Bürgerforum „Wo wollen wir wohnen?“
Schmutzler-Jäger: Großteil der Flächenvorschläge gefährden wertvolle Naturflächen

Ein Beipiel für nicht ausgeschöpfte Flächenpotentiale: Nach dem vorgesehenen Auslaufen des Flugbetriebs auf dem Flughafen Essen/Mülheim wäre hier in der Nähe der A52, im Grenzbereich beider Städte Platz sowohl für Wohnen, Gewerbe und deutliche Grünanteile. Auch die Strassenbahnlinie aus Mülheim könnte leicht wieder reaktiviert werden.  | Foto: Walter Wandtke
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  • Ein Beipiel für nicht ausgeschöpfte Flächenpotentiale: Nach dem vorgesehenen Auslaufen des Flugbetriebs auf dem Flughafen Essen/Mülheim wäre hier in der Nähe der A52, im Grenzbereich beider Städte Platz sowohl für Wohnen, Gewerbe und deutliche Grünanteile. Auch die Strassenbahnlinie aus Mülheim könnte leicht wieder reaktiviert werden.
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Die Ratsfraktion der Grünen übt nach einer gründlichen Analyse der 93 von der Verwaltung ausgesuchten Flächen des Bürgerforums „Wo wollen wir wohnen?“, deutliche Kritik an der Flächenauswahl und dem methodischem Vorgehen der Verwaltung.
Dazu erklärt Hiltrud Schmutzler-Jäger, Fraktionsvorsitzende der Ratsfraktion der Grünen:
„Eine genaue Analyse der Flächen des Bürgerforums zeigt den verfehlten Ansatz der Planungsverwaltung, neue Wohnbauflächen vor allem auf land- und forstwirtschaftlich genutzten Flächen oder in ökologisch wertvollen Grünanlagen zu schaffen. Wir Grüne lehnen diesen Angriff auf Land- und Forstwirtschaft sowie Naturschutz entschieden ab. Denn allein 31 Prozent der insgesamt vorgeschlagenen 325 Hektar liegen in einem Landschaftsschutzgebiet und ganze 54 der 93 Flächen liegen in einem regionalen Grünzug. Diese Flächen hätten nach Auffassung der Grünen den Bürgerinnen und Bürgern gar nicht erst zur Auswahl vorgeschlagen werden dürfen.
Erfreulicherweise wurden von den Bürgerinnen und Bürgern viele sensible Freiflächen negativ beurteilt. Allerdings sind unter den 28 vom Bürgerforum positiv bewerteten Flächen auch 15 Waldflächen, 8 landwirtschaftliche Flächen und drei ökologisch wertvolle Grünanlagen. 37 Prozent der positiv bewerteten Flächen liegen in einem regionalen Grünzug, der eigentlich von Bebauung freigehalten werden soll.
In mehreren Fällen erfolgte im Rahmen des Bürgerforums eine Einstufung von Flächen in die Prioritäten 1 und 2 (sehr gute bis gute Eignung für Wohnbau) bei wertvollen Ackerflächen, wie etwa beim Reibenkamp/Sachsenring in Freisenbruch, bei schutzwürdigen Waldflächen, wie der Eststraße/Neulengrund in Haarzopf, oder bei der für die Erholung wichtigen südlichen Teilfläche des Borbecker Schlossparks an der Frintroper Straße.

Zu wenig Zeit für tiefergehende Flächenbeurteilung gegeben

Letztlich führten erhebliche methodische Schwächen des Verfahrens beim Bürgerforum so zu einem quantitativen Flächenergebnis, das qualitativ viele Fragen aufwirft. In der Kürze der Zeit von gerade einmal zwei Stunden für den eigentlichen Entscheidungsprozess über die Priorisierung von immerhin 93 Flächen lassen sich keine wirklich qualitativen und gut abgewogenen Urteile erbringen. Was zumindest möglich gewesen wäre, wenn das Bürgerforum wie ursprünglich geplant, an zwei Tagen stattgefunden hätte."

Zur Gesamtbewertung der 93 Flächen im Bürgerforum

Bürgerforum  „Wo wollen wir wohnen?“ am 17.11.2018:
Von den insgesamt 93 Flächen, welche die Planungsverwaltung der Stadt Essen dem Bürgerforum als potentielle Wohnbauflächen vorgeschlagen hat, liegen insgesamt 34 Flächen teilweise oder komplett in einem Landschaftsschutzgebiet. Insgesamt beträgt die Fläche der im Landschaftsschutzgebiet liegenden Flächen 100,6 Hektar. Das entspricht der Fläche von 141 Standard-Fußballplätzen (wobei von einem Norm-Maß eines Fußballplatzes von 7.140 m² bzw. 0,714 Hektar ausgegangen wird). Die Menge an Wohnungen, die man laut Angaben der Planungsverwaltung potentiell auf den Flächen im Landschaftsschutzgebiet gewinnen kann, beträgt 5.095 Wohnungen. Damit liegen 100,6 Hektar (bzw. 31 Prozent) von insgesamt vorgeschlagenen 324,9 Hektar in einem Landschaftsschutzgebiet.
Von den insgesamt 93 Flächen des Bürgerforums werden derzeit insgesamt 40 Flächen teilweise oder komplett als landwirtschaftliche Flächen (Grünland bzw. Acker) genutzt. Insgesamt beträgt die Fläche der landwirtschaftlich genutzten Flächen 125,7 Hektar. Das entspricht der Fläche von 176 Standard-Fußballplätzen (bei einem Norm-Maß eines Fußballplatzes von 0,714 Hektar). Potentiell lassen sich laut Angaben der Verwaltung auf diesen Flächen 6.330 Wohnungen gewinnen.

Flächenentwicklung auf Kosten von Wald- und Landschaftsschutz?

Von den insgesamt 93 Flächen des Bürgerforums werden derzeit insgesamt 40 Flächen teilweise oder komplett als Wald genutzt. Insgesamt beträgt die Fläche der forstwirtschaftlich genutzten Flächen 51,8 Hektar. Das entspricht der Fläche von 73 Standard-Fußballplätzen (bei einem Norm-Maß eines Fußballplatzes von 0,714 Hektar). Potentiell lassen sich laut Angaben der Verwaltung auf diesen Flächen 2.740 Wohnungen gewinnen.
Von den insgesamt 93 Flächen des Bürgerforums stellen insgesamt 10 Flächen ökologisch wertvolle Grünflächen und Parkanlagen dar. Meist handelt es sich dabei um Flächen, die als Biotop-Verbundflächen oder im städtischen Biotopkataster verzeichnet sind. Insgesamt beträgt die Fläche der ökologisch wertvollen Grünflächen 15,5 Hektar. Das entspricht der Fläche von 22 Standard-Fußballplätzen (bei einem Norm-Maß eines Fußballplatzes von 0,714 Hektar). Potentiell lassen sich laut Angaben der Verwaltung auf diesen Flächen 785 Wohnungen gewinnen (siehe Abbildung!).
Betrachtet man alle 93 Flächen des Bürgerforums mit einer Gesamtgröße von 324,9 Hektar und klammert man neben den bereits erwähnten land- und forstwirtschaftlichen Flächen und den wertvollen Grünanlagen die besonders großen Flächen Flughafen Essen/Mülheim (30,9 Hektar) sowie die derzeit als Logistikfläche genutzte Fläche an der Stauderstraße/ Emscherstraße (29,4 Hektar) aus, dann verbleiben lediglich 71,6 Hektar (22 Prozent) sonstige Flächen.
Die Stadt hat den Bürgerinnen und Bürgern auf einer Gesamtfläche von 324,9 Hektar potentielle Flächen für insgesamt 16.325 Wohnungen vorgeschlagen. Rund 40 Prozent der potentiellen Wohnungen (6.330 Wohnungen) liegen auf derzeit landwirtschaftlich genutzten Flächen, ca. 17 Prozent (2.740 Wohnungen) im Wald und 5 Prozent (785 Wohnungen) in ökologisch wertvollen Grünanlagen (siehe Abbildung!).

Auswertung der Flächen der Priorität 1 und Priorität 2 des Bürgerforums „Wo wollen wir wohnen?“ am 17.11.2018
Von den insgesamt 28 Flächen, welche von den 420 zufällig aus dem Einwohnermelderegister ausgewählten Bürgerinnen und Bürgern am 17.11.2018 mit der Priorität 1 („sehr gute Eignung für eine Wohnbebauung“) und der Priorität 2 („gute Eignung für eine Wohnbebauung“) bewertet wurden, liegen insgesamt 6 Flächen in einem Landschaftsschutzgebiet. Diese sechs Flächen der Priorität 1 und 2 im Landschaftsschutzgebiet haben eine Größe von 8,9 Hektar; das entspricht einem Potential für 460 Wohnungen.

Von den insgesamt 28 Flächen des Bürgerforums der Prioritäten 1 und 2 werden derzeit insgesamt 8 Flächen teilweise oder komplett als landwirtschaftliche Flächen (Grünland bzw. Acker) genutzt.

In der Summe beträgt die Fläche der landwirtschaftlich genutzten Flächen 17,4 Hektar. Das entspricht der Fläche von 24 Standard-Fußballplätzen (bei einem Norm-Maß eines Fußballplatzes von 0,714 Hektar). Potentiell lassen sich laut Angaben der Verwaltung auf diesen Flächen der Prioritäten 1 und 2 Flächen 880 Wohnungen gewinnen.
Von den insgesamt 28 Flächen des Bürgerforums der Prioritäten 1 und 2 werden derzeit insgesamt 15 Flächen teilweise oder komplett als Wald genutzt. In der Summe beträgt die Fläche der forstwirtschaftlich genutzten Flächen 20,1 Hektar. Das entspricht der Fläche von 28 Standard-Fußballplätzen (bei einem Norm-Maß eines Fußballplatzes von 0,714 Hektar). Potentiell lassen sich laut Angaben der Verwaltung auf diesen Flächen der Prioritäten 1 und 2 Flächen 1.015 Wohnungen gewinnen.

Von den insgesamt 28 Flächen des Bürgerforums der Prioritäten 1 und 2 stellen insgesamt 3 Flächen ökologisch wertvolle Grünflächen und Parkanlagen dar.
In der Summe beträgt die Fläche der ökologisch wertvollen Grünflächen 5,2 Hektar. Das entspricht der Fläche von rund 7 Standard-Fußballplätzen (bei einem Norm-Maß eines Fußballplatzes von 0,714 Hektar). Potentiell lassen sich laut Angaben der Verwaltung auf diesen Flächen 265 Wohnungen gewinnen (siehe Abbildung!).

Betrachtet man alle 28 Flächen des Bürgerforums der Prioritäten 1 und 2 mit einer Gesamtgröße von 91,7 Hektar und klammert man neben den bereits erwähnten land- und forstwirtschaftlichen Flächen und den wertvollen Grünanlagen die besonders große Logistikfläche an der Stauderstraße/ Emscherstraße (29,4 Hektar) aus, dann verbleiben lediglich 19,6 Hektar (22 Prozent) sonstige Flächen.

Auf den Flächen des Bürgerforums der Prioritäten 1 und 2 mit einer Gesamtgröße von 91,7 Hektar können laut Verwaltung potentiell insgesamt 4.535 Wohnungen gebaut werden. Rund 22 Prozent dieser potentiellen Wohnungen (1.015 Wohnungen) liegen auf derzeit forstwirtschaftlich genutzten Flächen, ca. 19 Prozent (880 Wohnungen) auf landwirtschaftlich genutzten Flächen und 6 Prozent (265 Wohnungen) in ökologisch wertvollen Grünanlagen (siehe Abbildung!).

Insgesamt liegen 15 Flächen der Priorität 1 und 2 in einem Regionalen Grünzug gemäß Regionalen Flächennutzungsplan.
Laut Begründung des Regionalen Flächennutzungsplans sind Regionale Grünzüge Vorranggebiete. Sie sind als wesentliche Bestandteile des regionalen Freiraumsystems zu sichern, zu erweitern und zu vernetzen. Planungen und Maßnahmen, die die Aufgaben und Funktionen der Regionalen Grünzüge beeinträchtigen, sind nicht zulässig (Ziel 18). Die 15 Flächen der Prioritäten 1 und 2 im Regionalen Grünzug haben eine Größe von 34,1 Hektar; das entspricht einem Potential für 1.735 Wohnungen.
Insgesamt liegen 8 Flächen der Prioritäten 1 und 2 in einem "Ruhigen Gebiet" gemäß Lärmaktionsplan der Stadt Essen. Diese acht Flächen haben eine Größe von 16,8 Hektar; dies entspricht einem Potential von 860 Wohnungen. In Bebauungsplanverfahren sind die „Ruhigen Gebiete“ als ein planungsrelevantes Kriterium zu berücksichtigen und in die Abwägung einzubeziehen.

Autor:

Walter Wandtke aus Essen-Nord

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