Praxis geschlossen: Putzfrau übergibt Patientenakten in Altenessener Garage

Nur die weißen Kittel an der Wand erinnern vage an eine Arztpraxis. In einer Garage wurden die letzten Patientenakten übergeben - durch die Putzfrau.
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Zu einer ungewöhnlichen Praxisverlegung kam es in Altenessen. Was manche Patienten verärgert, sieht der Arzt eher als unproblematisch an. Teils sei es einfach aus der Not geboren worden - zum Beispiel die Übergabe von Patientenakten in einer Garage.

Die Garage steht auf einem Hinterhof in Altenessen, darinnen kein Auto, sondern ein Gartenstuhl, ein Tisch und darauf Stapel von Akten. Das Garagentor steht offen, davor lärmt die Kreissäge zweier Handwerker. Immerhin hat der Regen aufgehört, so dass die Patienten, die ihre Unterlagen abholen wollen, nicht mehr nass werden.
Es handelt sich quasi um den letzten Rest einer Arztpraxis, die sich jahrelang im Haus an der Straße befand. Mehr wie Dekoration hängen weiße Kittel an der Garagenwand. Die vom Arzt entsandte Mitarbeiterin, die die Akten aushändigt, ist nicht weiß gekleidet. Reinigungskräfte - als eine solche war sie in der Praxis tätig - sind das selten.

Weiße Kittel wie zur Deko an der Wand

Die Stimmung unter den Patienten, die gekommen sind, um Akten abzuholen, ist nicht gut. Grund ist nicht nur der Übergabeort. So mancher kommt vergebens und erhält nur die Auskunft, seine Unterlagen befänden sich in Kray. In die dortige Einrichtung eines anderen Arztes hat der Altenessener Allgemeinmediziner seine Praxis verlegt.

Diverse Patienten hat die Schließung in Altenessen überrascht. Vor Ostern sei lediglich Urlaub angekündigt worden. Nach Ostern habe man dann vor verschlossener Tür gestanden, an der die Information prangte, die Praxis sei nach Kray verlegt. „Dabei war uns doch gesagt worden: Kommen Sie in drei Wochen wieder“, moniert eine Patientin gegenüber dem Nord Anzeiger. „Es gab Leute, die kamen mit dem Taxi, standen mit dem Rollator vor der Tür und wussten von nichts“, berichtet ein Anwohner.

Schließung kam für viele überraschend

Der Altenessener Arzt kann den Unwillen verstehen, erklärt aber, er habe nicht anders handeln können: „Die Sitzung des Zulassungsausschusses der Kassenärztlichen Vereinigung Nordrhein, der ... die Verlegung genehmigen muss, fand gerade am Mittwoch, 27. März, von ca 15 bis 20 Uhr in Düsseldorf statt.“ Erst nach der Sitzung habe er die Patienten informieren dürfen. Dafür blieb dann gerademal der Gründonnerstag.
Warum aber überhaupt die Übergabe vor Ort? Der Mediziner betont, er habe den allergrößten Teil der Patientenkarteien (Aufbewahrungspflicht zehn Jahre) seinem Krayer Nachfolger übergeben. Nur ca. hundert habe er vor-übergehend behalten. Es seien insbesondere Akten von „älteren, gebrechlichen und schwer beweglichen Patienten“. Ihnen habe er „die Karteikarten persönlich nach Hause gebracht, einen Teil mit der Post geschickt“.
Für den verbleibenden Teil der Unterlagen habe er eine langjährige Mitarbeiterin gebeten, die Patienten anzurufen und die Übergabe in den ehemaligen Praxisräumen anzubieten. Fliesenarbeiten, die am vereinbarten Tag dort vorgenommen wurden, hätten das jedoch unmöglich gemacht. Die Garage war daher eine Notlösung.
Dass mancher vergeblich kam, lag an der Altenessener Mund-zu-Mund-Propaganda. Wer hörte, dass Patientenkarteien abgeholt werden konnten, ging hin - auch ohne vorher angerufen worden zu sein.

Ärztekammer nennt das Vorgehen "sehr problematisch“

Aber darf eine Reinigungskraft mit derart vertraulichen Unterlagen umgehen, die noch dazu nicht in verschlossenen Umschlägen ausgehändigt wurden? Dr. Dirk Schulenburg, Justitiar der Ärztekammer Nordrhein, betont: „Aushändigen darf nur, wer der Schweigepflicht unterliegt.“ Der Altenessener Allgemeinmediziner sieht das anders. Die Mitarbeiterin sei als „eine legale Angestellte, wenn auch als Raumpflegerin,“ an die Schweigepflicht gebunden.
Dr. Schulenburg widerspricht. Nur die „berufsmäßig tätigen Gehilfen“ hätten Einsichtsrecht in Patientenakten. Eine Reinigungskraft, auch eine angestellte, zähle nicht dazu. Das Altenessener Vorgehen nennt er „sehr problematisch“.

Nur die weißen Kittel an der Wand erinnern vage an eine Arztpraxis. In einer Garage wurden die letzten Patientenakten übergeben - durch die Putzfrau.
Autor:

Sabine Pfeffer aus Essen-Kettwig

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