„Essen kontrovers: Kufen (CDU) contra Paß (SPD)“ in der VHS Essen am 02.09.2015

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Wie gut sollte ein OB-Kandidat über seine Stadt informiert sein?
Antwort: Er sollte möglichst alles wissen, um sich den Wählern als engagierter und kompetenter Kandidat zu präsentieren.

Für die „Aufwärmphase“ in „Essen kontrovers: Kufen (CDU) contra Paß (SPD)“ im überfüllten großen Saal der VHS Essen hatten sich die beiden Moderatoren Thomas Becker und Ulrich Führmann einige „fiese“ Fragen ausgedacht. Da kamen beide Kandidaten doch ziemlich ins Schwimmen:

Wie viele Schwimmbäder gibt es in Essen? (14)
Wie hoch ist die Arbeitslosenzahl zurzeit in Essen? (ca. 35.500)
Wie viele Kindertagesstätten gibt es in Essen? (ca. 260)

Mehr als zweieinhalb Stunden stellten sich die beiden Kandidaten den Fragen der Moderatoren. Und selbst diese lange Zeit reichte nicht aus, um alle geplanten Themenkomplexe anzusprechen. Da war die Entscheidung sicherlich richtig, keine Bürgerfragestunde anzuschließen und stattdessen Fragekärtchen an die ca. 500 Zuhörer auszugeben, von denen im Laufe des Abends einige in die Diskussion einbezogen wurden.

Zehn Kandidaten bewerben sich um das Amt des Oberbürgermeisters. Aber es besteht kein Zweifel daran, dass einer der beiden zum Streitgespräch angetretenen Kandidaten das Rennen machen wird.

Reinhard Paß hat den Amtsbonus und wird deshalb zuerst befragt.
In der „Aufwärmphase“ geht es zunächst um Fragen zur Person, was die Kandidaten im Laufe des Tages getan bzw. geleistet haben, was das Besondere an der Stadt Essen ist und was ein Oberbürgermeister können und leisten sollte.

„Ein OB muss Führung zeigen, zuhören, vermitteln, muss auf ‚Fehlerkultur‘ achten“, sagt Paß.
Thomas Kufen ergänzt: „Ein OB muss kommunizieren“. Das ist indirekt als Kritik am amtierenden OB gemeint „Er muss repräsentieren - Essen ist immerhin die neuntgrößte Stadt Deutschlands - er muss auch akquirieren können, er muss das Bild der Stadt Essen angemessen präsentieren.“

Der Amtsbonus muss sich nicht immer positiv auswirken, denn der noch amtierende OB muss sich auch fragen lassen, warum in seiner Amtszeit so manches schiefgelaufen ist, während der Herausforderer sagen kann und darf, was er alles besser gemacht hätte und in Zukunft besser machen würde.

„Was war Ihr größter Fehler?“
wird Paß gefragt.
„Jeder, der arbeitet, macht Fehler, ich sehe im Moment aber keinen konkreten Fehler“, antwortet er.
Da wird Kufen konkreter, ehrlicher, selbstkritischer: „Jeder Mensch macht Fehler. Ich habe mich zu spät um die Probleme bei den Versorgungsbetrieben gekümmert.“

Berufserfahrener gegen freien Künstler

Paß versucht mit seiner Biographie zu punkten, hebt hervor, dass er vor seiner politischen Karriere lange Jahre in seinem erlernten Beruf als Ingenieur Erfahrungen sammeln konnte, was bei Kufen nicht der Fall sei.

Dass Paß die lustig-ironisch gemeinte Bemerkung macht, gegen freie Künstler anzutreten, die Kufen auf sich bezieht, kommt bei einem Teil der Zuhörer nicht gut an und liefert Kufen einen willkommenen Anlass zum Gegenangriff: „Wenn Sie Landtagsabgeordnete als freie Künstler bezeichnen, ist Ihr gespanntes Verhältnis zur SPD-Vorsitzenden Britta Altenkamp nicht verwunderlich.“

„Hören Sie mal zu, meine Damen und Herren.“

Paß wirkt bei manchen Fragen dünnhäutig, vor allem dann, wenn er spürt, dass seine Äußerungen bei den Zuhörern nicht gut ankommen. Mit erhobener Stimme, energisch und streng sagt er zweimal: „Hören Sie mal zu, meine Damen und Herren. Sie sind doch hier, um etwas zu erfahren, oder?“
Die Frage, warum er sich nicht schon 2014 kostensparend wie andere OBs zur Wiederwahl gestellt hat, passt ihm gar nicht, obwohl er sie sicher erwartet hat. Da begnügt er sich mit einer kurzen energischen Antwort: „Ich bin bis 2015 gewählt, und Demokratiekosten kann ich immer rechtfertigen. Und abgesehen davon hat die Vorgängerpartei, die CDU, diesen Wahlmodus zu verantworten.“
Paß erweist sich am Anfang als der gewandtere, erfahrenere Redner, redet geschätzt doppelt so lange wie Kufen, der am Anfang nervös wirkt und erst im Laufe der Diskussion auf Touren kommt.

Viele Themen werden angesprochen, teilweise aber nur kurz angerissen:
Das erste, zurzeit vielleicht wichtigste, nicht nur für Essen:

Flüchtlinge/ Asyl

„Ich habe keine Angst,“ sagt Paß, „aber Sorge, ob wir alles schaffen. Die Zahlen sind zu schnell gestiegen, von geschätzt 450.000 auf 800.000 vielleicht sogar 1.000.000 Flüchtlinge in Deutschland in diesem Jahr. Wir müssen unsere Hilfsangebote mit denen der Hilfsorganisationen koordinieren.“
Dem stimmt Kufen zunächst zu, weist aber darauf hin, dass sich die Stadt auch um die Ehrenamtlichen kümmern müsse, die sich manchmal für ihre Arbeit rechtfertigen müssen, weil sie angeblich zu viel tun und dadurch den Flüchtlingen noch mehr Anreize böten, nach Deutschland zu kommen.
Und zu bedenken sei, dass Essen eine begrenzte Aufnahmekapazität habe und den 40 Prozent Flüchtlingen aus den Balkanländern klar gemacht werden müsse, dass sie nicht mit dem Bleiberecht rechnen dürften, wie es vor kurzem in Essen-Steele auch Innenminister de Maizière gesagt hat. Integration müsse besser gefördert werden, ist ein weiteres Anliegen von Kufen, besser als früher bei den Libanesen, denen keine Perspektive geboten worden sei. Dieser Fehler dürfe sich nicht wiederholen.

Einige weitere Themen, an denen man die unterschiedlichen Positionen der Kandidaten ausmachen konnte:

• Anzahl der städtischen Töchter.
Da äußert sich Paß eher allgemein: „Kernfrage ist die Effizienz“
Kufen konkreter: Zusammenlegung, weniger Gesellschaften, weniger Geschäftsführer, aber bessere Kontrolle
• VRR:
Kufen: 27 Verkehrsgesellschaften sind zu viele. Zusammenlegen zu einer Verkehrsgesellschaft für das Ruhrgebiet - keine Wasserköpfe
• Verkehrskonzept in Essen
Kufen: Es gibt kein vernünftiges, evtl. Zusammenarbeit mit Uni Duisburg-Essen
• Starke Einschnitte bei Sportvereinen.
Da hat sich Paß vor kurzem unbeliebt gemacht, als er in einem offenen Brief die Sparpolitik mit Sachzwängen begründete. Es sei nicht genügend Geld da.

Kufen: „Keine Kürzung, die die Arbeit der Sportvereine gefährdet.“ bleibt aber ähnlich wie in der Finanzierung der Sicherheit (Doppelstreife) eher vage..
• Affären, Skandale, Korruption, Begünstigung (EBE, GVE und Stadionbau)
Paß: keine Handlungsbedarf zurzeit, alles sei genau genug geprüft
Kufen: eventuell offene, transparente externe Ausschreibung für die Besetzung von Führungspositionen
• Flächenbedarf
Kufen: Flächenkonferenz, auf lokaler und bezirklicher Ebene, frühzeitige Bürgerbeteiligung

Viele Fragen bleiben aufgrund des Zeitmangels offen:
Kultur, Schulen, Kita-Ausbau, Altenwohnungen, sozialer Wohnungsbau

Fazit:

Insgesamt haben die beiden netten Moderatoren eher sanft gefragt und nicht genügend nachgehakt. Das Streitgespräch, in dem die beiden OB-Kandidaten, wie angekündigt, „ihre politischen Klingen kreuzen sollten“, endet eher mit einem Unentschieden, und wie immer bei solchen Veranstaltungen sehen nur die jeweiligen Anhänger einen deutlichen Sieg ihres Kandidaten.

Autor:

Manfred Jug aus Essen-Steele

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