Noch will niemand die Bibliotheken abschließen - Diskussion im Kulturausschuss

Um den Betrieb in den Bibliotheken „auskömmlich“ zu gestalten, empfiehlt Klaus-Peter Böttger die Schließung der drei Zweigstellen in Stoppenberg, Kray und Holsterhausen. So richtig glücklich wirkt der Leiter der Stadtbibliothek während seines Vortrages vor dem Kulturausschuss nicht. Kein Wunder, diesen Vorschlag hatte er ausarbeiten müssen, wie auch der Beigeordnete und Kulturdezernent Andreas Bomheuer bekennt: „Vor dem Hintergrund der Haushaltskonsolidierung sind die Fachbereiche beauftragt, Sparpotenziale auszuloten. Wir wollen keine Beschlusslage herbeiführen, die Entscheidung müssen Sie hervorbringen.“

Zwischen den Zeilen übt der Hattinger Kritik am 1000-Stellen-Sparprogramm: „Eine Aufgabenverdichtung ist nicht mehr möglich. Personaleinsparung heißt auch, Aufgaben abzugeben.“ Soweit die Steilvorlage des Kulturdezernenten. Den finalen Abschluss will noch keine Partei wagen - zumindest nicht im Kulturausschuss. Mit der SPD sind die Schließungen „nicht zu machen“, die Linke hält den Status Quo ohnehin nicht für ausreichend; vielmehr müssten zusätzliche Mittel ins Bibliothekswesen fließen. Und auch die CDU äußert sich zurückhaltend. „Ich warne vor Einzelverhandlungen. Wir sollten die Empfehlungen der anderen Fachbereiche abwarten“, sagt Susanne Asche. Gestritten wurde dennoch...

Die Schließung von Bildungseinrichtungen wie Bibliotheken ist eine schwer vermittelbare Angelegenheit. „Wir sind gegen eine pauschale Rasenmähermethode“, betont Susanne Asche. Als kulturpolitische Sprecherin der CDU möchte man ihr dieses Statement gerne abnehmen. Allerdings, und da setzt die Argumentation von SPD und Linke an, verteidigt das Viererbündnis (bestehend aus CDU, Grüne, FDP und EBB) vehement das 1000-Stellen-Sparprogramm, das dafür sorgt, dass in den Fachämtern dieser Stadt die Rechenschieber herausgeholt werden.

Und so beginnt die Debatte um den Jahresbericht der Stadtbibliothek mit einer Reihe von Zurechtweisungen „Bereits am Anfang des Jahres haben Sie, Frau Asche, die Schließung von ‚schlecht angenommenen‘ Bibliotheken ins Spiel gebracht“, mahnt SPD-Ratsherr Hans Aring, der seine Fraktion von dem Vorwurf, sie betreibe eine unsachgemäße Informationspolitik, indem sie die Schließung der drei Standorte als beschlossene Sache hinstelle, freimachen möchte. Susanne Asche kontert mit einem noch besseren Erinnerungsvermögen: „Wann war denn die letzte Schließung? 1996! Und das war nicht mit uns.“

Erst nach den politischen Zwistigkeiten darf Klaus-Peter Böttger, Leiter der Stadtbibliothek, seine Empfehlung in „akzentuierter Weise“ vortragen. Vor welchem Zwiespalt ihn die Ausarbeitung dieses Vorschlages stellt, lässt sich nur erahnen. So sind im Zeitraum 2000 bis 2011 die Ausleihzahlen stadtweit um knapp 85 Prozent gestiegen, es bahnt sich ein Rekordjahr an. „Wir prognostizieren schon jetzt zirka 4,3 Millionen Ausleihen für das Jahr 2012. Das wäre das höchste Ausleihergebnis unserer 110-jährigen Bibliotheksgeschichte“, weiß Böttger, der nicht müde wird, die Bedeutung von Stadtbüchereien zu betonen.

Er führt Studien aus Großbritannien und Norwegen ins Feld. Tenor: Wer in Bibliotheken investiert, muss später weniger Sozialausgaben tätigen. Sicher, technische Entwicklungen, wie die Onleihe, böten Einsparpotenzial. „Aber Leseförderung? Die ist mit Personal verbunden“, ist Klaus-Peter Böttger sicher.

Und da liegt die Crux: Der Umfang der Belegschaft reicht nicht aus, um das Angebot in den derzeit 15 Essener Zweigstellen angemessen aufrecht zu erhalten. Aufgrund von Freistellen, Alters- und Elternzeit, Beurlaubungen und Langzeiterkrankungen seien in diesem Jahr bereits „37 Ausleihtage entfallen“, das heißt, die eine oder andere Bücherei blieb einfach zu, wenn am Morgen keine Mitarbeiter zur Verfügung standen. „So wird die Bibliothek unzuverlässig“, warnt Klaus-Peter Böttger. Eines wird deutlich: So wie bisher wird es wohl kaum weiter gehen.

Autor:

Patrick Torma aus Essen-Nord

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