Premiere im Theater an der Kö: »Mutti« im Krisen-Modus

Frank Büssing (Horst Seehofer), Gerhard Fehn (Sigmar Gabriel), Dorkas Kiefer (Ursula von der Leyen), Claus Thull-Emden (Therapeut) und Nina Vorbrodt (Angela Merkel).
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  • Frank Büssing (Horst Seehofer), Gerhard Fehn (Sigmar Gabriel), Dorkas Kiefer (Ursula von der Leyen), Claus Thull-Emden (Therapeut) und Nina Vorbrodt (Angela Merkel).
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Die groteske Komödie »Mutti« von Juli Zeh und Charlotte Roos hatte am Freitag (19. September) Premiere im Theater an der Kö. Die Schauspieler überzeugten mit einer starken Leistung. Das Stück mit zahlreichen Seitenhieben auf die aktuelle Politik verliert sich am Ende in einem unglaublichen Krisen-Szenario. Da überstürzen sich die Ereignisse derart, so dass mancher Zuschauer wohl gänzlich den Überblick verlor. Hinterher gab es viel Beifall für eine amüsante Komödie.

Die Handlung könnte nicht näher an der politischen Realität sein: Sigmar hat die Nase voll. Die ständigen Querelen in der »GroKo« (Große Koalition) können so nicht weiter gehen. Der Horst schießt immer dagegen, die Angela sagt nie was und die Ursula macht alles, was die Angela nicht sagt, ohne auf den Sigmar zu hören und keiner hört auf den Horst. Da hat der Sigmar eine Idee: Er bestellt die Kanzlerin, Ursula und Horst zur Gruppentherapie. Unter Anleitung eines professionellen Beraters soll »Mutti« in einer Familienaufstellung endlich lernen, dass sie nicht sämtliche Entscheidungen im Alleingang treffen kann.

Zuerst erscheint Angela auf der Bühne. Nina Vorbrodt gibt mit blonder Perücke eine brillante Parodie von Angela Merkel: Trauermiene, Zaudern und Merkel-Raute hat sie gut drauf. Nach und nach treffen Ursula, Horst und Sigmar ein. Alle telefonieren gewichtig mit dem Smartphone und hätten lieber das Fußballspiel Deutschland gegen China in Moskau gesehen. In dem WM-Finale muss Deutschland nämlich just seinen Weltmeister-Titel verteidigen. So lässt sich die Handlung des Stücks zeitlich auf 2018 verorten.

Claus Thull-Emden als Therapeut verteilt die Rollen, die allein schon für Konfliktstoff sorgen: Angela und Sigmar spielen ein Ehepaar, Horst den Vater Angelas und Ulla Angelas Schwester. Die reizende Dorkas Kiefer als »Flinten-Uschi« verschießt ihre Giftpfeile mit Vergnügen gegen Sigmar und auch Horst bekommt sein Fett weg. Nur Angela wird verschont. Frank Büssing spielt den bayerischen Ministerpräsidenten famos mit bajuwarischer Mundart. Nur bei Gerhard Fehn als Parteivorsitzenden muss man seine Fantasie spielen lassen. Er sieht dem SPD-Chef so gar nicht ähnlich. In den folgenden Minuten geht es mehr um das Fußballspiel als um eine Entwirrung des politischen Wirrwarrs. Witzig: Über Video wird Jogi Löw zum Live-Chat mit Angela zugeschaltet. Mit schwarzer Perücke gibt René Heinersdorff den schwäbelnden Bundestrainer, dem die Kanzlerin eine neue Mannschaftsaufstellung befiehlt.

Nach der Pause überschlagen sich die Ereignisse: Unruhen vor dem Stadion in Moskau, ein Arbeiteraufstand in Katar (Austragungsort der Fußball-WM 2022). Hier scheint nur eins zu helfen: Die zaudernde Angela kann eine Massenpanik nur noch verhindern, wenn sie das Spiel in Moskau bei Gleichstand abbrechen lässt. Wie, was, fragt sich hier der Zuschauer. Den Schluss von »Mutti« hat Heinersdorff rigoros umgeschrieben und überrascht mit einer tollkühnen Auflösung. »Aha, so ist das also«, atmet der Zuschauer erleichtert auf. »Das erklärt natürlich alles.« Ein sehr herzlicher Applaus für die spielfreudigen Schauspieler zeigt, dass es dem Publikum gefallen hat.

Schon vor der Vorstellung brachte ein Kurzauftritt von Christian Lindner das Publikum zum Lachen. Der FDP-Politiker vertrat seinen Freund Theaterchef René Heinersdorff, der in Hamburg spielte, und legte eine launige kurze Ansprache hin. Ausnahmsweise sei ihm der Durchhänger seiner Partei mal angenehm. Sonst, argwöhnte Lindner, hätte er ebenfalls sein Fett wegbekommen. Mit seiner Gattin Dagmar Rosenfeld-Lindner und der Schauspielerin Jenny Jürgens verfolgte er dann das Stück aus der Loge. Zur Premiere waren außerdem zahlreiche junge Schauspieler erschienen, die man sonst nur im Fernsehen sieht. Auch die neue Düsseldorfer Weinkönigin Lilly Listmann war dabei.

Autor:

Norbert Opfermann aus Düsseldorf

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