Der Dortmunder Walter Behrendt war Präsident des Europäischen Parlaments

Walter Behrendt | Foto: privat
2Bilder

Am Sonntag ist - unter anderem - auch Europawahl. Viele Dortmunder Bürger können dann einen Vertreter für das Europäische Parlament mit Sitz in Straßburg wählen. Aber wie viele von ihnen wissen, dass mit Walter Behrendt, der dieses Jahr 100 Jahre alt geworden wäre, ein Dortmunder in den 70ern Präsident des Parlaments war?

„Mein Vater war immer ein Kämpfer für Aussöhnung, Frieden und Verständigung“, sagt Behrendts Tochter, die Brackelerin Dagmar Bourger. Walter Behrendt (1914 - 1997) war bereits nach seiner Rückkehr aus französischer Kriegsgefangenschaft seit 1946 in Dortmund für die SPD tätig, erst im Stadtrat, später auch als Abgeordneter im Deutschen Bundestag in Bonn. „Gleich am nächsten Tag nach seiner Rückkehr meldete er sich wieder bei der SPD, der er schon vor dem Krieg angehörte“, so Dagmar Bourger. Von 1957 bis 1976 war er Mitglied des Bundestages, von 1967 bis 1977 saß er zudem im Europäischen Parlament. Drei Jahre lang, von 1971 bis 1973, war der Präsident des Parlaments, 1969-1971 und 1973-1977 außerdem Vizepräsident. „Egal wo er später als Parlamentarier war, ob in Chile, Afrika oder Europa, hat er sich immer für die Überwindung von Gegensätzlichkeiten eingesetzt.“ Auch hatte er Freunde in Israel, zu denen seine Tochter bis heute Kontakt hat. Dass Behrendt als Parlamentarier viel reisen musste, kam ihm entgegen: „Er hat sehr gerne neue Länder kennengelernt“, so die ehemalige Lehrerin.

Besonders während der einjährigen französischen Kriegsgefangenschaft gegen Ende des 2. Weltkriegs festigte sich in ihm die Überzeugung, dass der Nationalismus in Europa und besonders die so genannte „deutsch-französische Erbfeindschaft“ überwunden werden müssten, erklärt seine Tochter, die selbst einen Franzosen geheiratet hat.

In Dortmund setzte sich Behrendt vor allem gegen die Luftverschmutzung ein. „Dortmund muss wieder einen blauen Himmel bekommen“, sagte er. Auch für die Jugend setzte er sich ein.
Seine Tätigkeit als Politiker war für ihn eine Doppelbelastung, da er sowohl im Bundestag als auch im Europäischen Parlament saß. „Das ist heutzutage anders“, so Dagmar Bourger. Behrendt glaubte stets an das Gute im Menschen, auch wenn er dadurch ein paar Mal über den Tisch gezogen wurde, wie seine Tochter berichtet.

Als seine zweite Enkeltochter 1973 geboren wurde, war Behrendt als Präsident des Europäischen Parlaments gerade in London zu einem Essen mit dem damaligen Premierminister, dem Erzbischof von Canterbury und Königin Elisabeth II. eingeladen. Als der mit ihrem Vater befreundete Arzt sie fragte, wo Behrendt garade sei, erklärte seine Tochter dies und fügte schmunzelnd hinzu: Vielleicht wird die Queen ja Patin meiner Tochter.“

Auch außerhalb seiner politischen Tätigkeit setzte sich Behrendt für Aussöhnung und Frieden ein. So war er von 1977 bis 1993 Präsident der Deutsch-Russischen Freundschafts-Gesellschaft.

Privat genoss Behrendt besonders das Zusammensein mit seiner Familie. „Sein größtes Glück waren seine Enkeltöchter“, erzählt Dagmar Bourger. Da Behrendt und seine Frau im Nachbarhaus wohnten, gab es viele gemeinsame Abende und Essen. Mit Tochter, Schwiegersohn und Enkeltöchtern hat der Politiker gerne und oft diskutiert. „Er war immer sehr neugierig, was die Jugend so denkt.“ Auch war er sehr musikalisch. „Er konnte unter anderem Gitarre, Geige, Mandoline und Flöte spielen“, so Dagmar Bourger. „Oft haben wir zusammen musiziert.“

Walter Behrendt | Foto: privat
Als Präsident des Europäischen Parlaments traf der Dortmunder Walter Behrendt gemeinsam mit einer Delegation des Parlaments Chiles Präsidenten Salvador Allende. | Foto: privat
Autor:

Tobias Weskamp aus Dortmund-Ost

following

Sie möchten diesem Profil folgen?

Verpassen Sie nicht die neuesten Inhalte von diesem Profil: Melden Sie sich an, um neuen Inhalten von Profilen und Orten in Ihrem persönlichen Feed zu folgen.

4 folgen diesem Profil

Kommentare

online discussion

Sie möchten kommentieren?

Sie möchten zur Diskussion beitragen? Melden Sie sich an, um Kommentare zu verfassen.

add_content

Sie möchten selbst beitragen?

Melden Sie sich jetzt kostenlos an, um selbst mit eigenen Inhalten beizutragen.