Aus dem Tagebuch eines Entwicklungshelfers in Vietnam

Can Tho, Im Januar 2014

Ich sitze in dem Flughafen und warte auf meinen Flug nach Hanoi.
Was ich mir vor 2 Jahren noch romantisch vorgestellt habe, ist nun die Wirklichkeit geworden.

Als einziger Europaer sitzt ich hier, umgeben von Locals.
Wir warten gemeinsam auf unsere jeweiligen Heimfluege.
Der Flughafen ist nagelneu und sehr modern.
Und leer.

Im Flughafen Can Tho steht, einsam und verlassen, ein alter Koffer auf den polierten Marmorfliesen.
In Frankfurt Airport ein Unding. Dort haette man das Bombenraemkomando beauftragt.

Es sind noch ca 2 Stunden bis zum Abflug. Hanoi ist ca. 1200 km Fluglinie oder 1500 km auf der Strasse entfernt.
Ich haben gerade Trainings/ Schulungen in Soc Trang abhalten duerfen.
Soc Trang liegt noch mal 80 km von Can Tho entfernt, was einer Taxifahrt von ca. 3 Stunden entspricht.

Das war eine schnelle Woche.
Wir schulen an den Vormittagen die theoretischen Grundlagen und dann am Nachmittag, Training - On the Job.
Was so schoen klingt, bedeutet, dass ich den Kollegen zusehe, Fotos mache und kommentiere. Also wie in Deutschland auch :-) .

Gelegentlich kann ich eine Hilfestellung anbieten, wie bei der Bedienung der Schaltschraenke, Erklaerungen abgeben zB. bei der Benutzung von Sicherheitseinrichtungen etc.
Es ist ein ordentliches Vorwissen, bei den Vietnamesischen Partnern, vorhanden.
Dieses kann ich leider oft nicht abrufen, aufgrund der Sprachbarriere.

Am einem Mittwochnachmittag, nach einem der Praxis Trainings beschlossen wir gemeinsam, eine weitere Pumpstation zu besuchen.

Auch hier konnten wir einen vorbereiteten Pumpentest durchfuehren.
Leider war das benoetigte Wassser schnell verpumpt und es blieb bei nur einem Pumpvorgang = Test.

Bei dieser speziellen Schulung kommt es auch nicht so sehr auf die Ergebnisse an, sondern viel mehr auf den wissenschaftlichen Aufbau eines solchen Test (Reproduzierbar und Repraesentativ).

Wir konnten die Kollegen noch zu einem gemeinsam Tee im Cafe des Stadions ueberreden, in dessen Schatten sich die Pumpanlage befindet.

- Als wir spontan eine Einladung zu einem lokalem Wein erhielten.
Ich freute mich sehr ueber die Einladung.

So erhielt ich doch endlich die Gelegenheit, mich in einem der Wohnhaeuser eines echten Vietnamesen umzusehen.

Ich wurde von einem Vietnamesischem Kollegen hinten auf dem Roller mitgenommen.
Was recht lustig ist, da ich fast das doppelte wiege, wie mein Fahrer und ca. 1 m groesser bin.

Mit dem Roller ging eine wilde Fahrt ueber unbefestigte Wege, in eine Siedlung nahe dem Fluss.

Das Haus sein noch neu und er habe noch keine Stuehle. So entschuldigte sich unser Gastgeber.
Also hockten wir uns auf die Fliesen im Eingang des Hauses.
Was in Deutschland der Eingang oder Flur ist, entspricht dem Vietnamesischem Wohnzimmer.
Dabei hat es den Charm einer Bahnhofsvorhalle, mit den weissen Fliesen vom Boden bis unter die hohe Decke.

Bald schleppte mein neuer Freund ein riesiges rundes Glasgefaess herbei, welches mit einer milchig gelben Fluessigkeit gefuellt ist.
Das ist dann wohl der Wein !
Ein Selbstaufgesetzer !

Erst jetzt wird mir klar, dass der Dolmtscher keinen Unterschied zwischen Wein und Schnaps in der Uebersetzung macht.

Stolz verkuendet mein VN Freund: Vodka !!! und grinst dabei im Kreis.

Natuerlich wird noch jede Menge Essen aufgetischt. - Eher auf den Boden gestellt.

Mittlerweile sind die Kollegen eingetroffen und wir haben eine Runde von 10 Leuten.
Die Vietnamesen werden schon mal laut, wenn Sie Spass haben.
Wenn sie dann erst so richtig gut gelaunt sind, ja dann fangen sie auch noch an zu singen.

Das ich kein Wort verstehe, scheinen die Kollegen schon mal ueber den Durst zu vergessen.

Macht nix, ich habe genug zu gucken und zu essen !
Natuerlich kann und will ich nicht alles essen was hier als Essen bezeichnet wird.

An diesem Abend geniesse ich die Lieder, die Stimmung und die Feier.

Bald wird der Juengste losgeschickt, die Gitarre von der nahen Arbeitsstaette zu holen. (Ohne zu Murren Neumann!)

Mit Gitarre und Gesang verbringen wir einen froehlichen Abend.

Da, der erste Anruf einer Ehefrau.
Die Antwort ist einleuchtend: "Er muesse noch arbeiten und kann deshalb noch nicht weg". Stimmt ja auch -- irgendwie.

Die spontane Party nimmt nun, unterstuetzt von der Gitarre, ihren Lauf.
Das monsteroese Glasgefaess ist irgendwie schon halb leer. Muss wohl ein Leck haben.

Mittlerweile habe ich Uebung und trinke jeweils nur sehr wenig aus dem Glas. Trotzdem wird so oft angestossen, dass wir die Glaeser nur zu dem Nachfuellen absetzen.

Im Gegensatz zum Norden (Soc Trang liegt ganz im Sueden von Vietnam) besteht man nicht auf das Haendeschuetteln, nach dem Trinken.
Dafuer allerdings wird vor JEDEM Schluck angestossen.

Auf dem Boden hockend, bewundern die Kollegen meine Koerperhaltung - und beordern sofort einen Stuhl fuer mich.

Stuhl ist dabei nicht woertlich zu nehmen.
Stuhl heisst hier ein ca. 10 cm hohes buntes Plastikhoeckerchen, auf welches man bei uns die Blumen daraufstellen wuerde.

Mir egal, das Ding haelt und ich kann meine Reichweite erheblich verlaengern. Natuerlich nur zu dem Anstossen!

Nach dem Essen schiebe ich den Hocker unauffaellig zur Seite und strecke die Beine nach hinten aus.
Ich bin auch auf dem Boden sitzend schon groesser als die Kollegen, da moechte ich nicht auch noch ueber ihnen, auf meinem bunten Plastikthron sitzen.

Man kann sich bequem an der Wand anlehnen.
Hier ist die Feuchtigkeit des Neubaus noch nicht ganz verschwunden.
Oder es ist eine neue aufgrund der hohe Luftfeuchtigkeit ?
Hier im Sueden ist zwar derzeit Trockenzeit bei 29 C.
Was aber der humidity keinen Abbruch tut, denn diese ist bestaendig bei 80- 90%.

Bei unserer Feier soll ich nun auch singen.
Auf meine Frage, ob Sie denn dafuer schon genug getrunken haben, erhalte ich nur Gelaechter als Antwort.
Mit dem gebe ich mein bestes (und einziges) Lied zu dem Besten.

Vorher, hat man mir versichert, es ist nur dann peinlich, wenn man nicht singt.

Bald schon durften wir nach Hause, in unserem Fall, in das Hotel.

Die restlichen Schulungen laufen in einer lockeren und aufmerksamen Atmosphaere.

Die Akzeptanz welche ich durch die Teilnahme an der Feier erfahren habe, laesst die unterschiedlichen Kulturen in den Hintergrund treten.

Bei unseren weiteren Schulungen wird sich dies als Vorteil erweisen.

Es gruesst Euch aus dem winterlichen (10 C) Hanoi, im angeblich subtropischen Vietnam

Oliver Stuckert
Wo auch immer Ihr gerade seid.

Autor:

Oliver Stuckert aus Emmerich am Rhein

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