CDU-Chef Laschet im LK-Interview: "AfD für uns kein Partner"

NRW CDU-Chef Armin Laschet (li.) im Gespräch mit Martin Dubois in seinem Büro im Landtag. Fotos: Oleksandr Voskresensky
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Ein klares Nein zur Zusammenarbeit mit der AfD und harsche Kritik am Umgang der rot-grünen Landesregierung mit der Flüchtlingskrise: Im Lokalkompass-Interview bringt sich NRW CDU-Chef Armin Laschet für die Landtagswahl 2017 in Stellung.

Wie kann man Wahlerfolge der AfD auch in NRW verhindern? Diese Frage beschäftigt die Volksparteien seit den jüngsten Erfolgen der Rechtspopulisten. Das Thema ist eng an die Flüchtlingsfrage gekoppelt. Martin Dubois, stv. Redaktionsleiter unserer Verlage, sprach mit NRW-Oppositionsführer Armin Laschet über die Themen, die NRW derzeit bewegen.

"Politik muss mehr mit Menschen reden

Herr Laschet, bei den jüngsten Wahlen hat ein großer Teil der Wähler gezeigt, dass er die Politik der großen Volksparteien nicht mittragen will und seine Stimme den Rechtspopulisten gegeben. Welche Lehren ziehen Sie daraus?

Laschet: Das Problem einer Großen Koalition ist, dass die Minderheitsmeinung oft keine Chance hat, Gehör zu finden. Deshalb müssen wir noch mehr als bisher den Menschen zuhören und Politik vor Ort erklären. Nur so können die Volksparteien Vertrauen zurückgewinnen.

Aber anscheinend hören Ihnen diese Leute nicht zu. Wie wollen Sie die noch erreichen?

Laschet: Wenn ich vor Ort bin, stelle ich immer fest, dass die Menschen sehr wohl zuhören. Sie stellen auch kritische Fragen, artikulieren Sorgen, aber sie wollen vor allem Lösungen. Und die müssen jetzt kommen.

Sie haben bislang zusammen mit der Bundeskanzlerin angesichts anhaltender Flüchtlingsströme gesagt: „Wir schaffen das.“ Schaffen wir das immer noch?

"Wir schaffen das"

Laschet: Ja, wir schaffen das. Ich sehe, dass die Kommunen das Thema weiter engagiert anpacken, unterstützt von vielen Ehrenamtlern, die da eine Riesenanstrengung leisten. Deshalb glaube ich, dass wir das schaffen. Das geht natürlich nicht, wenn jedes Jahr eine Million Flüchtlinge kommen. Das ist zu viel. Es gibt da zwei Denkschulen. Die eine sagt, wir machen die Grenzen dicht und überlassen das Problem unseren Nachbarn. Das destabilisiert aber das Land hinter der Grenze und daraus resultieren neue Probleme. Darum sagen wir, dass wir eine europäische Lösung wollen. Der Europäische Rat gibt Anlass zu Hoffnung. Da haben wir zum Beispiel beschlossen, dass Menschen aus sicheren Herkunftsländern direkt an der Grenze zurückgeschickt werden. Wenn sich das rumspricht, wird keiner mehr Schleppern Geld geben, um über das Meer zu fahren.

"Die Türkei ist sicher"

Die EU hat gerade das geplante Flüchtlingsabkommen mit der Türkei besiegelt. Es gibt aber erhebliche Zweifel daran, dass die Türkei ein „sicheres Herkunftsland“ ist, was die Voraussetzung für ein solches Abkommen ist. Wie bewerten Sie das?

Laschet: Die Türkei muss man im Hinblick auf Presse- und Meinungsfreiheit kritisieren. Aber die 2,5 Millionen Flüchtlinge aus Syrien sind in der Türkei sicher und werden mit Milliarden aus Europa demnächst bessere Bedingungen erhalten. Das ist richtig.

NRW ist nicht nur das Bundesland mit den meisten Flüchtlingen, sondern auch das Bundesland mit den meisten hoch verschuldeten Kommunen. Viele von denen ächzen heute schon unter der organisatorischen und finanziellen Last, die durch die Flüchtlingskrise zu bewältigen ist. Bochum zum Beispiel berichtet von 24 Millionen Euro Defizit, Herne von 18 Millionen und in Schwerte sagt ihr Parteifreund, der Bürgermeister Henrich Böckelühr angesichts 1,5 Millionen Euro Defizit: Wir schaffen das nicht, wir brauchen eine höhere Mitfinanzierung vom Land.

"Land lässt Kommunen im Regen stehen

Laschet: Das stimmt. Da gibt es im Ländervergleich riesige Unterschiede. Bayern zum Beispiel erstattet den Kommunen die durch Flüchtlinge entstehenden Kosten zu 100 Prozent. Die NRW-Landesregierung dagegen lässt die eigenen Kommunen im Regen stehen. Das Beste wäre, 100 Prozent auch hier zu erstatten.

Das Land wiederum beklagt sich über mangelnde Unterstützung des Bundes. Und erhält da prominente Unterstützung. Ihnen persönlich hat der SPD-Parteivorsitzende Sigmar Gabriel im Rahmen der „Gelsenkirchener Gespräche“ vorgeworfen, dass Sie sich für eine liberale Flüchtlingspolitik in NRW feiern lassen, aber im Bund nicht dafür sorgen, dass genügend Geld für Integration bereitgestellt wird.

Laschet: Erstens habe ich bisher nicht festgestellt, dass ich für meine Haltung zu einer europäischen Lösung „gefeiert“ werde. Der Bund gibt jetzt schon Milliarden und wird die Kommunen noch mehr unterstützen. Aber ehe Sigmar Gabriel Hilfe vom Oppositionsführer in Nordrhein-Westfalen erbittet, könnte er als Vizekanzler ja dafür sorgen, dass die Bundesregierung mehr Geld bereitstellt.

"Flüchtlinge bedarfsgerecht verteilen"

Stichwort Königsteiner Schlüssel: Nach dieser Berechnungsgrundlage werden eintreffende Flüchtlinge auf die Länder verteilt. NRW muss mit einer Quote von 21 Prozent die meisten Flüchtlinge bundesweit aufnehmen. Gutachter des IDW und des Fifo „empfehlen“ einen neuen Verteilschlüssel. Sie als Vorsitzender der Robert-Bosch-Expertenkommission zur Neuausrichtung der Flüchtlingspolitik befürworten das. Warum?

Laschet: Der Königsteiner Schlüssel stammt aus dem Jahr 1949. Er wurde damals eingerichtet, um Forschungsgelder zu verteilen und orientiert sich an Bevölkerungszahl und Steuereinnahmen. Die Wissenschaftler sagen, dass dies nicht mehr sachgerecht ist. So bekämen zum Beispiel die ostdeutschen Länder im Vergleich zu der von ihnen betreuten Flüchtlingszahl zu wenig Geld, manche Stadtstaaten dagegen zu viel Geld. Flüchtlinge sollten dort untergebracht werden, wo es genügend freie Wohnungen, Lehrstellen, Jobs etc. gibt. Die Finanzzuweisung müsse an der tatsächlichen Zahl der Flüchtlinge orientiert werden. Das alles wäre aus meiner Sicht wünschenswert, bedürfte aber der Zustimmung der Mehrheit der Länder. Die dürfte es vorerst aber kaum geben...

"Es gibt kein schlüssiges Konzept"

Die Landesregierung hat ein Integrationskonzept vorgestellt, das unter anderem eine deutliche Aufstockung der Lehrerzahl und der Betreuer vorsieht. Einiges davon entspricht Forderungen der CDU. Stimmen Sie dem Konzept also zu?

Laschet: Es gibt darin ein Ungleichgewicht zwischen Fordern und Fördern. Das reicht so nicht. Ein Beispiel aus dem Bereich Schule: Das Thema Inklusion wurde viel zu schnell und mit der Brechstange angegangen. Da ist noch vieles nicht umgesetzt. Jetzt kommen noch einmal über 40.000 Flüchtlingskinder dazu und es gibt immer noch kein schlüssiges Gesamtkonzept für ihre Unterrichtung. Wie soll das gehen? Außerdem sehe ich noch nicht, dass das, was im Integrationskonzept steht, auch kommt. Am Ende muss etwas in den Schulklassen passieren, erst dann bin ich überzeugt.

"CDU rückt nicht nach rechts"

Sie versuchen gerade, die Innere Sicherheit zum „Thema des Jahres 2016“ zu machen. Aber erst nach den Vorfällen in Köln. Rückt die CDU jetzt nach rechts?

Laschet: Moment mal. Wir haben bereits im letzten Jahr gesagt, dass es für 2016 zwei große Prioritäten gibt: Integration und Innere Sicherheit. Für die innere Sicherheit einzutreten ist nicht rechts, sondern Kernkompetenz des Staates und auch der CDU. No-Go-Areas, steigende Kriminalitätsraten, geringe Aufklärung. Da läuft etwas ganz falsch im Land und das muss sich ändern.

Die Landesregierung hat kürzlich einen 15-Punkte-Plan vorgestellt, der jetzt zügig beschlossen und umgesetzt werden soll. Der Plan beinhaltet u.a. 500 zusätzliche Polizisten und 300 neue Stellen bei Gerichten und in Staatsanwaltschaften. Die Gewerkschaft der Polizei hat sich bereits positiv dazu geäußert. Was sagen Sie?

Laschet: Die Videoüberwachung haben wir schon oft beantragt, aber Rot-Grün hat dies immer abgelehnt. Wenn das jetzt plötzlich möglich wird, kann ich das nur begrüßen. Ich würde mir eine solche Kehrtwende auch mit Blick auf andere Instrumente wünschen, die wir seit Jahren einfordern. Bis heute fehlen Body-Cams für Polizeibeamte und wir haben nach wie vor zu wenig Polizisten vor Ort. Sie sind zu sehr mit anderen Aufgaben belastet. Die Polizei muss auch besser ausgestattet werden, zum Beispiel fehlt es an schusssicheren Westen. Es gibt weitere Punkte, die man dringend verbessern könnte. Aber das alles hat Rot-Grün bisher immer als Nebenthema behandelt. Messen werden wir die Regierung an den Ergebnissen, nicht an Ankündigungen.

"Silvesternacht ändert gar nichts"

Mit Blick auf ausländische Straftäter haben Sie bisher den Integrationsaspekt betont. Seit der Silvesternacht ändert sich der Ton. Der CDU-Abgeordnete Gregor Golland greift mit Ihrer Unterstützung den Innenminister hart an und Sie selbst widmen sich bevorzugt dem Thema Innere Sicherheit.

Laschet: Die Silvesternacht ändert an unserer Politik gar nichts. Man kann in Sachen Innere Sicherheit klar und hart sein und trotzdem humanitäre Politik machen. Wir wissen mittlerweile auch, dass die Täter in Köln sich überwiegend schon länger in Deutschland aufhalten. Und zu meiner Auseinandersetzung mit Innenminister Jäger: Der hat sich erst vier Tage nach den Vorfällen zur Sache geäußert, die Ministerpräsidentin erst zehn Tage später. Wir wissen aber, dass es bereits am 29. Dezember entsprechende Warnungen gegeben hat und die Kölner Polizei im Vorfeld nicht die Verstärkung bekam, die sie angefordert hatte. Jäger sagt, er habe von nichts gewusst. Da hat man das Gefühl, dass etwas unter den Tisch gekehrt werden soll, dass man uns nicht die Wahrheit sagt. Das ist ein schlechtes Gefühl. Deshalb ist es gut, dass das jetzt im Untersuchungsausschuss aufgearbeitet wird.

"AfD und Linke sind für uns ausgeschlossen"

Schauen wir auf die Landtagswahl 2017. Einer aktuellen Umfrage zufolge verlieren CDU (-2 auf 33) und SPD (-3 auf 31) weiter und kann die AfD mit zehn Prozent der Stimmen rechnen. Sollte sich das bestätigen, würde es sechs Parteien im Landtag geben und sich die Frage nach möglichen Mehrheiten neu stellen. Wer käme für Sie als Partner in Frage?

Laschet: Die AfD und die Linke sind ist ausgeschlossen. Von der SPD erwarte ich die gleiche Klarheit. Ansonsten sollten alle demokratischen Parteien miteinander arbeiten können. Wir streiten zwar heftig um Lösungen, sind aber nicht miteinander verfeindet. Konkret würde das vom Wahlergebnis, von den Themen und den Akteuren abhängen, und zwar in dieser Reihenfolge.

Autor:

Lokalkompass .de aus Essen-Süd

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