Eine Herzensangelegenheit

Lebt heute viel bewusster: Daniel Dimke. | Foto: privat

Von Sara Holz

Zehn Kerzen für zehn Jahre, und doch war es keine Geburtstagsparty, die Daniel Dimke vergangenes Wochenende feierte. Der Schönebecker erhielt im Juli 2002 ein neues Herz, mit dem er seither wieder ein ganz normales Leben führen kann.

„Ich nehme morgens und abends eine Tablette, achte ein bisschen auf meinen Körper, sonst gibt es da aber keine Unterschiede zu jedem anderen Menschen“, freut sich der 42-Jährige, der sich wünscht, dass sich möglichst viele Menschen mit dem Thema beschäftigen und sich für einen Organspendeausweis entscheiden, damit seine Positivgeschichte kein Einzelfall bleibt. Denn, dass es auch einen anderen Verlauf hätte nehmen können, weiß er ganz genau.

„Mein Vater ist mit 39 Jahren an einer Herzkrankheit vestorben, mein Bruder erlitt einen plötzlichen Herztod, mit 26 Jahren“, blickt Dimke auf ein trauriges Familienschicksal zurück. Seine Diagnose traf ihn auch deshalb wie ein Todesurteil. „Alternativen gab es zunächst nicht“, erinnert er sich, „mein einziger Gedanke war, dass ich der Dritte im Bunde werden würde.“
Anfangs wurden Freunde und Familienmitglieder auf seine Krankheit aufmerksam, „doch dann wurde mir schnell auch selbst bewusst, wie meine Leistungsfähigkeit sich verringerte, ich ständig in Atemnot kam“, schildert Dimke den Verlauf. „Dilatative Kardiomyopathie“ lautete der Befund, eine Erweiterung des Herzmuskels -das Herz vergrößert sich und die Pumpleistung versagt. „Dazu lagen auch noch Herz-Rhythmus-Störungen vor.“ Eine Zeit lebte der Essener - damals erst Anfang 30 - mit einem implantierten Defibrillator, „immer in Angst, das Gerät könnte einem plötzlich einen Schock verpassen“, beschreibt Dimke das Gefühl.
Es sei wie in eine Steckdose zu fassen, und viele betroffene Patienten könnten damit vor Sorge kaum mehr schlafen.
Die Herztransplantation folgte dann im Juli 2002 im Herzzentrum Bad Oeynhausen, nach zweimonatigem Krankenhausaufenthalt, weil sich sein Zustand extrem verschlechtert hatte.

„Die Nachricht aus Holland, dass ein passendes Herz vorliege, kam in der Nacht“, erinnert sich Dimke noch genau, „und die Ärzte flogen gleich los, um das Organ zu kontrollieren.“ Als sie damit zurückkehrten, war er bereits durch Tabletten in einen „Duselzustand“ versetzt. Dem folgte eine fünfstündige Operation, wobei sein Brustkorb komplett geöffnet wurde. „Aber das ist keine Wunder-OP“, betont er, „heutzutage läuft dabei alles routinemäßig ab.“ Komplikationen gab es keine.
„Und die vorherigen Beschwerden waren mit dem Aufwachen, mit dem neuen Herzen, schlicht weg“, so Dimke. Einzig die Bettlägerigkeit wirkte sich auf den Körper aus, weshalb der Patient durch Rehamaßnahmen zunächst zu neuen Kräften kommen musste.
„Ein Arzt sagte mir sogar, ich hätte nun das Herz eines Sportlers“, grinst der Sozialarbeiter, der nach nur zwei Wochen das Krankenhaus wieder verlassen konnte. „Zu 80 Prozent schwerbehindert werde ich immer sein, weil ich zum Beispiel anfälliger reagiere auf Kinderkrankheiten wie Masern“, nimmt er die Sache durchaus ernst, „aber de facto habe ich viel seltener mal einen Schnupfen oder Anderes als viele meiner Arbeitskollegen.“
Für ihn ist das meist läppisch gepredigte „bewusster Leben“ nach seiner „Neugeburt“, die jährlich mit einem zweiten Geburtstag gefeiert wird, Realität geworden. Und seine Familiengeschichte hat eine glückliche Wendung genommen, die vor allem seiner Mutter zu neuem Glaube verholfen hat.
„Sie ist sehr religiös, immer schon gewesen, aber nach meiner Diagnose kam sie wirklich in Zweifel, warum Gott einer Familie zum dritten Mal dieses Schicksal zumutet“, weiß Dimke, der selbst jeden Moment - vor allem im Kreise seiner kleinen Patchworkfamilie - heute viel mehr genießt, „denn wer weiß, was später nicht mehr geht“. Und die Erfahrung, aus dem Leben gerissen zu werden, sich von seinem Freundeskreis zu entfernen, zurückzuziehen und täglich unter seelischem Druck zu stehen, möchte er keinesfalls mehr machen.

„Von diesem Glück, was mir geschenkt wurde, würde ich natürlich auch gern etwas zurückgeben“, betont der Schönebecker. Persönlich bei der Familie des Spenders bedanken, kann er sich nicht, „das läuft in Deutschland alles ganz anonym ab“. Dafür aber möchte er informieren und motivieren. „Die Leute sollen sich von Negativberichten über Organspenden nicht abschrecken lassen“, so Dimke. Es sei enorm wichtig, sich damit auseinanderzusetzen. „Viele haben da eine Hemmschwelle, vor allem wenn es konkret um das Unterzeichnen eines Passes geht“, weiß er, „und das verstehe ich.“
Und dennoch: Er hat am eigenen Leib erfahren, dass die Hilfe ankommt. „Außerdem gibt es da ja auch etliche Optionen, wenn man etwa nicht bereit ist, das Herz als symbolische Seele seines Körpers weiterzugeben, können es auch bloß andere Organe sein, möge es auch nur Netzhaut sein“, erklärt er, wie individuell ein Spendenpass aussehen kann. Und pustet lächelnd die Kerze aus, mit dem festen Wunsch, seinem Aufruf würde der ein oder andere Leser nachkommen.
Einen Organspendeausweis ausdrucken kann man zum Beispiel direkt online: www.organspende-essen.de/spendeausweis2.html .

Autor:

Lokalkompass Borbeck aus Essen-Borbeck

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