Aktionsbündnis sicheres Altenessen zieht positive Bilanz

Susanne Skorzik (3. v. l.) von der Polizei-Inspektion Nord und Thomas Rüth (2. v. l.) vom Jugendhilfenetzwerk der AWO arbeiten mit beim Aktionsbündnis. Archivfoto: Gohl
  • Susanne Skorzik (3. v. l.) von der Polizei-Inspektion Nord und Thomas Rüth (2. v. l.) vom Jugendhilfenetzwerk der AWO arbeiten mit beim Aktionsbündnis. Archivfoto: Gohl
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Zwischen No-go-Area und Modellstadtteil: Hier irgendwo pendelt sich die öffentliche Wahrnehmung Altenessens ein. Das diffuse Meinungsbild ist wenig verwunderlich, schließlich ist das Gefühl der Sicherheit eine schwer messbare Größe. Dennoch zieht das Aktionsbündnis sicheres Altenessen eine positive Jahresbilanz.

Drei Jahre ist es jetzt her, da wehte ein Sturmtief über Altenessen: Verfehlungen der libanesischen Gemeinschaft, Berichte zum desolaten Zustand des Bahnhofumfeldes, Bürgerbeschwerden über pöbelnde Jugendliche. Von einem rechtsfreien Raum war die Rede. „Vor dem Hintergrund der Kriminalstatistik war Altenessen nie stärker belastet als andere Stadtteile“, erinnert sich Susanne Skorzik von der Polizei-Inspektion Nord. Und doch schien es, als sei das Zusammenleben im Ballungsraum zwischen Bahnhof und A42 sowie Altenessener und Gladbecker Straße nachhaltig gestört.

Die Diskussion wurde hitzig geführt, mancher Redebeitrag schoss über das Ziel hinaus. Doch der Aufschrei hatte etwas Gutes: Der Stadtteil stand auf dem Prüfstand, lang ignorierte Probleme kamen auf den Tisch. Eine Bürgerbefragung durch das Jugendhilfenetzwerk der Arbeiterwohlfahrt (AWO) brachte zwei wichtige Erkenntnisse. Erstens: In Altenessen besteht dringender Handlungsbedarf. Und zweitens: Noch haben die Bürger ihren Stadtteil nicht aufgegeben.

Auf diesen Erkenntnissen beruht das Engagement des durch das Dezernat von Andreas Bomheuer ins Leben gerufenen Aktionsbündnisses sicheres Altenessen (AsA) – ein Netzwerk aus Sozialarbeitern, Migrationsbeauftragten, Kontaktbeamten der Polizei und Anlaufstellen in den Stadtämtern. Im Grunde erfanden die Beteiligten das Rad nicht neu – sie haben es aber wieder ins Rollen gebracht. Agierten die Akteure vor dem Aktionsbündnis oft auf eigene Faust, arbeiteten sie nun gemeinsam.

Gerichtsurteil machte Eindruck

Heute ist Federführer Andreas Bomheuer überzeugt: „Das Zusammenspiel der Kräfte hat Wirkung entfaltet“. Hinter diesem Zusammenspiel verbirgt sich ein Mix aus gemeinschaftstiftenden Aktionen, klaren Ansagen und – wenn nötig – Strafverfolgung. Thomas Rüth vom Jugendhilfenetzwerk der AWO erinnert an den Mai 2011. Da wurde bei einer Auseinandersetzung zwischen Libanesen ein 20-Jähriger lebensgefährlich mit einem Messer verletzt: „Der Messerstecher bekam sechs Jahre, und es droht die Ausweisung. Dieses Urteil hat Eindruck in der libanesischen Community hinterlassen.“

Als Kontaktbeamtin fördert Susanne Skorzik den Dialog. So habe man über den Imam und die libanesische Familienunion einen Fuß in die von Großfamilien geprägten Gemeinschaft setzen können. Begeistert ist sie von der libanesischen Frauengruppe, die sich regelmäßig im Fördertumhaus trifft: „Die Frauen setzen sich sehr genau mit der Außenwirkung der Libanesen auseinander.“ Die Mütter leisteten Aufklärungsarbeit und sorgten mit Präsenz bei Altenessener Stadtteilfesten dafür, dass es rund um den Autoscooter ruhig blieb. Das Fahrgeschäft war während der Frühjahrskirmes 2011 Schauplatz einer Massenschlägerei.

Im Fokus steht nicht nur die libanesische Gemeinschaft, die laut Rüth ohnehin nur einen Teil der Problematik ausmacht. Viele Schulen unterzeichneten unter dem Motto „Salam Alaikum“ Absichtserklärungen, die Richtlinien für friedliches Zusammenleben beinhalten. Durch die Präsenz auch in öffentlichen Verkehrsmitteln sowie regelmäßige Hausbesuche tritt das AsA-Netzwerk notorischen Störenfrieden auf die Füße.

Bei den Jugenddelikten erreicht die zuständige Ermittlungsgruppe eine Aufklärungsquote von 70 Prozent. Auch die Zahl der jugendlichen Intensivstraftäter sei seit dem Antritt des Aktionsbündis von 30 auf 19 gesunken. Es sind die einzigen belastbaren Zahlen, mit denen sich der Erfolg der „Krisenintervention“ belegen lässt. Vieles spielt sich auf der Ebene persönlicher Eindrücke ab. „Auf dem letzten Stadtteilfest waren wieder viel mehr Familien unterwegs“, meint Andreas Bomheuer. Und Thomas Rüth verweist auf das Interesse aus Großstädten wie Bremen und Berlin, die sich nach dem Modell erkundigten. So schlecht kann es um Altenessen gar nicht stehen, oder?

Noch nicht „am krausen Bäumchen“

Eine erneute Befragung der Bürger wäre ein Versuch, die Stimmung in Zahlen auszudrücken. Grundsätzlich bejaht Rüth die Möglichkeit. Der Leiter des Jugendhilfenetzwerkes lässt aber auch durchblicken, dass er keine großen Sprünge in den Werten erwartet. Ein Anwohner, der etwas zu bemängeln hat, bringe eben eine größere Bereitschaft zur Teilnahme mit als sein zufriedener Nachbar.

Womöglich brächten nur leidlich bessere Umfragewerte Andreas Bomheuer in die Bredouille: Die Finanzierung der Krisenintervention (70.000 Euro pro Jahr) aus dem Innovationshaushalt läuft Mitte 2014 aus. Wie es weitergeht, lässt der Beigeordnete offen. Dabei wähnt sich das Aktionsbündnis nicht am Ende. „Wir sind noch lange nicht am krausen Bäumchen“, sagt Thomas Rüth auch mit Blick auf die ‚Idylle‘ im Süden.

Kommentar:

Aufbruch in Altenessen? Trotz einer diffusen Faktenlage stimmen wir zu: Das Aktionsbündnis sicheres Altenessen leistet gute Arbeit. Dazu die IG Altenessen, die Bezirksvertretung V und das Kulturnetzwerk Nord. Ein Stadtteilprojekt, das erst in diesem Jahr durchstartete. Und nicht zu vergessen: Die Bürger, von denen sich immer mehr mit ihrem Ideenreichtum am Wandel beteiligen. Altenessen hat so viele Fürsprecher und Kümmerer wie lange nicht mehr. Und doch: Ohne massive Hilfe aus dem Rathaus geht es nicht. Solange ungenehmigtes Gewerbe in Altenessen gedeihen und über Jahre wuchern kann, ein A52-Phantom und Investitionsverhinderer durch den Stadtteil geistert, drohen immer wieder Rückschläge.

Autor:

Patrick Torma aus Essen-Nord

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