„Der OB spaltet die Stadt“

Foto: Hannes Kirchner und WAZ FotoPool

Er sorgte für die Bilder dieser Woche. Am Mittwoch nutzte der Rheinhauser Rolf Karling den öffentlichen Auftritt von OB Adolf Sauerland in Rheinhausen zu einer Ketchup-Attacke.
Zu dem Zwischenfall kam es anlässlich der Eröffnung des neuen Marktplatzes. Karling bespritzte das Stadtoberhaupt von oben bis unten mit der roten Soße. OB Sauerland blieb trotz allem gelassen und verzichtete sogar auf eine Anzeige gegen Karling.
Der Wochen-Anzeiger traf sich 24 Stunden nach der Attacke mit Rolf Karling im ‚Hatzens Mountain‘, dem Cafe des Vereins „Bürger für Bürger“, dessen Vorsitzender Rolf Karling ist. Der Verein „Bürger für Bürger“ organisiert in neun Stadtteilen Lebensmittelausgaben für Bedürftige und unterhält unter anderem eine Straßenambulanz.

„Hatzens Mountain“ an der Brahmsstraße ist gut gefüllt, die Lebensmittelausgabe arbeitet auf Hochtouren, Kleiderständer offerieren warme Winterkleidung.
Schnell finden wir einen Platz und schnell kommt Ketchupspritzer Rolf Karling zur Sache: „Eigentlich ist so eine Aktion ein absolutes No-Go und für mich auch überhaupt keine Art der demokratischen Auseinandersetzung.“ Die Überraschung ob dieser Einleitung legt sich, als Karling hinzufügt, „aber es musste sein!“
Ein Zeichen gegen die Ignoranz, gegen die Gleichgültigkeit gegenüber den Opfern der Loveparade wollte er setzen. Der milde Kinder-Ketchup sei mit Bedacht gewählt worden. „Ich wollte den OB nicht verletzen, deshalb hab‘ ich auf Farbbeutel, Eier oder Tomaten verzichtet und die rote Flüssigkeit gewählt, die das Blut der Loveparade symbolisieren soll. Für den OB war es unangenehm, weil er auf einmal dreckig war, für die Opfer der Loveparade war es schmerzhaft bis tödlich. Ich wollte, dass er einmal spürt, wie es ist, wenn etwas Ungeplantes, Unvorhergesehenes auf ihn zukommt.“
Den Schuh, dass solch eine Aktion letztlich nur den Sauerland-Gegnern schade, will sich Karling nicht anziehen: „Ich bin nicht Befürworter oder Gegner. Für die Klientel bin ich nicht unterwegs. Ich habe die Aktion gemacht für die Opfer und Angehörigen, die langsam den Glauben oder die Vermutung haben, dass die Sache in Vergessenheit gerät.“
Zumindest dieses Ziel hat Karling erreicht, kaum eine Zeitung in Deutschland, die nicht an exponierter Stelle über die Attacke berichtet hat. Auch in den Internetforen wird wieder heftigst diskutiert. Dazu Karling: „Wie zu sehen ist: Diese Sache lebt. Und sie lebt nicht nur bei den Duisburger Bürgern. Ich hab‘ mir die Foren von den einzelnen Printmedien angeguckt, die sind voll von Kommentaren. Der OB spaltet nicht nur diese Stadt, er spaltet das ganze Land. Von Hamburg bis München – die Leute sind entweder absolut für die Aktion oder sie sind absolut dagegen. Es gibt keine Bandbreite bei den Meinungen, entweder ja oder nein. Ich meine, es hat auch noch nie bei einer solchen Katastrophe solch eine Ignoranz und Oberflächlichkeit gegeben. Dass da überhaupt niemand eine Verantwortung tragen will. Die Opfer interessiert nicht, ob da jemand strafrechtlich belangt wird, die wollen einfach nur eine Person haben, die dafür gerade steht und sagt: Ich übernehme die Verantwortung dafür. Denen wollte ich auch zeigen, ihr steht nicht alleine da!“
Den Vorwurf, er würde die Loveparade-Katastrophe zur Selbstdarstellung nutzen, weist Rolf Karling von sich: „Ich weiß nicht, was die Leute für ein Problem mit mir haben. Ich bin einfach jemand, der Dinge tut, die getan werden sollten oder müssen. Wenn ich im Winter keine Schlafplätze für Obdachlose am Bahnhof habe, dann geh‘ ich nicht Adolf Sauerland fragen, ob ich ein Zelt hinstellen darf, dann stell‘ ich ein Zelt da hin. Ich frage nicht vorher. Die Aktionen, die ich mache, mache ich nicht für mich.“
Dass OB Sauerland auf eine Anzeige gegen ihn verzichtet hat, kann Karling gut verstehen: „Er tut das nicht, wie er sagt, weil er mir keine Aufmerksamkeit geben will. Er will keine Kameras vor Gerichten. Er hofft, dass jetzt wieder Ruhe ist. Es würde das Ganze wieder aufgemischt. Die Bilder und die Öffentlichkeit will er nicht. Aber ich hab‘ noch Hoffnung: Es reicht ja, wenn ein Bürger, der mich bei dieser Straftat beobachtet hat, Anzeige erstattet. Vielleicht gibt es ja den ein oder anderen Bürger, ich wäre nicht böse drum.“
Negative Auswirkungen auf den Verein „Bürger für Bürger“, dem er vorsteht, sieht Karling nicht: „Ich habe keine Großspender. Diese Aktion war eine Aktion von Rolf Karling. Das ist genauso ein Teil meiner Arbeit, wie Lebensmittel verteilen oder mit der Straßenambulanz Suchtkranke behandeln zu lassen. Ich habe junge Menschen, die auf mich zukommen, die suchtkrank sind, die auf der Loveparade waren und die seitdem auch enorme Probleme haben. Ich habe um den Verein keine Angst. Die Leute, die mich mit Sachspenden unterstützen – Geldspenden kommen sowieso kaum rein – haben keine Probleme damit. Negative Auswirkungen befürchte ich nicht.“

Autor:

Andreas F. Becker aus Duisburg

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