Nach Brexit-Votum: Neue Abstimmung in Nordirland?

Der Stellvertretende Ministerpräsident von Nordirland, Martin McGuinness von der irisch-republikanischen Linkspartei Sinn Féin, bei der Gedenkveranstaltung zu Ehren des irischen Osteraufstandes gegen das britische Imperium im Jahre 1916 am 24. April 2016 vor dem General Post Office (GPO) in Dublin. | Foto: Carsten Klink
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  • Der Stellvertretende Ministerpräsident von Nordirland, Martin McGuinness von der irisch-republikanischen Linkspartei Sinn Féin, bei der Gedenkveranstaltung zu Ehren des irischen Osteraufstandes gegen das britische Imperium im Jahre 1916 am 24. April 2016 vor dem General Post Office (GPO) in Dublin.
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Großbritannien könnte im Zuge des Brexit zu einem Kleinbritannien schrumpfen. Bei der Brexit-Abstimmung hatte die Bevölkerung in England und Wales mehrheitlich für den Austritt aus der EU gestimmt. Die Menschen in Schottland und Nordirland hatten allerdings mehrheitlich für einen Verbleib in der EU gestimmt. In den beiden letztgenannten Ländern wird inzwischen massiv eine Loslösung von Großbritannien gefordert. Folgt dem Brexit nun der "NI-exit"?

Der Stellvertretende Erste Minister von Nordirland, Martin McGuiness von der irisch-republikanischen Linkspartei Sinn Féin (SF), hatte schon im Vorfeld des Brexit-Votums bei einem Sieg der "Leave"-Fraktion eine Abstimmung über den Verbleib Nordirlands im Vereinigten Königreich und einer Vereinigung mit der südlichen Republik Irland gefordert. Nach dem anglo-irischen Krieg wurde 1922imSüden der Insel der Freistaat Irland gegründet, Nordirland wurde aber weiterhin von Großbritannien beansprucht und regiert.

Obwohl Sinn Féin (SF) als Teil der Bremain-Kampagne (Britain RemaIN - Britannien bleibt in der EU) für den Verbleib in der EU mobilisierte, sparten die irischen Republikaner von SF nicht mit Kritik an der undemokratischen EU, die sehr wohl reformiert werden müsse. Des Weiteren befürchtet man auch im republikanischen Lager, dass der nach den bürgerkriegsartigen "Troubles" mit über 3.500 Toten in den sechziger, siebziger und achziger Jahres des letzten Jahrhunderts mit dem Karfreitagsabkommen von 1998 müselig erreichte Friedensprozeß durch eine noch stärkere Orientierung des royalistischen Lagers Richtung London nach einem Austritt gefährdet werden könnte. Bezeichnenderweis gehören sowohl die britische Nordirland-Ministerin Theresa Villiers sowie die protestantische Ministerpräsidentin Arlene Foster von der Democratic Unionist Party (DUP) zum Brexit-Lager.

Tatsächlich drohen nun unter anderem wieder Grenz- und Zollkontrollen zwischen Nordirland und der südlichen Republik. Martin McGuinness (Sinn Féin) sprach von "absolut gewaltigen" Auswirkungen des Brexit-Referendums auf ganz Irland und fordert nach dem Votum eine Volksabstimmung über die Vereinigung Nordirlands mit der südlichen Republik Irland. Dies sei eine "demokratische Notwendigkeit".

Der Standard aus Österreich meldet auf seiner Internetseite: "Von solch radikalen Schritten war in der Stellungnahme des irischen Premiers Enda Kenny nicht die Rede. Kein Wunder: Die Bürger der Republik könnten sich die wirtschaftlich schwachen Cousins im Norden kaum leisten."

Ein weiterer Grund für Premier Kennys Zurückhaltung, wenn nicht sogar der Hauptgrund dürfte sein, dass die irisch-republikanische Sinn Féin Partei die einzige der relevanten irischen Parteien ist, die in beiden Teilen der Insel politisch aktiv und sowohl handlungs- als auch kampagnenfähig ist. Eine Vereinigung Irlands würde für Premier Kennys konservative Partei Fine Gael ebenso wie für die andere jahrzehntelange konservative Regierungspartei Fianna Fáil einen erheblichen Machtverlust bedeuten, der die für beide Parteien bei den letzten Wahlen erfolgten Rückschlägen noch verstärken würde.

Für die irisch-republikanische Bewegung hingegen würden sich die Ziele des Osteraufstandes von 1916 im Bezug auf die Einheit und Unabhängigkeit ihres Landes endlich verwirklichen lassen. Als letztes Ziel blieben ihnen aber noch die Durchsetzung einer weitestgehenden sozialen Gerechtigkeit auf der grünen Insel, die ebenso zum irisch-republikanischen Selbstverständnis gehört. Ein gerechtes und solidarisches Europa würde vermutlich auch niemand verlassen. Zukünftige Nachrichten aus Irland und Europa könnten spannend werden.

Der Stellvertretende Ministerpräsident von Nordirland, Martin McGuinness von der irisch-republikanischen Linkspartei Sinn Féin, bei der Gedenkveranstaltung zu Ehren des irischen Osteraufstandes gegen das britische Imperium im Jahre 1916 am 24. April 2016 vor dem General Post Office (GPO) in Dublin. | Foto: Carsten Klink
Im Regierungssitz des irischen Premierministers Kenny gab es keine Forderung nach einer Abstimmung in Nordirland über eine Vereinigung mit der Republik Irland, um somit Nordirland eine weitere Mitgliedschaft in der EU zu ermöglichen. | Foto: Carsten Klink
Autor:

Carsten Klink aus Dortmund-Ost

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