Ruhrtriennale punktet in Essen mit großem Tanztheater

In Medias Res: Vor dem Paradies steht die Läuterung. Foto: Ursula Kaufmann/Ruhrtriennale
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„In Medias Res“ von Richard Siegal und „Meyoucycle“ von Eleanor Bauer

Nicht nur die hiesigen Folkwang-Tänzer und die Tanz-Eleven des Werdener Gymnasiums werden in diesem Jahr ihre helle Freude am Essener Ruhrtriennale- Programm haben, sondern schlichtweg alle Tanzfreunde: Im PACT auf Zeche Zollverein - seit Gründung 2002 ein Ort für wegweisende Entwicklungen in Tanz, Performance, Theater und Medien - präsentiert die RT auch den renommierten US-Choreografen Richard Siegal. „In Medias Res“ (sozusagen „mittendrin“, wie der Lateiner sagt) heißt nun der zweite Teil seiner Ruhrtriennale-Trilogie. Der sich auf das „Purgatorio“, das mittlere Buch von Dantes „Divina Commedia“ (Göttliche Komödie) bezieht. Im letzten Jahr nahm Siegal in seiner Choreographie „Model“ Tänzer und Publikum mit auf einen Höllentrip durch Dantes Buch „Inferno“.

In diesem Jahr hat sich Siegal logischerweise das Katholiken auch als Purgatorium bekannte gute alte „Fegefeuer“ vorgenommen, das in Dantes weltberühmter großer Dichtung auch als „Berg der Läuterung“ beschrieben ist. Diesen Berg müssen die Seelen der Verstorbenen ersteigen und werden dabei von ihren Sünden „geläutert und gereinigt“, bevor sie dann oben in den Himmel dürfen.

Sieben Gänge zum Paradies

Bei Siegal nun ist man auf einer gigantischen post-apokalyptischen Müllkippe gelandet. Hier werden in einer Art Restaurant sieben Gänge auf dem Weg zum Paradies serviert. Vier Tänzer testen unterschiedliche Reinigungs-Rituale, denn wo es Schuld gibt – ist auch die Sühne nicht weit. Tanz ist eines der stärksten Kunst-Mittel, um Dinge in Frage zu stellen und Widerstand zu leisten. Das aber das geht nicht „Eins zu Eins“, wie die Künstler gerne sagen, wenn sie das Mittel der Übertragung des Über-Setzens meinen. Im Tanz steht verständlicherweise der menschliche Körper als Ausdrucksmittel im Zentrum. US-Choreograph Siegal nutzt die beeindruckenden Fähigkeiten seiner Tänzer zu eindrucksvollen Bildern, die verwirren (sollen) – aber auch staunen lassen. Und zum Nachdenken anregen.

Termine: 18. / 19. / 20. August um 20 Uhr im PACT Zollverein, Essen Zeche Zollverein. Einführung: jeweils 45 Minuten vor Vorstellungsbeginn. Karten (20 / 30 / 40 Euro, erm. ab 10 Euro): www.ruhr3.com/inm.

Im „Meyoucycle“-Musical durchs Dark Web getanzt

Science-Fiction-Fantasy-Konzert von Eleanor Bauer und Chris Peck auf Zollverein

„Mey-you-cycle“ klingt englisch gesprochen fast wie „Musical“ - dies Wortspiel ist gewollt und vielleicht in einer möglichen Zukunft auch das Wort, ein Oberbegriff für etwas, was wir heute noch altmodisch wie auf einer Zutatenliste einzeln aufzählen: digitale Interaktion, Kontakt-Anzeigen, handgeschriebene Briefe, Chat-Bots, Tweets, Wort-Jazz, endlose Tiraden, poetischer Terrorismus, Sound und Video etc. Das so benannte Tanztheater-Projekt wurde von der Choreographin Eleanor Bauer und dem Komponisten Chris Peck entwickelt, die hier auch gemeinsam Regie führen.

Ihr “Meyoucycle“-Mucycal ist eine Art Liederzyklus mit Tanz, Texten samt einer Rahmen-Geschichte: In naher Zukunft hat sich die Gruppe aus „Poetic Terrorists“ and „Emotional Hackers“ in die Anonymität zurückgezogen. Sie halten sich im Dunklen auf: Im „dark web“, in Wäldern, im Unbekannten, im Unterbewussten. Sie entziehen sich auf diese Weise „einem alles durchdringenden System“, das jede Kommunikation zwischen Menschen diesen gegenüber schlicht enteignet, um Gewinn daraus zu ziehen. (Das kommt einem doch irgendwie bekannt vor, kommt sozusagen auf asozialen Netzstrümpfen daher ... es spielt also gar nicht in der Zukunft?).

Frei durch neue Merkmale

Um die eigene Freiheit zurückzuerobern, müssen die „poetischen Möchtegern-Terroristen“ and „Gefühls-Häcker“ ihre ursprüngliche Identitäten abschütteln und sich dauerhaft immer weiter verwandeln: So eignen sie sich Merkmale verschiedener Genres an, durch Performance, Musik, durch veränderte Benutzung von Sprache und durch neue Begriffe - und können so „das System“ verwirren! Denn jetzt sind sie nicht mehr eindeutig einzusortieren, geben verwirrende Daten und sind damit auch nicht mehr kommerziell verwertbar, so zumindest geht der getanzte Traum.

Die Choreografin Eleanor Bauer und der Musiker und Komponist Chris Peck arbeiten seit vielen Jahren auch über große Entfernungen hinweg zusammen. Sie haben gelernt, die digitale Kommunikation aktiv und positiv zu nutzen. Zusammen mit Performern und dem Ictus Ensemble entstand dieses spannende, experimentelle Projekt „Me-you-cycle“ im Rahmen der Ruhrtriennale und in Kooperation mit vielen weiteren Partnern. Ein zentrales, aber unter Oberflächlichkeit verborgenes Problem unserer Gegenwart scheint zumindest erkannt worden zu sein. (cd)

Termine: 8. / 9. / 10. und 11. September um 20 Uhr im PACT Zollverein, Essen Zeche Zollverein, Karten (20 / 30 Euro, erm. ab 10 Euro) unter: www.ruhr3.com/mey

In Medias Res: Vor dem Paradies steht die Läuterung. Foto: Ursula Kaufmann/Ruhrtriennale
Meyoucycle: Im Untergrund entwickeln sich neue Lebensformen. Foto: Anne Van Aeschot
Autor:

Caro Dai aus Essen-Werden

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