Eine Laudatio auf die Raucher

Was früher vielleicht unmöglich gewesen wäre, als die Raucher noch das Sagen hatten, feiert heute eine Renaissance: die Begegnung im Freien, das Plaudern vor Türen. Da steht vor einem Hutmachergeschäft der alte Besitzer mit einer Zigarette und neben ihm taucht etwas verhuscht die blonde Friseuse aus dem nachbarschaftlichen Friseurladen auf, flankiert von zwei Bäckermeistern aus der gegenüberliegenden Backstube. Genußvoll an den Zigaretten ziehend steht die kleine verschworene Gemeinde vor des Hutmachers Schaufenster und genießt die kleine Sünde, die sich sogleich als Rauchwolke Richtung Himmel entfernt.

Vor der Metzgerei steht die Verkäuferin mit weißer Schürze neben zwei Bankangestellten der Deutschen Bank – eine Büroangestellte aus einer physiotherapeutischen Praxis gesellt sich hinzu.

Die kleinen Grüppchen schmauchen nicht zum ersten Mal in gemeinsamer Runde. Seit dem Rauchverbot in öffentlichen Gebäuden und dem wachsenden Selbstbewußtsein der Nichtraucher stehen sie mehrmals täglich in trauter Runde zusammen und kennen einander mittlerweile in- und auswendig. Über die Ehefrauen der Bankangestellten wird ebenso parliert wie über den fremdgehenden Freund der Büroangestellten. Bei der kleinen Zigarette werden die alltäglichen Probleme besprochen und manchmal sogar gelöst. Die Büroangestellte ist mittlerweile in eine eigene Wohnung gezogen. Die Verkäuferin und die beiden Bankangestellten haben ihr beim Umzug geholfen.

Früher hieß es immer, Raucher seien gemütlich. In Kur- und Krankenhäusern, wo das Rauchverbot immer schon herrschte, hatte man in früheren Zeiten extra Raucherzimmer eingerichtet für die Nikotiner. Und nicht selten konnte man sehen, das ein Krankenbett mit jemanden, der am Tropf hing, samt Tropf in den Raucherraum geschoben wurde, damit der Patient dem HERRN ein Rauchopfer darbringen konnte. Nicht selten wurden in den Raucherzimmern Freundschaften fürs Leben geschlossen.

Bestimmte kulturelle Ereignisse, wie das hingebungsvolle Belauschen einer zu Herzen gehenden Musik mit Flügeln, ganz unten aus dem unterdrückten Volk heraus, haben umso besser im Ohr geschmeckt, wenn man dabei sinnlich an einer Zigarette ziehen konnte.

Carambolage-Billard war ohne Zigaretten rauchen undenkbar. Auf den Billardtischen war immer auch ein kleine Aschenbecher mit eingebaut, damit bei der Überlegung, welche Kugel mit welchem Effet anzustoßen sei, ein tiefer Zug aus der Zigarette den letzten Impuls geben konnte für den richtigen Stoß.

Man konnte mit dem Rauch spielen. An der Bar sitzen, vor sich einen Martini oder Whiskey auf klirrenden Eiswürfeln, in der Hand die Zigarette – das gab Sicherheit, Weltoffenheit. Man konnte seinem Gegenüber offen in die Augen schauen und beim kleinen Lächeln einen tiefen Zug an der Zigarette vollziehen, so als wolle man damit ausdrücken, man müsse eigentlich nicht mehr lange überlegen. Die Zigarette als Spielhilfe war nicht zu unterschätzen. Wie viele Herzen miteinander verschmolzen sind, während der Herr der Dame Feuer reichte, läßt sich bei diesen Ausführungen nur erahnen.

In den Hörsälen der Universitäten wurde früher genauso geraucht, wie bei psychotherapeutischen Behandlungen oder bei Bewerbungsgesprächen.

Es war üblich, das der Gastgeber seinen Gästen eine Zigarette anbot. Die angebotenen Zigaretten waren häufig in eleganten Behältern aufbewahrt; die Feuerzeuge lagen golden oder silbern leicht in der Hand. Die ersten Feuerzeuge waren noch mit auf Watte getröpfeltem Benzin gefüllt. Nachgefüllt wurden sie, indem man ein kleines Loch aufschraubte, in das man auf die ein wenig heraus lugende Watte Benzin hinein träufelte. Später wurden diese unkaputtbaren Feuerzeuge abgelöst vom Gasfeuerzeug, wobei die edlen Feuerzeuge mit Gaspatronen nachgefüllt werden konnten.

Über die Wegwerffeuerzeuge aus Plastik möchte ich hier nicht schreiben. Sie sind dekadent und Ausdruck einer Wegwerfgesellschaft, der nichts mehr heilig ist. Dann ist es schon stilvoller, die Zigarette mit einem Zündholz anzufeuern. Das hebt den Geschmack der Zigarette vom ersten Zug an !

Es gab Phasen, in denen bestimmtes Rauchgut in Mode war. Ich erinnere mich an Zeiten, wo es bei Damen üblich war, nach der Platznahme im Kaffeehaus, eine Packung LORD aus der Handtasche zu kramen. Die LORD konkurrierten mit den HB und ERNTE23 der Herren.

Die existenzialistisch angehauchten Frankophilen rauchten selbstverständlich GITANES oder GAULLOISE ohne Filter, während die Zunft der Blumenkinder die Halfzware Tabake zum selber drehen aus Holland goutierte, so was wie SAMSON oder DRUM.

Viele Jahre später zeugten Luxuszigaretten, wie DUNHILL, CARTIER oder JOHN PLAYER vom hohen Lebensniveau der sie Besitzenden. Und nochmal viele Jahre später war alles plötzlich MARLBORO, ein wenig unterwandert allerdings von CAMEL, für die immer irgend jemand meilenweit ging.

Heute steht auf allen Zigarettenpackungen geschrieben, das man bald häßlich und krank wird, wenn man den Inhalt raucht und das es nur noch eine Frage der Zeit ist, bis man Krebs bekommt und stirbt. Da macht das Rauchen keine Freude mehr.

Wenn man auf einer Party eine Packung Zigaretten hervorzieht, um sie dezent auf der Straße oder auf dem Balkon zu rauchen, stößt man immer wieder auf militante Gesundheitsapostel, die einem originelle Gespräche aufzwingen, z.b. Gespräche solchen Inhalts, das Rauchen schädlich sei.

Diskriminiert werden die Raucher fast überall. Ihr Selbstbewußtsein hat stark gelitten – kleinlaut rauchen sie auf Parties manchmal sogar heimlich auf der Toilette, um sich den schlimmen Diskussionen um ihre Gesundheit zu entziehen.

Aber: es bringt sie, wie anfangs erwähnt, auch näher zusammen. Nicht die Fragen, welchem Fußballclub man anhängt, welchen Bildungsgrad man hat oder wen man sympathisch findet, bestimmt mehr das Motiv sich anzufreunden mit anderen. Die Tatsache, das man gemeinsam der unaussprechlichen Last des Rauchens fröhnt, ist mittlerweile ausreichend, stabile Freundschaften zu gründen mit der Garantie ewiger Treue – solange nicht einer aufhört zu rauchen...

„Cigarettes, Cigarettes, kaufen Sie Cigarettes ! Glücklichsein ist keine Kunst mit 'nem bisschen blauen Dunst !“, sang dereinst Anita Lindblom. Das war zu der Zeit, als VerkäuferInnen noch mit einem Bauchladen herumgingen, in dem die verschiedenen Zigarettensorten appetitlich aufgestapelt waren.

So etwas wäre heute undenkbar. Die Bauchläden sind ausgestorben – und die Raucher ? Die werden so nach und nach auch aussterben... Ist ja klar: Rauchen ist halt ungesund !

Autor:

Karin Michaeli aus Düsseldorf

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