„Ein bewegender Schritt“ // Nach 36 Jahren als Pfarrer der Ev. Gemeinde Wickede wird Christoph Diestelhorst verabschiedet

26. September 2015
14:00 Uhr
Stephanus-Gemeindezentrum, 44319 Dortmund
65 Jahre alt ist er schon im Mai geworden. Nun wird Christoph Dieselhorst am Samstag (26.) um 14 Uhr beim Gottesdienst und Fest der Begegnung im Stephanus-Zentrum nach 36-jähriger Pfarrtätigkeit in Wickede von seiner Gemeinde und dem Ev. Kirchenkreis Dortmund in den Ruhestand verabschiedet. Überaus stolz ist Diestelhorst u.a. darauf, dass unter seiner Regie das zweite Gemeindehaus an der Meylantstraße auch dank der Partner wie AWO Dortmund und Familienbildung für die Gemeindearbeit erhalten werden konnte.
5Bilder
  • 65 Jahre alt ist er schon im Mai geworden. Nun wird Christoph Dieselhorst am Samstag (26.) um 14 Uhr beim Gottesdienst und Fest der Begegnung im Stephanus-Zentrum nach 36-jähriger Pfarrtätigkeit in Wickede von seiner Gemeinde und dem Ev. Kirchenkreis Dortmund in den Ruhestand verabschiedet. Überaus stolz ist Diestelhorst u.a. darauf, dass unter seiner Regie das zweite Gemeindehaus an der Meylantstraße auch dank der Partner wie AWO Dortmund und Familienbildung für die Gemeindearbeit erhalten werden konnte.
  • hochgeladen von Ralf K. Braun

„Gefälligkeit ist nicht der Auftrag der Bibel.“ Sagt Christoph Diestelhorst in seinen Abschiedsworten an die Gemeinde. Am Samstag, 26. September, wird der 65-Jährige – gemäß 67er-Regelung gut vier Monate nach seinem 65. Geburtstag und nach „36 intensiven Jahren“ als Pfarrer der Evangelischen Kirchengemeinde Wickede – von den Wickedern und dem Kirchenkreis Dortmund in den Ruhestand verabschiedet. „Das ist schon ein bewegender Schritt.“

Gefällig war der Idealist Diestelhorst eher selten. Und dennoch hat der gebürtige Bielefelder als überaus politisch denkender Mann den realistischen Blick aufs Machbare nie verloren. Auch wenn ihm das Erfolgserlebnis manchesmal versagt blieb. Etwa beim Protest an der Seite der Dortmunder Stahlwerker, von denen einst nicht wenige in der Wickeder Neue-Heimat-Siedlung lebten, die man heute eher als Meylantviertel kennt. Oder im Kampf gegen den Flughafen-Ausbau und die damit verbundene Enteignung von Gemeindeflächen.

Nie Auseinandersetzungen mit Behörden und Politikern gescheut

Auch beim Aktionsbündnis „Grün statt Grau“ gegen die Ausweitung der Gewerbegebiete und für den Erhalt der letzten zusammenhängenden Grünflächen im Wickeder und Asselner Süden hat Diestelhorst Flagge gezeigt. Auseinandersetzungen mit Behörden und Politikern hat Diestelhorst nie gescheut. Sein erklärtes Ziel dabei: die Lebensqualität im Ort zu erhalten.

Diestelhorst wuchs in einem kirchlich geprägten Elternhaus in Bielefeld auf. „Ich bin in der Jugendarbeit kirchlich sozialisiert worden“, verrät er. Sein Abitur machte er in Bethel. Dort und in Göttingen hat er dann auch Theologie studiert. Nach dem Vikariat 1977 in Dielingen nahe des Dümmers kam Diestelhorst dann 1979 – zunächst im Entsendungsdienst – nach Dortmund-Wickede, wurde gewählt und blieb.

"Kirche war für die Conti-Schichtarbeiter nicht unbedingt das Zentrale"

Aktuell werden die noch 5400 evangelischen Christen in Wickede von zwei Pfarrern betreut. Rund 12.000 Mitglieder und vier Pfarrstellen zählte die Gemeinde Ende der 70er-Jahre, erinnert sich Diestelhorst an seine ersten Jahre: „Wickede war durch die Hoesch-Arbeiter geprägt. Viele lebten in kinderreichen Großfamilien in der Neue-Heimat-Siedlung. Kirche war für die Conti-Schichtarbeiter nicht unbedingt das Zentrale... Und die Wickeder ,Poahlbürger‘ haben den ,Satellit Meylantviertel‘ nie richtig akzeptiert. Aber es gab und gibt einen großen Stamm von ehrenamtlichen Mitarbeitern, viele engagierte Leute von Jung bis Alt“, lobt er.

Die Flüchtlings- und Ausländerthematik – ein weiterer Schwerpunkt von Diestelhorsts Arbeit, geprägt auch von der eigenen Familienbiografie und den selbst erlebten Auseinandersetzungen mit Ausländerbehörde und Arbeitsamt. Hatte er doch eine Finnin geheiratet, als das nordische Land längst noch nicht EU-Mitglied war (ein schönes Nebenprodukt der privaten Verbindung sind nicht nur drei mittlerweile erwachsene Kinder, sondern auch der intensive, 1987 aufgenommene deutsch-finnische Jugendaustausch mit der Kommune Hattula).

Gegen die Apartheid, für das Kirchenasyl

Dazu passt Diestelhorsts Einsatz beim Früchtekauf-Boycott gegen die Apartheid in Südafrika wie die Anstellung eines chilenischen Flüchtlings als Küster der Gemeinde. Man engagierte sich im Zuge der ersten Flüchtlingswelle für die im Asselner Feld einquartierten Menschen ebenso wie für die 30 kurdischen Flüchtlinge, denen man in den 90er-Jahren Wanderkirchenasyl im Stephanus-Zentrum gewährte. „Es war eine sehr intensive Arbeit, aber wir haben letztendlich Aufenthaltsgenehmigungen für alle erwirkt“, zeigt sich Diestelhorst zufrieden und erinnert sich an viele Gespräche u.a. mit dem damaligen Bundes-Innenminister Otto Schily in Bonn.

Das letzte Jahr war mit der Realisierung des Flüchtlingsdorfs Morgenstraße für Diestelhorst und seine Gemeinde nochmals ein besonders ereignisreiches. „Wir wollen, dass die Stimmung gut bleibt in Wickede“, sagt der Pfarrer, der mit dem Glockengeläut der Johanneskirche die Hetzparolen der auf dem Hellweg demonstrierenden Nazis übertönen ließ. Und sichtlich stolz ist er darauf, dass man eine vierköpfige armenische Flüchtlingsfamilie „ratzfatz im Turbo“ in die Gemeinde integrieren und auch in eine Wohnung vermitteln konnte.

Stolz auf Erhalt des Stephanus-Zentrums und auf die Kindergärten

Auch was die Infrastruktur, die Gebäude, betrifft, hinterlässt Diestelhorst der Wickeder Gemeinde, die weniger durch Austritte aus der Kirche als durch den Wegzug von Kindern und den natürlichen demografischen Wandel geschrumpft sei, ein wohl bestelltes Feld: Stolz ist er besonders auf den Erhalt des Stephanus-Zentrums und sehr dankbar all denjenigen, die daran mitgearbeitet haben: „Es ist ein großes Pfund der Kirchengemeinde im Meylantviertel!“

Stolz ist er aber auch auf die beiden Wickeder Kindergärten – „sehr gut saniert und gut nachgefragt“ – und die Arbeit dort. Beispielhaft verweist der Pfarrer auf die wohnortnahe Integration behinderter Kinder im Evangelischen Familienzentrum Wickede für insgesamt 100 Kinder.

Umzug in die alte Heimat nach Bielefeld „noch vor Weihnachten“

Mit der offiziellen Verabschiedung und Entbindung durch den Superintendenten Ulf Schlüter am Samstag, 26. September, um 14 Uhr im Festgottesdienst – Gemeinde und Weggefährten sind im Anschluss zum Fest der Begegnung ins Stephanus-Zentrum eingeladen – wird in jedem Fall eine Ära in Wickede enden. Denn Pfarrer Christoph Diestelhorst wird mit seiner Frau „noch vor Weihnachten“ aus der Pfarrwohnung an der Meylantstraße 77 aus- und zurück in seine alte Heimat Bielefeld ziehen, zu Familie und Freunden, wo man sich ein Haus gekauft hat. „Kontakte werden wir aufrechterhalten“, sagt Diestelhorst: „Doch es ist auch wichtig, dass man zur Kirchengemeinde Abstand bekommt.“

INFO:
In der Evangelischen Kirchengemeinde Wickede stehen mit dem Ruhestand von Diestelhorst einige Veränderungen an. Die Pfarrstelle – neben der von Pfarrer Hanno May – ist auf 75 Prozent reduziert ausgeschrieben worden, die Nachfolge noch nicht geregelt. Zudem war Diestelhorst bis dato auch Vorsitzender des Presbyteriums.

Autor:

Ralf K. Braun aus Dortmund-Ost

following

Sie möchten diesem Profil folgen?

Verpassen Sie nicht die neuesten Inhalte von diesem Profil: Melden Sie sich an, um neuen Inhalten von Profilen und Orten in Ihrem persönlichen Feed zu folgen.

21 folgen diesem Profil

Kommentare

online discussion

Sie möchten kommentieren?

Sie möchten zur Diskussion beitragen? Melden Sie sich an, um Kommentare zu verfassen.

add_content

Sie möchten selbst beitragen?

Melden Sie sich jetzt kostenlos an, um selbst mit eigenen Inhalten beizutragen.