrichtungen der betrieblichen Sozialpolitik.

Infos:
"Kohle, Koks und Kolonie. Das Verbundbergwerk Gneisenau in Dortmund Derne". Bearbeitet von Gabriele Unverferth. Erschienen im Aschendorff Verlag, Münster 2020. ISBN 978-3-402-24641-2. Preis: 49,90 Euro.

Autor:

Ralf K. Braun aus Dortmund-Ost

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