Auf zur Emscherkunst! 100 Tage lang 50 Kilometer Kunstroute in Stadt & Natur erleben

Hier geht´s lang - Wegweiser zur Emscherkunst 2016
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Am 04. Juni wurde die Emscherkunst 2016 eröffnet. Bis zum 18. September kann man den 50 Kilometer langen Kunstparcours zwischen Dortmund und Herne entlang der Emscher erkunden. Titel der diesjährigen Emscherkunst "Entdecke die Kunst - Erlebe die Veränderung" weist auch gleich auf den Hintergrund der Emscherkunst hin.

Seit dem Kulturhauptstadtjahr RUHR.2010 begleitet die internationale Ausstellung als Triennale eines der größten Renaturierungsprojekte Europas – den Umbau des Abwasserflusses Emscher hin zu einer natürlichen Flusslandschaft. Aus der "schwatten Köttelbecke" soll wieder ein blauer Fluss in grüner Landschaft werden, indem die Abwässer in unterirdische Kanalrohrsysteme verlegt werden, inklusive gigantischer Pumpwerkstationen. Ein Generationsprojekt.

Emscherkunst begleitet den Emscherumbau

Im Kulturhauptstadtjahr 2010 wurde die Idee geboren, den Emscherumbau künstlerisch zu begleiten. Bei ihrer Erstauflage im Kulturhauptstadtjahr Europas RUHR.2010 war die Emscherkunst mit 200.000 Besucher/innen das größte Kunstprojekt im öffentlichen Raum des Ruhrgebiets. Im Jahr 2013 kamen bereits 255.000 Besucher/innen, u.a. zum Beispiel zu den Zelten des chinesischen Künstlers Ai Weiwei. Die Emscherkunst ist also zu einer festen Größe im Kulturbetrieb geworden. Auch zur diesjährigen Emscherkunst wurden Künstler/innen der Gegenwartskunst, u.a. aus Frankreich, der Schweiz, Kanada, den Niederlanden und aus Deutschland eingeladen. Mit ihren Arbeiten zeigen sie ihren Blick auf eine Landschaft im Wandel. Sie tun das auf unterschiedlichste Weise, mit Witz und Einfallsreichtum, nachdenklich, poetisch, hintergründig, zukunftsweisend, provokativ bis radikal. Auf jeden Fall lenken sie den Blick auf die Emscherregion. Eine Region, die sich vielleicht erst auf den "zweiten Blick" als schön erweist. Ein lohnendes Ziel für in- und ausländische Besucher/innen und eine Einladung an alle, auch gerade an die Bewohner/innen vor Ort, die Region vor der Haustür neu zu entdecken und spannend zu erleben. Also, auf zur Emscherkunst!

Emscherkunst 2016 zwischen Dortmund und Herne...

Diesmal ist es die östliche Region, in der die Kunstroute verläuft. Es gibt sieben Kunstareale: die Emscherquelle in Holzwickede, der Dortmunder Phoenix See, das Unionviertel rund um das Dortmunder U, die Kokerei Hansa, das Hochwasserrückhaltebecken, das Wasserkreuz von Emscher und Rhein-Herne-Kanal bei Castrop-Rauxel und der Stadthafen Recklinghausen mit dem Museum Strom und Leben. Das Museum ist eins von vier Besucherzentren, an denen man Räder für die Tour ausleihen bzw. auch wieder abgeben kann. Eine Radkarte mit Tourenvorschlägen gibt es für 9,00 Euro. Natürlich kann man auch das eigene Fahrrad nutzen oder sich zu Fuß auf den Weg machen. Es werden auch geführte Touren angeboten. Weitere Besucherzentren sind der Emscherquellhof, das Dortmunder U und die Kokerei Hansa. Insgesamt sind 24 Kunststationen in diesen 7 Kunstarealen zu entdecken, darunter 9 "alte Bekannte" aus früheren Emscherkunst-Ausstellungen, die teils in neue Umgebung platziert wurden.15 Stationen sind gänzlich neu.

...im Wechsel zwischen Stadt und Land

Das Spannende ist, dass man den Wechsel zwischen Stadt und Land erlebt. Gerade noch im Stadtraum, am Dortmunder U oder am Phoenix See, noch auf oder neben lauten und stark befahrenen Straßen, ist man nach kurzer Weile im ländlichen Gebiet, auf grüner Wiese zum Beispiel am Hochwasserrückhaltebecken, wo im Moment Brutzeit herrscht und man den Weg zur Kunstinstallation "Wellenbrecher" von Nevin Aladag sehr behutsam vornehmen muss. Kunstsouts helfen vor Ort, erklären was man da so sieht. Die 60 Tetrapoden mit je sechs Tonnen Gewicht sollen in ihrer Lage den Grundriss der Arche Noah nachzeichnen.

Es gibt viele versteckt liegende, unauffällige Orte, Brachen, verlassenen Areale, die die Emscherkunst gerne aufnimmt und zum Leben erweckt. So kann man auf Stegen durch einen kleinen, verwilderten Haselnusshain schlendern, gelegen an der hier schon renaturierten Emscher, und eine "Kunstpause" einlegen. So heißt denn auch die Kunst-Station von atelier le balto, die man hier begehen und besitzen kann. Auch so ein Anliegen, das die Emscherkunst fördert. Menschen an die Kunst heranführen, mögliche Hemmschwellen senken, neugierig machen auf das, was man vielleicht zufällig beim Spazierengehen sieht und für sich entdeckt. Genauso verhält es sich mit der Kunst-Station "Zur Kleinen Weile" von raumlabor. Ein großer "Hinkelstein" oder Findling, in den man hineingehen kann. Innen die Überraschung: ein goldener Innenraum mit besonderer Klang-Atmosphäre. Der Lärm und die Hektik der Stadt sind weit weg.

Wer sich länger an einem Kunstwerk aufhalten möchte, der übernachtet am besten direkt darin. In den Zelten von Ai Weiei sowie in der Wolkenstation von Reiner Maria Matysik und natürlich in der Brückenskulptur "Warten auf den Fluss" von der niederländischen Gruppe Observatorium kann übernachtet werden.

Vielfältigen Kunststationen und "Warten" kann so schön sein

Auch die anderen Kunststationen sind es wert, besucht zu werden. Hier eine kleine Auswahl: Das raupenförmige Gewächshaus "Urban Space Station" der australischen Künstlerin Natalie Jeremjenko dockt an die Klima- und Lüftungsanlage der umliegenden Gebäude an, reinigt die Abluft und führt sie gefiltert wieder zu. Ein zukunftsweisendes Projekt zum Thema nachhaltiges Wohnen. "Arca" ist ein trockengefallenes Expeditionsschiff von Stracke & Seibt. Es wird in allen Kunstarealen "ankern" und zum "Mit-Entdecken" auffordern. Ebenfalls am Phoenix See sind zwei Skulpturen der "Spirits of the Emscher Valley" von Lucy und Jorge Orta zu sehen. Beim Entwurf der Skulpturen haben die Künstler die Ideen der Anwohner zum Thema Wandel in der Region mit einfließen lassen. Witzig ist der Kiosk von Benjamin Bergmann. "Chiosco" ist ein originales "Büdchen" aus bella Italia, aus Venedig. Und auch hier werden Souvenirs aus Venedig angeboten. Sogar der Verkäufer Daniele ist ein waschechter Italiener und sein kleiner Hund Yago ebenso. Bergmann arbeitet gerne mit dem Überraschungseffekt. Vollkommen "abgefahren" ist der Film "Die Insel" von Erik van Lieshout, der zusammen mit einem syrischen Flüchtling auf der Insel im Phoenix See ein geradezu anarchisches Leben führte, ein krasser Gegensatz zu dem "Schöner Wohnen" drum herum. Das Leben der heimischen Vogelwelt gilt es in der heimeligen Clubatmosphäre der Forschungsstation von Mark Dion zu entdecken. "Gesellschaft der Amateur-Ornithologen" heißt die Station und steht in genau passend im Gebiet des Hochwasserrückhaltebeckens, das für viele Tiere und Pflanzen ein geschützter Lebensraum wurde. Noch im Stadium der Baustelle befindet sich der Entwurf zu "Black Circle Square" von Massimo Bartolini in unmittelbarer Nähe.

"Warten auf den Fluss" ist übrigens mein ganz persönlicher Favorit, was Ruhe und Entschleunigung angeht. Diesmal befindet sich die Häuser-Steg-Kombination am Wasserkreuz mit Blick auf den Rhein-Herne-Kanal. Man sitzt auf dem Steg oder am Fenster, Schiffe ziehen vorüber, Seele baumeln lassen. Beim Blick durch das Fenster zur anderen Seite: Idylle pur, ein Mix aus Wald, Wiesen und Wasser mit großem Entspannungspotential. Hier, so erzählte mir eine niederländische Besucherin ganz begeistert, habe sie sogar einen Eisvogel gesehen.

Also, nix wie hin. 100 Tage Dauer scheinen lang, sind aber erfahrungsgemäß ruck zuck vorbei...

Mehr Infos zur Emscherkunst unter www.emscherkunst.de
Emscherkunst 2016 wird kuratiert von Florian Matzner zusammen mit Katja Aßmann (Urbane Künste Ruhr) und Simone Timmerhaus (Emschergenossenschaft)

Jetzt lade ich Euch ein mit auf Entdeckungstour zu gehen:
(Die Fotos entstanden bei der Vorstellung der Emscherkunst 2016)

Autor:

Andrea Gruß-Wolters aus Duisburg

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