Kraftfahrermangel 2012 - ist das die Lösung?

Alltag und Betrieb auf deutschen Autobahnen sieht anders aus
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Warum in die Ferne schweifen?

Heute erhielt ich wieder einmal eine Einladung zu einem ach so viel versprechendem Symposium einer große Fachzeitschrift. Für günstige 179 Euro verspricht das Angebot eine spanende Veranstaltung mit neuen Erkenntnissen und Lösungsansätzen zum aktuellen Mangel an Berufskraftfahrern.

Billige Berufskraftfahrer aus fernen Ländern sind die Lösung des gesamten Fahrermangels in der Branche. Also werden erfolgsversprechende Delegationen nach Litauen, in die Ukraine, in den Ural und vielleicht bald sogar auf den Mars geschickt. Im Gepäck der Delegationen befinden sich neben tollen Prämien auch tolle Dolmetscher, super Versprechen, viel neues Geld für die Länder und jede Menge Hoffnung auf einen zukünftigen Boom im Deutschen Transportgewerbe.

Also Fahrer rekrutieren, nach Deutschland bringen und schon boomt das Geschäft, garantiert! – Stopp!!! – Ist das die Realität oder eher der Auftakt zu wieder einmal einem neuen großen Problem?

Ein neuer Boom in der Transportbranche mit Garantien oder vielmehr die Auftaktprognose für neue Rekordarbeitslosenzahlen?

Fangen wir doch einfach noch mal von vorne an und stellen uns doch einfach mal einige schlichte Fragen!

Wir finanzieren teure Delegationen, teure Reisen um gegen teures Geld (Subventionen für die Länder, Prämien für willige Fahrer, Reisekosten für die Fahrer und evtl. auch für deren Familien, etc.) billige Kraftfahrer einzukaufen?

Teure Seminare, Symposien, Weiterbildungsmaßnahmen für Personalverantwortliche versprechen ein fehlerreduziertes Klarkommen mit den neuen Fahrern. Russische Crash-Kurse sollen uns gewährleisten, dass wir diese Fahrer auch verstehen. Und dann?

Was ist dann mit dem lesen von Frachtpapieren?
Dem Begreifen und Befolgen der Deutschen StVo?
Den Erklärungen seitens des Verlader-Personals?
Der Kommunikation mit Uniformierten?
Der Kommunikation im Alltag?
Dem technischen Verständnis für zeitgemäße Fahrzeuge?

Glauben Sie wirklich ein Treckerfahrer aus dem Ural ist sofort einsatzfähig?

Oder glauben Sie etwa Sie erhalten langjährige Fernfahrer aus diesen Ländern, die bereits schon Erfahrungen in Europa sammeln konnten?

Das Szenario

Wollen wir uns doch einfach einmal folgende Szene vor Augen führen:

Ein fremdländischer Fahrer erhält einen Auftrag von Mülheim nach Düsseldorf. Er spricht sogar ein wenig deutsch und ist mit Frachtpapieren und Navi sowie einer Teillieferung für den Duisburger Zoo und für den Düsseldorfer Kaufhof ausgestattet. Kalkulierte Fahrzeit 90 Minuten. Der Disponent erklärt ihm er solle über die Monning zum Zoo und über die Kö in Düsseldorf fahren. Der Fahrer nickt und fährt los. Bereits nach kurzer Strecke sucht er verzweifelt im Navi und in Karten die Monning… später nach eventuellen Nachfragen und verzweifeltem Ankommen am Zoo das gleiche Szenario mit der Kö. Tatsächliche Fahrzeit min. 120 Minuten.

So, nun stellen Sie sich doch einfach das gleiche Szenario einmal mit einem Fahrer ohne jegliche deutsche Sprachkenntnisse vor…

Kosten der Spedition ohne Ausfallzeiten wie diese sind deutlich höher als wie für z.B. Quereinsteiger aus Hartz 4, denn zu den Kosten die das Rekrutieren kostet, kommen die Schulungen zu den Modulen, zur Technik und allen voran meist auch zeit- sowie kostenintensive Sprachschulungen, ohne die Fahrer je in Aktion gesehen zu haben.

Kostensparend, effizient und materialschonend soll heutzutage ein Berufskraftfahrer seinen Job beginnen. Der Rubel muss rollen kann aber auch sehr schnell in, wer soll die Zeche zahlen umschlagen, denn auch wenn neu importierte Fahrer eine Fahrerlaubnis besitzen und vielleicht auch schon die ein oder andere Fahrpraxis (worauf auch immer) haben sollten stellt sich doch allzu schnell die Frage: Lohnt sich der ganze Aufwand wirklich? Machen wir nicht vielmehr schon wieder den Fehler, den unsere Vorreiter dieser Wirtschafts- und Finanzkrise bereits schon zig male machten? Den Fehler schnelles Geld mit boomenden Märkten und Wirtschaftswachstum zu verwechseln? Ist es nicht vielmehr an der Zeit eigene, bestehende Ressourcen umzuwandeln und nutzbar zu machen, die uns alle bisher nur Geld kosteten und weiter kosten werden? Nicht jeder Hartz 4 – Bezieher ist ein arbeitsunwilliges Übel, auch wenn uns die Medien gerne den Eindruck vermitteln wollen, denn ebenso wenig ist jeder Berufskraftfahrer ein überdurchschnittlicher Unfallverursacher. Und ebenso wenig sind die meisten Transportunternehmen nur auf das schnelle Geld aus, denn sie wissen schon lange wer die Zeche zahlen wird bzw. schon tut.

Innerpolitische Fahrergewinnung sollte sich nicht nur auf Berufskraftfahrer für Übermorgen konzentrieren, denn ein Auszubildender von heute (immerhin 3 Jahre Lehrzeit) fährt morgen noch lange nicht. Vielmehr fährt er auch Übermorgen nicht, denn wenn die erste Euphorie verflogen und die jugendliche Abenteuerlust dem ruhigen Verlangen nach der kleinen Familie gewichen ist weicht der zeitaufwendige Job des Kraftfahrers allzu schnell der nächstbesten Chance auf einen Job vor Ort.

Vielmehr sollten wir uns alle auf Quereinsteiger konzentrieren, den Job attraktiver gestalten und das Ansehen so würdigen, wie wir es eigentlich mit Raritäten machen. Ein Bedarf von 25.000 Fahrern im Jahr, das entspricht gerade einmal 0,7 % unserer Quote der Arbeitssuchenden. Dieser Sachverhalt musste hier einmal verdeutlicht werden, denn wenn wir hier wirklich nur die Rosinen heraussuchen wollten macht dieser große Kuchen nicht nur alle satt sondern hilft auch noch beim Gesunden unserer Wirtschaft.

Autor:

Jörg Kibbat aus Duisburg

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