Eine Stadt frühstückt ...

Ein Gutscheingeschenk beschert mir ein wunderschönes Frühstück bei Cafe Heinemann in Düsseldorf im Kö-Karree. Bei der Auswahl meiner Begleitung überlege ich, wer aus meinem Bekanntenkreis diesen Gourmong-Tempel wohl am meisten zu schätzen vermag mit der Bereitschaft, am freien Samstag dazu auch noch früh aufzustehen.

Letzteres Kriterium schränkt die Wahl dann schon sehr ein und mit meinen beiden besten Frühstücksfreunden verabrede ich mich für neun Uhr morgens bei Cafe Heinemann.

Erwartungsvoll eile ich die Treppe hoch, vorbei an den vielen Fotos von Prominenten, die bereits dort zu Gast waren – Gorbatschow fällt mir spontan ein. Oben sitzen meine beiden Freunde bereits an einem Tisch, der den Blick auf die gesammte Frühstücksgemeinschaft und deren Bestellungen frei gibt. Fast alle Tische sind reserviert und alle Tische sind nach einer Stunde belegt.

Ein rundum voll besetztes Lokal in der Größe des Cafe Heinemann hat was vom Glanz alter Zeiten, als die Menschen noch begeistert die Angebote der Gastronomie wahrgenommen hatten, als in den Cafehäusern noch Zeitungen gelesen wurden, diskutiert wurde oder auch erste zarte Liebesbande geknüpft wurden zwischen charmanten Herren und schönen Damen, die mit langer Zigarettenspitze lasziv über den Rand der Cafétasse direkt in die Seele des Auserwählten schauten.

Da Café Heinemann dem Nichtraucherschutz zum Opfer gefallen ist, blieben uns solche Beobachtungen leider verwehrt – so parlierten wir zwischen Leberwurst- und Käsebrötchen über unsere eigenen Eroberungen und die daran geknüpften Erwartungen. Es wurde deutlich, das wir Frauen schon Wert darauf legen, ernsthaft geliebt zu werden und das die männliche Sichtweise, das man Liebe auch pralinchenweise erleben kann, davon etwas abweicht. Dennoch lernen Männer und Frauen trotz dieser gegensätzlichen Positionen einander kennen und lieben und man fragt sich, wie das auf Dauer gut gehen kann. Aber es kann ! Wieder mal ein Beweis dafür, das zwischen unseren Vorstellungen und der Realität oftmals Welten liegen können.

Der Herr Ober ist ein äußerst korrekter Mann und hebt sich in seiner attraktiven Männlichkeit im sportlichen Körper ab von den wunderschön gekleideten weiblichen Bedienungen, die allesamt einen schwarzen Rock, eine weiße Bluse und darüber eine schwarz-weißgestreifte Schürze mit Latz tragen, die hinten mit einer frische gestärkten und gebügelten Schleife zugebunden wird.

Einzig und alleine wegen dieser Schürzenschleifen würde ich dort schon immer wieder frühstücken – auch wenn die Produkte nicht so hinreißend lecker wären, wie sie nun mal sind. Es erinnert alles an früher, an die Kindheit, wo man mit Mama und Oma nach schweren Einkäufen in der Stadt sich in den Caféhäusern labte und wo man von der Bedienung mit dem frisch gestärkten weißen Schürzchen als Kind schon mal ein kleines Geschenk bekam, so was wie ein Bällchen oder ein kleiner Malblock oder ein winziges Pralinchen.

Manchmal läuft bei Cafe Heinemann ganz zarte klassische Musik – heute morgen ließ ich das Stimmengewirr der gut gekleideten Gäste auf mich einwirken, das sich in einer dezenten Lautstärke hielt. Nicht so laut, wie abends in den Brauereihäusern, wo die Leute nach jedem Bierchen ein paar Dezibel lauter werden. Antialkoholische Getränke halten den Lautstärkepegel gleich.

Cafe Heinemann baut um und so stand denn auch in großen Lettern am Fester geschrieben: „Wegen Umbau geöffnet“. Das ist sympathisch, das ist rheinländisch – genauso rheinländisch, wie die Straßenbahnkontrolleurin, die nach Überprüfung meines Tickets auf der Hinfahrt, feststellte, das das Ticket gesperrt ist. Warum ? Die Rheinbahn schickte vor einigen Wochen eine neue Dauermarke mit der Post ins Haus, die genauso ausschaut, wie die alte Dauermarke: gelb und dezentes Design ohne Angabe einer Jahreszahl. Selbstverständlich habe ich die neue Karte weggeworfen und die alte ins Portemonnaie gesteckt. Als ich dies der Kontrolleurin erzählte, wies sie darauf hin, das ich das nicht dürfe. Die Karte müsse zurück gegeben werden an die Rheinbahn, weil das deren Eigentum sei.

Ich teilte mit, das ich das nicht wußte. „Aber das stand doch in dem Brief“, war die Antwort der Dienstbeflissenen. „Aber ich lese doch keine Briefe von der Rheinbahn“, lautete meine entrüstete Antwort.

„Sie müssen aber die Briefe der Rheinbahn lesen !!!“, gab sie bestimmt und genauso entrüstet zurück und ich sehe nun ein, das ich dennächst die Briefe der Rheinbahn sorgfältig lesen werde.

Ja, auch diese kleine Szene in der Bahn hat bestimmt was mit Heinemann zu tun, mit den gestärkten Schürzenschleifen, mit den Champagnertrüffeln, die man alle beieinander essen muss, obwohl man das nicht sollte – aber auch mit der rheinischen Leichtigkeit, mit der ein bunt gemischtes Publikum am frühen freien Samstagmorgen sich einfindet, bei einem feinen Frühstück das irdische Dasein zu genießen.

Autor:

Karin Michaeli aus Düsseldorf

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