Auch im Paradies wird geboxt – ein Reisebericht

Die Cook Islands erwarten ihre Gäste mit Traumstränden. Ihre 15 Inseln liegen in einer Wasserwüste, die fünfmal so groß ist wie Deutschland. Kaum zu glauben, aber auch hier wird geboxt. Graham Taylor und Wilkie Rasmussen bringen Boxer und Verband der „Cookies“, wie die Inseln im Volksmund heißen, auf Vordermann.

„Diese kleinen Teile gehören nicht zur Erde. Sie sind davon losgelöst“, soll der englische Seefahrer und Kapitän James Cook in sein Tagebuch geschrieben haben, nachdem er die Cook Islands entdeckte. So entrückt war er von deren Schönheit.

Daran hat sich bis heute nichts geändert. Traumhafte Sandstrände werden von der türkisfarbenen Südsee und unzähligen Kokospalmen umsäumt. Ihr Anblick ist atemberaubend.

Zu den Cookinseln gehören alle Inseln zwischen dem 8. und 23. südlichen Breitengrad und dem 156. und 167. Längengrad. Es sind 15 mit einer Gesamtfläche von 237 Quadratkilometern. Dies ist winzig, wenn man bedenkt, dass die Eilande auf einer Seefläche verteilt sind, die fünfmal größer ist als Deutschland. Die Hauptinsel ist Rarotonga und liegt etwa 5.000 km nordwestlich von Sydney/Australien. Ein geübter Läufer umrundet sie in drei Stunden.
Graham Taylor lebt seit 2009 in dem Inselparadies. Nach seinem Arbeitsleben zog der Australier mit seiner Frau nach Mauri, einem der sechs kleinen Ortschaften auf Rarotonga.

Graham ist 72 Jahre alt, aber im Herzen immer noch 25, wie er stolz behauptet. Das Boxen hat ihn jung gehalten. Der Australier ist der Headcoach von Boxing Cook Islands. Der Verband hat ihm den Job nach seinem Umzug angeboten, denn sein Ruf als Trainer ist exzellent.
In seinem Leben hat er schon so ziemlich alles trainiert – „Pferde, Windhunde und Boxer“, wie er mit einem Augenzwinkern zusammenfasst. Die Boxer gefallen ihm am besten. Ganz genau weiß „Pop“, so nennen ihn seine Athleten, nicht mehr, wann er mit dem Faustkampf begonnen hat.

„Auf alle Fälle war es in der Zeit, als man sich gegenüberstand und aufeinander eindrosch. Wenn man sich bewegte, dann nur, weil der Referee einen zum Shakehands in die Ringmitte holte.“ Pop lacht und er lacht viel. Sein Vorbild ist Muhammad Ali. Für Pop war er der Erste, der exzellente Beinarbeit zeigte und mit seinem Stil ein ganz neues Box-Zeitalter einläutete. “Float like a butterfly, sting like a bee.” Genau das will er von seinen Kämpfern sehen. 30 davon gibt es auf Rarotonga. Die Top-Fighter, ebenfalls 30, leben im Ausland. In der letzten Zeit konnte sich keiner auf einem großen Turnier ganz vorne platzieren. Einmal war man dicht dran und wenn Pop darüber redet, dann steigt ihm die Zornesröte ins Gesicht.

Bei den Pazifik Games 2011 verlor Mittelgewichtler Eddie Daniel gegen einen Boxer von Nauru. „Eddie hat den Jungen grün und blau geprügelt und trotzdem verloren, schimpft er, „im Finale konnte der nicht mehr antreten, weil er seine Fäuste nicht mehr hochbekam.“
Nach dem Kampf hätten sich zwei Punktrichter bei ihm entschuldigt. Sie wären mit dem Boxcomputer nicht zurechtgekommen, begründeten sie ihre Fehlentscheidung. Er hätte gerne Protest eingereicht, doch dafür fehlte dem Verband das Geld.
Dieses Jahr hätte der ganz große Wurf gelingen können. Jubilee Irimi ist ein großes Talent im Schwergewicht. Er dient zurzeit in der Fremdenlegion auf Tahiti. Jubilee hätte sich als erster Faustkämpfer der Cookies für die olympischen Spiele qualifizieren können. Doch daraus wurde nichts. Der Verband hatte kein Geld, um ihm die Teilnahme am Ausscheidungsturnier in China zu finanzieren. „Bei einem Haushalt von 200 Mio. NZ$ für ganz Cook Islands bleibt nichts für den Sport übrig“, stellt Pop traurig fest.

Er ist ebenfalls Trainer von Boxing Mauri, einem der lokalen Clubs. Wenn man ihn dort besuchen will, nutzt man am besten die öffentlichen Verkehrsmittel. Es gibt zwei Buslinien auf Rarotonga. Die eine fährt im Uhrzeigersinn um die Insel und die andere entgegengesetzt. Mit ein wenig Glück erwischt man den Bus von Mr. Hopeless. Wenn man Mr. Hopeless glauben darf heißt er so, weil man ihm in der Nervenheilanstalt nicht helfen konnte. Seitdem verdient er sein Geld als Busfahrer. Beim Einsteigen sorgt er für Ordnung – zuerst kommen die Frauen und danach die Männer. Ausnahmen duldet er nicht.
Wenn die Fahrgäste sitzen, fängt er an zu singen, dann erzählt er von Land und Leuten, dann singt er wieder. Etwas später stoppt er den Bus neben ein paar Straßenarbeitern und gibt den weiblichen Fahrgästen die Gelegenheit mit den Jungs ihre Telefonnummern auszutauschen. Dann singt er wieder. Mr. Hopeless ist ein Spezialist für Völkerverständigung.

Pops Boxer trainieren in einer einfachen Halle, 200 Meter abseits des Pazifiks. Sie teilen sich die Sportgeräte mit den Rugbyspielern. Außerhalb der Halle hängen drei Sandsäcke unter einem Wellblechdach, gegen die Jason Atkon, Tamatoa Hunter und Liam Itama Kombinationen schlagen. Pop erklärt, dass diese Jungs noch keine fertigen Boxer sind. Nur Liam stand schon einmal im Ring und gewann durch TKO in der 2. Runde.

Alle zwei Monate findet eine Boxveranstaltung statt. Jeder kann bei den Events mit boxen. Sonst wäre es gar nicht möglich, eine ausreichende Anzahl an Kämpfen zusammenzubekommen. Erfahrung ist nicht nötig, um in den Ring zu klettern. Allerdings müssen sich alle Teilnehmer registrieren lassen, bevor sie antreten können. Hier lässt der Verband keine Ausnahmen zu, denn Ordnung muss sein.
Natürlich dürfen auch ausländische Boxer an den Veranstaltungen teilnehmen, vorausgesetzt sie haben eine gültige Startgenehmigung oder sie lassen sich registrieren.

Kurz vor internationalen Meisterschaften treffen sich die Elite-Boxer in Rarotonga. In einem Trainingslager bereiten sie sich gemeinsam vor. Ihr größtes Problem sind die mangelnden Sparringspartner. Deshalb werden die alten Kämpfer reaktiviert. Es ist gar nicht selten, dass ein 50-Jähriger den Auswahlboxern mächtige Probleme bereitet. Auch hier hat Pop eine passende Lebensweisheit parat: „Fighters never die, they throw the punches not fast enough anymore.“ (Kämpfer sterben nie, sie schlagen nur nicht mehr so schnell)

Wilkie Rasmussen ist der Präsident von Boxing Cook Islands. Der 58 jährige Rechtsanwalt war 1973 der Champion im Bantamgewicht. Seit 2015 führt er Boxing Cook Islands. Damals war ihm nicht klar, ob der Weltverband AIBA überhaupt wusste, dass auf den Cookies geboxt wurde. Deshalb gab Wilkie seinem Verband eine neue Satzung, die von der AIBA anerkannt wurde.
Danach verbesserte er die Zusammenarbeit mit der CISNOG, dem nationalen olympischen Komitee der Inseln.
Dass Boxing Cook Islands mehr internationale Beachtung findet, hat für ihn oberste Priorität. Daran arbeitet er hart. Demnächst werden zwei Coaches nach Fidschi fliegen, um an einem Trainer-Seminar der AIBA teilzunehmen. Auch einige seiner Kamprichter werden eine Ausbildung erhalten, die dem internationalen Standard entspricht.
Er möchte von den anderen Verbänden lernen, besonders vom DBV. Wilkie hält den DBV für bestens gemanagt. Gerne würde er dessen Funktionäre persönlich kennenlernen und sich mit ihnen austauschen. Doch der Präsident weiß, dass das schwierig sein wird. Deutschland liegt nun mal nicht um die Ecke.

Wer den einmaligen Charme der Südsee erleben will und dabei in einem der sechs Clubs trainieren oder vielleicht an einer Box-Veranstaltung teilnehmen möchte, ist mit den Cookinseln bestens bedient.
Mit ein wenig Glück können Elite-Boxer auch an einem Trainingslager teilnehmen. Ggf. entstehen hierfür Kosten.
Für Anfragen in Englisch stehen Wilkie und Pop zur Verfügung

Wilkie Rasmussen
rasmussen.wilkie@gmail.com
+682 26155 (work)
+682 54239 (mobile)
PO Box 534
Avarua, Rarotonga
Cook Islands

Graham Taylor
tigger@oyster.net.ck
+682 22965 (home)
+682 57215 (mobile)
PO Box 0032
Muri, Rarotonga
Cook Islands

Autor:

Wolfgang Wycisk aus Düsseldorf

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