Bürgerfunksendungen im essener Lokalradio
Ein Stück akustischer Stadtgeschichte - Sendungsarchiv der Neuen Essener Welle wird digitalisisiert

Aus den frühen Neunzigern: Ein Bürgerfunker der Neuen Essener Welle interviewt Besucher*innen einer Veranstaltung auf der Zeche Carl in Altenessen. Zwischen den Studios im Badehaus, Malakowturm, Casino und dem Maschinenhaus fanden sich in den neuziger Jahren fast automatisch viele Themen für die Radioprogramme gleich vor der Hautür der NEW. | Foto: Walter Wandtke
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  • Aus den frühen Neunzigern: Ein Bürgerfunker der Neuen Essener Welle interviewt Besucher*innen einer Veranstaltung auf der Zeche Carl in Altenessen. Zwischen den Studios im Badehaus, Malakowturm, Casino und dem Maschinenhaus fanden sich in den neuziger Jahren fast automatisch viele Themen für die Radioprogramme gleich vor der Hautür der NEW.
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Montagabend: Einladung zum Lokalradiohören
Am 14. Februar gibt es es ab 21.04 Uhr im Bürgerfunk auf der Frequenz von Radio Essen die Möglichkeit, ein Stück Essener Stadt- und Mediengeschichte näher kennen zu lernen. Vor mehr als 30 Jahren wurde in unserer Stadt die Neue Essener Welle e.V. gegründet.

Dieser "Förderverein für einen lokalen Rundfunk in Essen - Neue Essener Welle e.V." hatte sich zum Ziel gesetzt, Bürger*innen Technik, Studio und Praxis für lokale Radiosendungen anzubieten. Dort sollte die ganze Vielfalt des sozialen und kulturellen Lebens dieser Stadt hörbar werden.

Cassettentrick: Radio machen ohne Sender

Diese Radiopraxis wurde in den ersten Jahren durch einzelne Sendeprojekte versucht, die noch über vervielfältigte Cassetten Verbreitung finden mussten. In dieser Lokalradio-Frühzeit vor 1990 waren aber auch  später anderweitig bekannte Aktive wie Siggi Domke oder der Journalist und Buchautor Ludger Fittkau als Radiomacher an den Mikrophonen.
Da sich der Start insbesondere des essener Lokalradios immer weiter verzögerte, schrumpften zwischenzeitlich auch viele "Radiophantasien" für eine auch in Essen demokratisierte Rundfunklandschaft. Künstler wie Siggi Domke  gaben schließlich nach einer kritischen Buchveröffentlichung  (Funkstille) den Bürgerfunk als kreative Möglichkeit auf und wandten sich lieber der Theaterbühne zu.
Andere verfolgten damals noch die Idee alternativer Stadtzeitungen, die neben den grossen Blättern eines übermächtigen WAZ-Konzerns für Meinungs- und Nachrichtenvielfalt sorgen sollten.

Bürgermedien finden eine Heimat
- das Badehaus an der Zeche Carl 

Nach dem Umbau des ehemaligen Badehauses an der Zeche Carl für unterschiedliche Bürgermedien und Kulturvereine gab es dann ein gutes Jahr lang Radiosendungen im offenen Hörfunk-Kabelkanal des "OK 43". Da der OK 43 aber natürlich hauptsächlich lokales Fernsehen produzierte, war der eigentliche Start von Radio Essen im April 1992 auch der Beginn der heißen Produktionsphase der Neuen Essener Welle.
Jetzt endlich galt für viele Jahre in NRW die gesetzliche Maßgabe, dass 15% der täglichen Sendezeit in privatwirtschaftlichen Lokalsendern wie Radio Esen, für nicht-kommerziellle Bürgerfunksendungen freizuhalten war. Solche Bürgerfunksendungen sollten in gemeinnützigen Bürgerradio-Werkstätten hergestellt werden und waren an technische Mindestanforderungen geknüpft.
Hier war die NEW - Neue Essener Welle durchaus nicht der einzige Produktionsort. Es gab z.B. einen Radioverein des essener Unternehmerverbands, der katholischen Kirche, des Essener Sportbunds oder des SJD - Die Falken. In der Anzahl eingereichter Sendungen und der Mitwirkung unterschiedlichster Bürgerfunkgruppen war die NEW aber sicherlich der größte dieser Medienvereine.

Sendestart 1992
- täglich Bürgerfunksendungen im Lokalfunk

Nach dem Sendestart von Radio Essen 1992 war die Neue Essener Welle – NEW dann bis zum Auszug aus dem Badehaus 2010 ein wichtiger Produktionsort für Radioprogramme unterschiedlichster Art im sogenannten Bürgerfunk. 
Nach einer Änderung der Landesmediengesetze in NRW während der CDU/FDP Landesregierung unter Ministerpräsident Rüttgers wurden aber die bis dato geltenden Regelungen für Produktionskostenzuschüsse für Bürgerradiosendungen nach und nach gestrichen. Professionelle Betreuung von Bürger*innen, die hier Bürgerfunksendungen produzieren wollten, war bald kaum mehr möglich.
Auch die NEW musste wie viele andere Bürgerradiowerrkstätten den entsprechenden langjährig haupt- wie nebenamtlich dort Beschäftigten kündigen. Das Recht im Lokalradio  zu Bürgerfunksendezeiten Beiträge  zu senden, gilt allerdings noch heute. Bis auf wenige anderweitig finanzierte Projekte, meist der Jugendarbeit, wurde Bürgerfunk zu einem Freizeithobby. Die Zahl bei den Lokalradios eingereichter Bürgerfunksendungen ist radikal geschrumpft. Die Sendezeiten spielen sich werktags nicht mehr vor 21.00 Uhr und am Wochenende nicht vor 19.00 Uhr ab.
Vor 25 jahren war es in Essen noch üblich, dass täglich auch eine Bürgerfunksendestunde zwischen 9.00 und 10.00 Uhr am Vormittag ausgestrahlt wurde.  Für diese Programme galt dann zwar die Musikauswahl von Radio Essen aber die inhaltlichen Beiträge kamen von den verschiedenen Bürgerradiogruppen. Die NEW war seinerzeit zwei mal wöchendlich auch vormittags auf  Sendung. Das brachte den Beiträgen natürlich eine erheblich größere Reichweite, als jetzt eine Ausstrahlung erst nach 21.04 Uhr.
Sicherlich läßt sich die heutige Medien- und Internetlandschaft mit den vielen relativ leicht auch individuell selbst produzierbaren Informationsströmen kaum mehr mit der Lage vor 20-30 Jahren vergleichen.

Akustikschatz der Lokalgeschichte heben

Das bisherige NEW-Vereinsarchiv all dieser Sendungen aus mehrere Jahrzehnten soll jetzt digitalisiert und öffentlich zugänglich gemacht werden. Warum es sich lohnen kann, in dieses künftig öffentlich-digitale Archiv reinzuhören, erfahren sie während der Sendung in einem Gespräch mit Katja Schütze, die viele Jahre inhaltlich wie auch geschäftsführend in der NEW tätig war. Begleitet wird dieses Radiogespräch von Jingles und Anmoderationen einiger Bürgerradiossendungen, die etwa anno 2000 regelmäßig zu hören waren. Aktuell wird diese Bürgerfunksendung am 14.2. durch das Medienzentrum Ruhr e.V. ermöglicht, das schon längerfristig selbst ein Archiv- und Digitalisierungsprojekt verschiedener Bestände ihrer Arbeit und des "OK 43" in Angriff genommen hat.
Sendeplatz: Radio Essen 14.2.2022; 21.04 - 21.55 Uhr

Autor:

Walter Wandtke aus Essen-Nord

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