Kolumne „Blick ins Leben“ von Heidi Prochaska

Genieße es doch einfach


Schweißperlen suchen sich ihren Weg über meine rechte Wange am Hals entlang Richtung Dekolleté. Der Rücken klebt am T-Shirt und das Shirt befeuchtet die Rückenlehne meines Bürostuhls. Der heißersehnte Sommer ist da – im wahrsten Sinne des Wortes. Hätte ich frei, würde ich wahrscheinlich in einem kühlen See schwimmen. Habe ich aber nicht! Die Arbeit ruft – und zwar laut und fordernd. Ich sitze bei gefühlten 40 Grad in meinem Büro am Schreibtisch und bediene fleißig die schwarz-weißen Tasten meines Laptops, der zusätzlich warme Luft aus dem Gehäuse bläst. Die Schrägen des Dachgeschosses verleihen meinem Arbeitszimmer zehn Monate im Jahr eine anheimelnde Arbeitsatmosphäre. Doch seit gut drei Wochen erwische ich mich bei hitzigen Selbstgesprächen und könnte täglich einen Föhn kriegen.

Meinen Nachbarn, die ebenerdig mit großer Terrasse und Garten nach meinem Befinden fragen, antworte ich leicht stöhnend: „Ganz schön warm zur Zeit.“ Der männliche Part des Nachbarschaftspärchen fällt mir sofort ins Wort: „Mensch, genieße den Sommer doch einfach mal. Diesen Temperaturen wirst du noch hinterherweinen, wenn sie wieder vorbei sind. Ich verstehe überhaupt nicht, dass die Menschen (damit meinte er wohl mich) sich so anstellen, schließlich ist endlich Sommer.“ Ich stelle auf ‚Durchzug‘ und versuche den erneuten Schweißausbruch unter Kontrolle zu bekommen. Wenn ich, wie sie, in Badelatschen und kurzer Hose den ganzen Tag unter einem Sonnenschirm im Garten sitzen könnte, funktioniert das sommerliche Genießen sicherlich einfacher. Die beiden wenden sich schnell ab und nippen an ihren geeisten Getränken.

Der kühlste Ort ist meine Garage. Ich setze mich auf den alten, ausrangierten Ikea-Stuhl und denke nach. Um meine Arbeitsfähigkeit zu erhalten, muss ich etwas tun. Wie gehen Menschen mit Hitze um, die einen noch wärmeren und längeren Sommer haben, als wir hier in Deutschland? Dauerurlaub oder umziehen fallen als Lösungen flach.

Natürlich! Mir fällt es wie Schuppen von den Augen. Warum nutze ich nicht bewährte Technik? Bei angenehmer Kühle funktioniert mein Denkapparat wieder einwandfrei. Ich rufe einen Freund an und bespreche mit ihm meine Idee. Er stimmt mir sofort zu und eine Woche später drücke ich als stolze Besitzerin einer eingebauten Klimaanlage auf den Knopf der Fernbedienung. Glück gehabt. Ich habe eines der letzten Geräte gerade noch erwischt. Alle mir bekannten Vorurteile bewahrheiten sich nicht. Leise und energieeffizient verrichtet sie verlässig ihren Dienst, während ich diese Kolumne schreibe. Ich bin geneigt zu sagen, dass ich diese Klimaanlage wirklich liebe – na ja, das ist ein bisschen übertrieben – aber kühle Räume bei großer Hitze entspannen mich sehr.

Freunde kommen im Moment sehr gerne zu mir und bleiben meistens etwas länger als geplant.

Autor:

Heidi Prochaska aus Essen-Borbeck

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