Shakespeares "Sturm" im Globe-Theater Neuss

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Das Alterswerk, das vermutlich letzte Stück Shakespeares, steht zum Auftakt des Festivals auf dem Spielplan. Der ganz reale Sturm Ela war vor gut zwei Wochen über die Region gefegt und herabgestürzte Äste hatten wohl auch das Dach des Globe beschädigt. Alles war jedoch repariert und die Einstimmung wie immer perfekt.

Am Ball bleiben auch im Theater

Eine halbe Stunde vor der Aufführung bekommt man eine Einführung in das Stück, was das Verständnis enorm erleichtert. Denn Shakespeares Sprache ist anders, selbst in deutscher Übersetzung und in modernisierter Sprache muss man auch im Globe als Zuschauer „am Ball“ bleiben, sonst verpasst man womöglich etwas. Unsere Fernsehgewohnheiten haben in unseren Hirnen anscheinend schon Spuren hinterlassen: Bei uns bewegen sich die Datenströme auf großen Datenautobahnen, bedürfen visueller Unterstützung, kleinere Verästelungen sprich Abzweigungen nehmen wir kaum wahr. Wir sind nicht mehr geschult im Umgang mit der tempo- und bildreichen Sprache, die uns auf andere (vergangene und entlegene) Welten blicken lässt, ohne Chance lange darin zu verweilen. Zu schnell geht es weiter, wie in einem Raumschiff. Alles zu erfassen scheint unmöglich. Also begnügt man sich mit Eindrücken des Abends, die sich hoffentlich nicht so bald verflüchtigen.

Machthunger und die Zauberkräfte des Wortes und des Wissens

Der Sturm ist Sinnbild des nahenden Alters. Prospero, der entmachtete Herzog von Mailand kann ihn mithilfe eines von ihm befreiten Luftgeists namens Ariel entfachen und die Umstürzler, unter ihnen seinen eigenen Bruder, auf die Insel führen, wohin auch er vor 12 Jahren mit seiner damals 3jährigen Tochter verbannt wurde. Der Sturm vermag so manches zu richten: Sich selbst und einander ausgeliefert wirkt ihr zur Gewohnheit gewordenes Machtstreben lächerlich. Ihr Machthunger steht in Kontrast zu der Art von Machtausübung, die Prospero anwendet. Mithilfe der Sprache und Zauberei macht er sich einen Ureinwohner untertan und erzieht seine Tochter Miranda, die am Ende des Stückes ganz verwundert über diese „schöne neue Welt“ ist, die „solche Bewohner hat“. Sie kannte bis auf ihren Vater keinen anderen Menschen und sie ist verliebt in Ferdinand, den Sohn des anderen Herzogs, der sich mit seinem treulosen Bruder verbündet hatte. Ihre Verzauberung rührt uns, da allen sonst klar ist, dass die korrupten Herrscher am Ende wohl nicht geläutert sind.

Anzüge und die zweite Haut

Die Kostüme sind erwähnenswert, seien es die eng wie eine zweite Haut anliegenden knallbunten Anzüge Ariels, der darin gefangen ist, sei es die Latzhose Calibans, der so an John Boy Walton erinnert, dessen Frisur und Hose aber vielleicht nur seine Rolle als Arbeiter und Sklave herausheben sollen, seien es die Anzüge der verräterischen Herzöge, die uns an Separatistenführer denken lassen oder auch der Schickeria-Anzug Prosperos am Ende des Stücks, der passender für die neue alte Welt zu sein scheint, in die nun alle wieder eintauchen werden – bis auf Ariel, der endlich in die Freiheit entlassen wird.

Am Ende geht man als Zuschauer auch wieder in sein Leben zurück, der Sturm ist zu Ende, das Leben vielleicht bald auch, so wie es sich für Shakespeare angefühlt haben mag.
Das Festival dauert noch bis 19. Juli. Lassen Sie sich in diese etwas andere Welt entführen.
shakespeare-festival.de

Autor:

Silvia Ropertz aus Düsseldorf

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