Ein Zeichen gegen das Vergessen

Die große Menora, ein siebenarmiger Kerzenleuchter stand im Eingangsbereich des PAN kunstforum. Fotos: Jörg Terbrüggen
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99 kleine Kerzen brannten am Donnerstag Abend in den Straßen Emmerichs. Sie standen dort, wo einst jüdische Mitbürger friedlich mit der Emmericher Bevölkerung Tür an Tür wohnten. Heute erinnern "nur" noch so genannte Stolpersteine an die Menschen, Steine mit eingravierten Namen derer, die ermodert, misshandelt oder deportiert wurden. Einige konnten flüchten.

Von Jörg Terbrüggen

Emmerich. Es war der Abend des 9. November, der Abend, der vor 79 Jahren als Reichspogromnacht in die Geschichte einging. Nur unweit der Geschäftsstelle sind in das Pflaster die Steine mit den Namen von Eva Berta Lilienfeld, Martha Lilienfeld und Siegmund Lilienfeld eingesetzt. Die beiden Frauen wurden 1942 deportiert und überlebten den Holocaust nicht. Ein paar Meter weiter findet man die Namen der Familie Kempenich. Sie alle flüchteten rechtzeitig in die USA, nach Palästina, Brasilien und entkamen so dem Konzentrationslager.
Bertha Albersheim hatte dieses Glück nicht. Sie wurde 1942 deportiert und im KZ Treblinka am 28. September 1942 ermordet. Seit dem Jahr 2011, wo der Künstler Gunter Demnig die Stolpersteine nach und nach genau dort einsetzte, wo die jüdischen Familien in Emmerich wohnten, gedenkt die Bürgeraktion Pro Kultur den ermoderten Juden. Die ersten Stolpersteine wurden übrigens an der Einfahrt zum Parkplatz am PAN kunstforum eingesetzt, dort, wo damals die Synagoge stand.
Hatte Emmerich 1932 noch knapp 100 jüdische Mitbürger, so lebten seit Mitte Oktober 1938 nur noch 46 Juden in der Stadt. Die meisten waren über 60. Von ehemals 26 jüdischen Betrieben und Geschäften waren 1938 nur noch zwei vorhanden: das Textilhaus Leffmann am Fischerort, Inhaber Familie Claessen und der Bazar von Bertha Albersheim in der Steinstraße. Irene Möllenbeck, die die Idee der Stolpersteine aus einer anderen Stadt mit nach Emmerich brachte, zitierte bei der Gedenkfeier einen Augenzeugen und schilderte die Eindrücke der Reichspogromnacht.
"Mittwochabend, den 9. November wurde eine Versammlung der NSDAP auf dem Nonnenplatz organisiert. In den dort gehaltenen Reden wurden die Juden zur Verfolgung freigegeben. In der Nacht vom 9. auf den 10. September wurde die SA aufgerufen, sich um 5 Uhr morgens zu sammeln. Dabei wurde ihnen mitgeteilt, dass die Synagogen in Brand zu setzen und jüdisches Eigentüm zu zerstören sei." Es herrschte absolute Stille im Museum, als Irene Möllenbeck diese Worte vorlas, nur das leise Rauschen der Lüftung war zu hören. In der Mitte auf dem Boden brannten Kerzen in 64 Tüten, die zu einem Judenstern zusammengestellt waren. Sieben Kerzen brannten auf der siebenarmigen Menora.
Die jüdischen Bewohner wurden wie Vieh zur Polizeistation getrieben. Später mussten sie Wagen und Karren ziehen, um aus ihren Wohnungen Bettzeug zu holen. Stillschweigend sah die Emmericher Bveölkerung zu, niemand wagte laut etwas zu sagen. "Wir wollen mit dieser Veranstaltung Mut machen, sich gegen Ausgrenzung zu stellen und Zivilcourage zu zeigen", so Möllenbeck. Pfarrer Jan Heiner Schneider bemerkte: "Ich weiß nicht ob ich den Mut gehabt hätte gegen den Mob die Stimme zu erheben." Anschließend las er ein jüdisches Gebet vor. Einfühlsam erklangen danach die Saxophone von Brigitte und Heinz Derksen, die den Song "Heal the world" von Michael Jackson interpretierten.
Der stellvertretende Bürgermeister Herbert Ulrich sprach von der Bedeutung des 9. November, dem Schicksalstag des deutschen Volkes. "Folterknechte brannten den Juden Nummern in die Haut, redeten sie nicht mit Namen an." Mit dieser Gedenkfeier und den Stolpersteinen gebe man ihnen einen Teil ihrer Würde zurück. "Mit den Stolpersteinen haben wir ein Zeichen gegen Unmenschlichkeit und gegen das Vergessen gesetzt." Aus kleinen Papiertüten hatte man das Judenkreuz auf den Boden im Museum gelegt. In jeder Tüte brannte eine Kerze. 64 waren es insgesamt.

Die große Menora, ein siebenarmiger Kerzenleuchter stand im Eingangsbereich des PAN kunstforum. Fotos: Jörg Terbrüggen
Aus kleinen Papiertüten hatte man das Judenkreuz auf den Boden im Museum gelegt. In jeder Tüte brannte eine Kerze. 64 waren es insgesamt.
Autor:

Jörg Terbrüggen aus Emmerich am Rhein

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