Das "Herz" von Husen

Haus Lüneburger oder Sacre Coeur? | Foto: Silke Kemnitz-Brenjo
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Das alte Fachwerkhaus an der Husener Straße hat schon mehrere Leben hinter sich: Für Kneipengänger, die zwischen 50 und 60 Jahren alt sind, ist es das Sacre Coeur, kurz Coeur. Für die Älteren das Haus Lüneburger, für die jüngeren das Painthouse.

Hier haben mehrere Generationen gefeiert und getanzt, auch so manche Ehe nahm hier wohl auch ihren Anfang. Gesprächswertig ist das Haus noch immer, viele Mutmaßungen kursieren, mit traurig-nostalgischen Gefühlen befürchten viele, das das Haus abgerissen werden soll.

Seine Zeit als Szenekneipe hat das Haus nun endgültig hinter sich gelassen, der angebaute Veranstaltungsaal ist bereits abgerissen. Von außen bietet das Coeur derzeit keinen wirklich schönen Anblick. Die Fachwerke sind mit Graffiti verunziert, einige Ausfachungen fehlen ganz und wurden vernagelt, viele Fensterscheiben sind kaputt.

Für die Brackeler Fotografin Silke Kemnitz-Brenjo haben solche verlassenen Orte eine ganz besondere Faszination. Seit einigen Jahren macht sie sich ganz gezielt auf die Suche nach solchen „Lost Places“. Obwohl, ein verlorener Ort ist das alte Coeur nicht. Marode sieht es hauptsächlich von außen aus.

Innen sieht man, dass Arbeiten in Vorbereitung sind. Eine Spezialfirma für Fachwerksanierung hat schon Balken und Isoliermaterial bereit gelegt. Wohnungen sollen hier entstehen, und unten ein Café. Silke Kemnitz-Brenjo muss hier nicht durch ein Fenster einsteigen – der Besitzer des Hauses hat ihr einen Schlüssel gegeben. Sie will die Veränderungen im Haus durch die Bauarbeiten weiter dokumentieren.

Das Tageslicht scheint durch die Dachpfannen, und aus den Zwischenwänden quillt das Stroh aus dem Lehmputz. Alte Tapetenreste hängen noch an den Wänden, doch das meiste, was die vorigen Bewohner zurückgelassen haben ist weg – bis auf einen alten und kaputten Billardtisch. Die Bausubstanz sieht auf den ersten Blick besser aus, als der Eindruck von außen befürchten lässt. Das Fachwerkhaus steht unter Denkmalschutz, und die vielen baulichen Eingriffe der Vorbesitzer machen die Restaurierung nicht wirklich einfacher.

„Schon früher als Kind haben mich verlassene Häusern, alte Scheunen, Lagerhallen und Gebäude fasziniert. Es war Abenteuer pur, hinein zu gehen und sich umzuschauen“, erzählt die Fotografin. Alleine wäre es zu gefährlich, die alten Gebäude zu betreten, deshalb geht man immer mindestens zu zweit zusammen.

„Wir betraten die ehemalige Disco mit Taschenlampen bewaffnet, es war dunkel wie die Nacht. Auf der Suche nach dem Sicherungskasten entdeckten wir schon das ein oder andere interessante Detail und die Zeitreise begann.... Zuerst verschafften wir uns einen Gesamtüberblick und erkundeten das angrenzende Wohnhaus, die wunderschönen alten Bodenfliesen fielen mir direkt ins Auge und die uralte Zeitung vom 12. Februar 1969 für 0,20 DM musste ich einfach sofort mit der Kamera festhalten.“

Weiter ging es, die knatschende Holztreppe hoch, ins erste Obergeschoss: „Hier fanden wir mehrere Räume. Im Nebenraum hing noch die Lampe aus den 70er Jahren an der Decke, um die Ecke hing, mitten im Flur, ein Waschbecken an der Wand und im Nebenraum erweckte ein sehr alter Kohleofen meine Neugierde. Die nächste Treppe führte ins Dachgeschoss und einzelne Glassplitter knirschten unter meinen Sohlen."

Besonders spannend sind in solchen Lost Places oftmals die Dachböden mit Ihren Schätzen: "In einem Raum fanden wir unzählige leere Weinflaschen, die sicher an gemütlichen Abenden oder bei wilden Partys geleert wurden. Schwere steinalte Feuerlöscher standen in Reih und Glied vor einem Schrank und waren echt richtig dekorativ. In der große schweren Truhe aus Holz war leider nichts drin, dafür war der massive Holzschrank im Flur voll mit alten Zeitungen und Katalogen. Alte Zinkwannen, Töpfe, Tennisschläger, Holzkisten mit Weinflaschen lagen kreuz und quer durcheinander und mitten drin fand ich tatsächlich eine Silvestereinladungen von 1951! Klasse!“

Die Fotos von ihren Touren veröffentlicht Silke Kemnitz-Brenjo auch im Internet bei Facebook unter www.facebook.com/Fotokleckse/. Dort sind auch die Bilder zu sehen, die sie vom inzwischen abgerissenen Haus Kurl gemacht hat.

„Wenn ich einen Lost Place betrete, ist sofort das Kribbeln und die Abenteuerlust geweckt. Es ist ein bisschen so wie Schatzsuche mit der Kamera. Vor ungefähr fünf Jahren fing ich an, ganz bewusst meine Kamera mitzunehmen um auf Abenteuertour zu gehen und das, was mich so in seinen Bann zog, auf Fotos festzuhalten.

Vor etwa drei Jahren betrat ich durch ein Kellerfenster den ersten Lost Place, nach dem ich lange vorher recherchiert habe, um die Adresse heraus zu bekommen. Ich habe im Internet ein Foto von konservierten Organen in Glasbehältern und OP-Lampen in der verlassenen Villa eines Urologen entdeckt und dachte mir, da muss ich hin.“ Sie suchte und fand die Villa und machte ihre Fotos.

„Dann fing ich an, gezielt nach Lost Places zu suchen. Der Umkreis wurde immer größer und ging über Deutschland hinaus. Meine Wünsche und Vorstellungen von lohnenswerten Lost Places wurden immer anspruchsvoller. Längst reichte mir eine alte leere Lagerhalle nicht mehr aus, besonders faszinierten mich richtig alte Häuser, die noch möbliert waren. Mein Traum ist eine Ausstellung mit meinen Fotos, die auf großformatigen Leinwänden so richtig zur Geltung kommen.“

Autor:

Lokalkompass Dortmund-City aus Dortmund-City

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