Der Milchbauer am Stadtrand

Nils Frielinghaus mit seiner Auszubildenden Theresa Mielsch.
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Wenn man die Kemminghauser Straße in Richtung Brechten entlangfährt und in die Nähe der Autobahn kommt, kann man den Hof von Nils Frielinghaus finden.

Der Landwirt ist mit seiner Milchvieh-Haltung noch einer von zwei Milchbauern in ganz Dortmund.

Sein Beruf wurden dem 39-jährigen in die Wiege gelegt, schon seit Generationen produziert die Familie in Brechten Milch. 1593 wurde der Betrieb erstmals erwähnt, 2007 hat Frielinghaus den Hof von seinem Vater übernommen.

Doch so richtig Freude macht die Arbeit beim derzeitigen Milchpreis nicht mehr: "Wir bekommen 20 Cent pro Liter, doch die Produktionskosten liegen bei 35 bis 36 Cent pro Liter - ein Zuschussgeschäft. "Der größte Block sind die Futterkosten", erzählt Nils Frielinghaus. Auch die Kosten für Strom und Diesel, für die Jungviehaufzucht und andere Posten schlagen ordentlich zu Buche.

"Die eigene Arbeitskraft wird im Moment nicht bezahlt", das ist nur eine Folge der niedrigen Preise. Auch Investitionen wie beispielsweise neue Maschinen werden derzeit zurückgestellt.

200 Milchkühe hält der Diplom-Agraringenieur auf seinem Hof. Er wirtschaftet konventionell, doch auch dabei achtet er auf einen möglichst geschlossenen Kreislauf seiner Landwirtschaft. Auf 100 Hektar Land baut er das an, was seine Kühe zum Leben brauchen: Gras, Mais und Getreide. Kraftfutter, wie auf anderen Höfen üblich, bekommen seine Tiere nicht. Auf mineralischen Dünger verzichter Frielinghaus weitgehend, statt dessen kommt auf die Felder, was seine Kühe an Mist und Gülle produzieren: Rund zehn Tonnen sind das am Tag.

Auch ohne Kraftfutter geben die 200 Kühe insgesamt rund 5000 Liter Milch am Tag. Beim Wirtschaftssystem von Angebot und Nachfrage ist das insgesamt zuviel: " Es gibt ein zu hohes Milchaufkommen. Der Einzelhandel mit seinen großen Ketten hat sehr viel Macht." Und er diktiert die Preise. Je günstiger, desto besser für den Verbraucher, zumindest auf den ersten Blick.

Gleichzeitig schwächelt der internationale Markt: Das Russland-Embargo ebenso wie die sinkende Nachfrage in Asien schaden dem Weltmarkt. Nun könnte der Laie denken, es wäre eine einfache Lösung, die Milchproduktion zu senken. "Das würde aber bedeuten, dass wir Tiere töten müssen", gibt Frielinghaus zu bedenken.

Er kreuzt mittlerweile in seine Herde Holsteiner Friesen auch Fleckvieh ein, um die Herde widerstandsfähiger zu machen. Auf die Milchmenge hat das aber nur wenig Einfluss.

Die kleinen Jersey-Kühe, die Frielinghaus mehr aus Liebhaberei hält, geben deutlich weniger Milch als die schwarzbunten Hochleistungskühe. "Umwelttechnisch macht es aber mehr Sinn, viel Milch mit wenigen Tieren zu erzeugen", erklärt Frielinghaus. Weniger CO2, das in die Atmosphäre gelangt, weniger Methangas, das klingt logisch.

Was also kann man tun, um einen höheren Milchpreis zu erzielen? Einige Bauern setzen auf Direktvermarktung. Der Hof Wellie, auf dem Nils Frielinghaus seine Ausbildung gemacht hat, verarbeitet einen Großteil seiner Milch selbst zu Käse.

Andere Bauern bieten ihre Milch dem Verbraucher an einer Milchtankstelle an. Auch Nils Frielinghaus hat schon darüber nachgedacht: " Die Anfangsinvestition wäre sehr hoch, alles in allem ist das schon ein großer Aufwand." So ganz abgetan hat er die Idee aber noch nicht.

Andere Modelle setzen auf einen "Fairen Milchpreis": Immerhin ein Anfang, aber zu wenige Verbraucher zahlen freiwillig mehr - ein Tropfen auf den heißen Stein. Dabei wäre schon ein Milchpreis von 40 Cent pro Liter für die Bauern angemessen und fair, meint Frielinghaus. "Man sollte Fleisch, Eier oder Milch nicht bis zum Anschlag verramschen. Schließlich ist es ja auch wichtig, tiergerecht zu produzieren." So steht der "Kuhkomfort" auf dem Hof Frielinghaus auch an erster Stelle:

Ein "normaler Arbeitstag" dauert für Nils Frielinghaus und sein Team, bestehend aus seinen Eltern, seiner Lebensgefährtin und dem Bauern selbst noch aus zwei Azubis und einem festangestellten Mitarbeiter, von 5 Uhr morgens bis 19.30 abends. Wenn die Kühe kalben, kommen noch viele Nachtschichten hinzu.

"24 Stunden am Tag, 365 Tage im Jahr dreht sich hier alles um die Kuh." Nils Frielinghaus ist damit aufgewachsen, und doch denkt er manchmal über mögliche Alternativen nach. "Aber woher soll die Milch denn kommen, wenn immer mehr Milchbauern aufgeben? Soll sie dann quer durch Europa gekarrrt werden?"

In den 50er und 60ern gab es in Brechten noch rund 40 landwirtschaftliche Betriebe, oft mit einer landwirtschaftlichen MIschung, Milcherzeugung, Schweinezucht, Ackerbau, von allem ein bisschen.

Heute gibt es nur noch spezialisierte Betriebe. In Brechten gibt es keinen weiteren Milchbauern, in ganz Dortmund nur noch einen zweiten Betrieb im Groppenbruch. Bauer Kampmann hat dort aber nur rund 40 Kühe.

Insegsamt geht es den Kühen von Nils Frielinghaus offenbar gut. Sie leben in Offenstallhaltung, bekommen kein Sojaschrot, sondern Schrot von sebstangebautem Raps, und derzeit experimentiert der Landwirt mit neuen und alten Kleegrasmischungen wie dem "Landsberger Gemenge".

Es ist eine Art 'Müsli für die Kuh', mit einem hohen Eiweißanteil, zum Beispiel durch Wicken. Auch Treber, die Brau-Rückstände von der DAB-Brauerei, bekamen und bekommen die Tiere hin und wieder.

Die meisten Hochleistungskühe fristen ihr Leben im Stall. Nicht so in Brechten: Dort trifft man die Kühe von Nils Frielinghaus auch auf der Weide an. Und wenn einige kleinere, hellbraune, dabei sind, dann sind das Frielinghaus' Jersey-Kühe: " Ich habe welche zur Hochzeit geschenkt bekommen". Die Ehe ging in die Brüche - doch die Kühe sind noch da.

Interessierte Einzelpersonen, aber auch Schulen und KIndergärten führt Nils Frielinghaus gerne durch seine Ställe: "So ein Bauernhof ist ja auch ein Lernort. Welches Großstadtkind hat schonmal eine echte Kuh gesehen?" Für die rund zweistündige Führung kann man Kontakt zu Nils Frielinghaus über die Landwirtschaftskammer Westfalen-Lippe aufnehmen.

Hintergrund:
Milchbauern sollen schnelle Hilfen erhalten - darauf haben sich die Agrarminister bei ihrer Herbstkonferenz im August geeinigt. Sie berieten über die Verteilung des zweiten EU-Hilfspaketes mit einem Umfang von 500 Millionen Euro. 150 Millionen davon sollen in den EU-Ländern zur Reduzierung der Milchmenge eingesetzt werden. Voraussichtlich ab Mitte September können Landwirte Hilfen beantragen. Dann sollen sie für jeden nicht produzierten Liter Milch 14 Cent erhalten, so die Pläne. Quelle: Tagesschau

Info:

Der Bestand an Milchkühen in Deutschland hat sich in den letzten Jahrzehnten kontinuierlich verringert

1950 gab es über 5 Mio. Milchkühe, 2015 nur noch rund 4,3 Mio

Die Zahl der Milcherzeuger hat sich auf 74762 Erzeuger reduziert

Die durchschnittliche Milchleistung der Kühe ist in den vergangenen Jahren stark angestiegen

Heute erzeugt eine Kuh im Durchschnitt rund 7600 Kilogramm Rohmilch pro Jahr

Insgesamt haben vier Mio. Kühe 2015 rund 32,6 Mio. Tonnen Milch produziert

Quelle: MIV Milchindustrie-Verband

Autor:

Lokalkompass Dortmund-City aus Dortmund-City

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