Iserlohner Vereinsgründer möchten Flaschenkinder-Idee auch im Ruhrgebiet etablieren
Multiplikatoren gesucht: Hilfe für Kinder aus Familien mit alkoholkranken Eltern

Kathrin Thielmann-Lange, Peter Wolf und Nina Masztalerz sind die Köpfe hinter der "Flaschenkinder"-Idee. Sie engagieren sich in der Hilfe für die Kinder alkoholkranker Eltern in Iserlohn, möchten, dass ihre Idee aber nun auch im Ruhrgebiet Multiplikatoren findet.  | Foto: cHER
  • Kathrin Thielmann-Lange, Peter Wolf und Nina Masztalerz sind die Köpfe hinter der "Flaschenkinder"-Idee. Sie engagieren sich in der Hilfe für die Kinder alkoholkranker Eltern in Iserlohn, möchten, dass ihre Idee aber nun auch im Ruhrgebiet Multiplikatoren findet.
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Kathrin Thielmann-Lange weiß wovon sie spricht. Auch sie leidet bis heute auf schmerzliche Weise unter den Folgen und Defiziten, die die Alkoholabhängigkeit ihres Vaters mit sich gebracht hat. "Ich habe Gewalt erlebt", räumt sie ein. "Die meines Vaters gegen meine Mutter. Doch ich habe ihn auch abgöttisch geliebt", beschreibt sie die innere Zerrissenheit, mit der alle Kinder aus Alkoholikerfamilien leben müssen.

von Christa Herlinger

Aber Kathrin Thielmann-Lange hat ihr Schicksal in die Hand genommen. Sie hat ihr "ausgeprägtes Helfersydrom"genutzt, um eine in der Bundesrepublik wohl einzigartige Initiative zu starten. Den Verein "Flaschenkinder".
Seit mehr als 20 Jahren bieten Thielmann-Lange und ihre Mitstreiter Kindern von alkoholkranken Menschen eine Anlaufstelle. "Die Situation von Kinder aus Familien, in der ein oder sogar beide Elternteile alkoholkrank sind, wird von ihrem sozialen Umfeld nämlich absolut unterschätzt", weiß die Initiatorin. Die Kinder finden keinen Maßstab, an dem sie sich orientieren können. "Sie lernen nicht, was richtig und falsch ist, denn das wissen die Erwachsenen in ihrem direkten sozialen Umfeld vielfach selbst nicht." Was fehle seien Geborgenheit und die nötige Sicherheit, die ein Kind zu seiner gesunden Entwicklung benötigt. "Aber die Kinder tun alles, um nichts nach außen dringen zu lassen. Die Angst, dass die Familie auseinander gerissen wird, ist riesig", weiß die Vereinsgründerin aus eigener Erfahrung.

Anlaufstelle mit Rückzugsmöglichkeiten 

Seinen Sitz hat der Verein, der Kindern mit dem Flaschenkinder-Haus eine Anlaufstelle und Rückzugsmöglichkeiten bietet, unter anderem auch Ausflüge, Angebote wie Reittherapien und Nachhilfestunden organisiert, in Iserlohn. Dort ist man zurecht stolz auf das Erreichte. Zumal sich die Vereinsarbeit bis heute ausschließlich durch private Spenden finanziert. Thielmann-Lange ist die eínzige Hauptamtliche, mit ihr tragen 23 ehrenamtlich engagierte Menschen den Verein, die durch ihre Biographie unterschiedliche Erfahrungen mit dem Bereich Sucht mitbringen.
"Nur so können wir effektiv helfen", ist sich die Gründerin sicher. Rund um die Uhr ist das Notruftelefon der Iserlohner erreichbar. "Vielfach entsteht der erste Kontakt aber auch via Facebook oder E-Mail", weiß Kathrin Thielmann-Lange. Vor Ort haben die Verantwortlichen ein Netzwerk aus Unterstützern geknüpft. "Denn wir dürfen die Kinder nicht alleine lassen."

Auszeichnung mit dem Charlie Award


Der Verein wurde 2016 mit dem Charlie Award ausgezeichnet. Jetzt soll das Engagement auch über Iserlohn hinaus Kreise ziehen. "Wir haben Kontakte nach Viersen, auch in Wien gibt es Bestrebungen, die Flaschenkinder-Idee zu etablieren. Ebenso im ostfriesischen Leer."
Dabei sind die Vereinsmitglieder gerne behilflich, stehen als Ansprechpartner bereit, laden dazu ein, ihre Arbeit in Iserlohn vor Ort mitzuerleben. Und sie hoffen, dass sich auch im Ruhrgebiet Menschen finden, die ihre Idee zur Hilfe für die betroffenen Kinder aufgreifen. "Denn es ist wichtig, ihnen Mut, Motivation und Halt zu geben. Hilfe- und Selbsthilfeangebote gibt es eigentlich nur für die Betroffenen selbst. Die Kinder bleiben außen vor", ergänzt Nina Masztalerz.

Hilfe für die ganze Familie

Bei "Flaschenkinder e.V." wird der ganzen Familie geholfen. "Denn oftmals ist es für die alkoholkranken Erwachsenen wie ein Weckruf, wenn ihre Kinder mit ihren Sorgen zu uns gekommen sind", weiß das Flaschenkinder-Team. Plötzlich werde ihnen bewusst, wie belastend sich die familiäre Situation für den Nachwuchs gestalte. "Das ist oft ein Einstieg, den wir nutzen können." Die Vereinsmitglieder arbeiten in Iserlohn eng mit Selbsthilfegruppen zusammen. Sie organisieren öffentliche Veranstaltungen, Infotage an Schulen. "Um auf die Kinder aus suchtbelasteten Familien aufmerksam zu machen und ihnen eine hörbare Stimme zu geben."


6,6 Mio Kinder mit riskant trinkenden Eltern


Wie wichtig ihr Engagement ist, zeigen Zahlen, die das Robert-Koch-Institut im September 2016 veröffentlicht hat: Demnach leben bis zu 6,6 Millionen Kinder in Deutschland mit riskant trinkenden Eltern.
Wer in Essen als Multiplikator für die "Flaschenkinder-Idee" fungieren möchte, kann sich an den Iserlohner Verein wenden. Kathrin Thielmann-Lange ist per E-Mail an Kathie@flaschenkinder.de erreichbar. Am liebsten unter Angabe einer Rückrufnummer. "Damit wir genügend Zeit für Gespräche haben."

Autor:

Christa Herlinger aus Essen-Borbeck

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