Meisheiten - Für Dich! Für Heute! Für immer!

Der Winter stand auf dem Kalender, wenn er sich auch verspätet zeigte. Der lichte Tag wurde durch das Dunkel der Nacht in seine Grenzen gewiesen. Graue Wolkenfelder, vereiste Autoscheiben, Graupelschauer und erste Schneefälle zeugten von der kalten Jahreszeit. Weihnachten stand vor der Tür. Ein neues Jahr.

Er stand mit hängenden Schultern am Fenster und starrte hinaus. Mit stumpfem Blick aus blaugrünen Augen. Seine Stimmung spiegelte sich in dem stürmisch kalten Grau vor dem schmutzigen Glas. Trug schwer an seinem dunklen Gedankenumhang, der ihn nicht wärmte, sondern frösteln ließ. Es gab nur einen winzigen Lichtblick. In elf Tagen war Wintersonnenwende ...

Er verließ seinen Platz und öffnete die Balkontüre. Kontrollierte, ob seine gefiederten Freunde das neue Futterhäuschen entdeckt hatten. Es war restlos leer geputzt. „Kleine Fresssäcke“, murmelte er und befüllte es mit kernigen Leckereien. Die Sonne blinzelte durch den dickbauchigen Wolkenvorhang. Ein helles Stimmchen piepste entrüstet: „Das verbitte ich mir!“. Manfred zuckte zusammen und ließ vor Schreck die Futtertüte fallen. „Pass doch auf, du Tölpel. Du verschüttest ja alles“, ertönte es erneut.

Manfred drehte sich vorsichtig um. Mit offenem Mund betrachtete er die Meise auf dem farbenprächtigen Holzvogel im Blumenkasten. „Mach besser den Schnabel zu, bevor da jemand reinfliegt“, lästerte das Vögelchen. Manfred hätte schwören können, dass es ihn auslachte. Er wollte ihm gerade seine Meinung geigen, da zwitscherte es erneut: „Was ist mit Dir los? Ich habe Dich vorhin am Fenster beobachtet. Väterchen Frost ist gegen Dich ein Waisenknabe. In deiner Nähe friert sogar Frau Sonne!“

Für einen Augenblickt herrschte Stille. Mensch und Tier hielten stumme Zwiesprache. Kohlrabenschwarze Knopfäuglein schienen in Manfreds Seele zu schauen. Er räusperte sich. Suchte nach Worten. Öffnete seine Lippen. Wollte antworten. Da vernahm er erneut das helle Stimmchen: „Du musst nichts sagen. Ich weiß Bescheid. Du hasst den Winter. Die Dunkelheit. Die kurzen Tage. Die langen Nächte, in denen Dich böse Träume plagen. Du hast Angst. Vor deinen Gedanken. Du wartest auf die Sonnenwende. Auf das Licht. Draußen. In Dir.

Merke Dir eines, mein großer Freund: Du musst die Jahreszeiten akzeptieren. Sie gehören zu unserem Lebenslauf. Der Winter zwingt uns zur Ruhe. Zur inneren Einkehr. Und eines ist gewiss. Nach ihm kommt ein neuer Frühling!“, mahnte der gefiederte Geselle.

Gebannt hatte Manfred der weisen Meise gelauscht. Er erwachte aus seiner Starre. In seinen Augen glomm ein goldenes Licht auf. Seine Gestalt straffte sich. Wärme durchströmte seine steifen Glieder. Er bückte sich nach dem Futterbeutel und sammelte die verstreuten Kerne ein. Als er sich wieder aufrichtete, fiel sein Blick auf die Balkonbrüstung.

Der bunte Ziervogel wippte fröhlich im Wind...

Text © Doris Sponheimer
eigenes Foto

Mit dieser Geschichte gratuliere ich Dir zu deinem Geburtstag.

Egal, ob in unseren Seelen die Jahreszeiten wechseln,
der Frühling siegt ...

und älter werden ist kein Grund zu vereisen ...

In Liebe deine „Meise“

Autor:

Doris Sponheimer aus Düsseldorf

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