Leitbild Erholungswald

Norbert Bösken neben einem rot markierten Fällkandidaten am Hang im Ludwig-Kessing-Park. Der Baum ist krank, leidet an einem sogenannten "Druckzwiesel" (erkennbar an der Gabelung des Stammes), die letztlich zur Instabilität des Baumes  führt. Foto: ms
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  • Norbert Bösken neben einem rot markierten Fällkandidaten am Hang im Ludwig-Kessing-Park. Der Baum ist krank, leidet an einem sogenannten "Druckzwiesel" (erkennbar an der Gabelung des Stammes), die letztlich zur Instabilität des Baumes führt. Foto: ms
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„Ein naturbelassener Wald wäre bald mit braunem Laub bedeckt und hätte geschlossene Kronen, durch die kein Licht hindurch dringt. Da gäbe es keinen Neuwuchs.“

Diplom-Forstingenieur Norbert Bösken von Grün und Gruga erklärt den Anwesenden, wie es gerade nicht sein soll in Essens Wäldern. Gut zwei Hände voll Interessierte waren zum Ortstermin des städtischen Eigenbetriebs in den Ludwig-Kessing-Park in Überruhr gekommen.
Wohlweislich hatte Grün und Gruga den Termin anberaumt, da, sobald die Waldarbeiten starten, immer wieder Bürgerbeschwerden kommen. „Sobald ich die Motorsägen höre, krieg‘ ich zuviel“, bekennt ein älterer Besucher. Ein bisschen Überzeugungsarbeit muss Förster Bösken an diesem Nachmittag schon leisten, auch wenn der Besuch in der Überruhrer „Parkanlage mit Waldbeständen“ ansonsten sehr friedlich verläuft.
In den nächsten Wochen wird das Motorsägen-Geräusch kommen, denn Grün und Gruga führt bis Ende März 2011 sogenannte „Durchforstungsarbeiten“ in den Wäldern des Stadtgebietes durch. „Aber muss denn wirklich gefällt werden?“, fragt eine Anwohnerin. Wie sie haben auch andere Anwesende den Eindruck, es würde stets nur abgeholzt, nicht aber aufgeforstet.
Und ja, es muss gefällt werden: Gefahrenbäume, die an Wegen, Schulen, Kindergärten und Eigentumsgrundstücken durch Krankheit zu einer ernsten Gefahr werden können; aber auch gesunde Bäume kommen unter die Säge. „Gesunde Bäume werden ganz gezielt gefällt“, erläutert Norbert Bösken. Das sei nötig für die Gesundheit und Stabilität eines „Erholungs-Dauerwaldes“ - ein Leitbild, dem der städtische Eigenbetrieb Grün und Gruga folgt. Norbert Bösken: „Im idealen Erholungs-Dauerwald wird eine gesunde Mischung aus alten, mittelalten und jungen Bäumen angepeilt.“ Fällungen seien wichtig, damit Licht in den Forst gelangt und junge Bäume nachwachsen, mittelalte Bäume gesund weiterwachsen können und so ein dauerhafter Wald gesichert ist. Darüber hinaus dienen verbleibende Alt- und Totholzbestände Insekten als Lebensraum.
Mit roter Sprühfarbe sind die „Fällkandidaten“ im Ludwig-Kessing-Park und den übrigen Waldgebieten der Stadt gekennzeichnet (Straßenbäume tragen gelbe und grüne Markierungen). „Die meisten Bäume, die wir fällen, sind gesund“, räumt Förster Bösken ein. Eben, um Licht in den Wald zu bringen, aber auch, um Verkehrswege zu sichern und Waldarbeiten erst möglich zu machen: „Die­se wunderschöne Altbuche wird gefällt werden“, erläutert Bösken und deutet auf einen gesunden Baum. „Es gibt sonst keinen Grund zum Fällen, als dass wir mit unseren Maschinen hier ranmüssen. Die Wege müssen maschinenpflegbar sein, das ist preiswerter.“ Der Baum steht gegenüber dem Steilhang im Kessing-Park. Dieser soll aus Sicherheitsgründen umstrukturiert werden: mehr stabile Bäume zur Festigung des Hangs und Brombeerbüsche als Fallschutz. „Temporär wird es hier neue Sichtachsen ins Ruhrtal geben“, kündigt Andreas Bergknecht, Sachgebietsleiter des Grünflächenbetriebs Süd-Ost bei Grün und Gruga, an und erntet verhaltene Begeisterung bei den Besuchern. Vielleicht eine kleine Wiedergutmachung für die eine oder andere „schmerzhafte Maßnahme“ (Bösken), die Grün und Gruga aufgrund der desolaten Haushaltslage umsetzten muss. So wird im Kessing-Park der Weg, der rechts vom Haupteingang beginnt, bis zum Spielplatzschild gesperrt werden. „Eine Instandsetzung des Weges würde 90.000 bis 100.000 Euro kosten“, berichtet Bösken. Geld, das die Stadt derzeit nicht hat.
Der ältere Besucher ist auch am Ende der Wanderung nicht recht überzeugt von den Durchforstungsplänen der Behörde, vermutet hinter der Abholzung Profitdenken und Kahlschlagbetrieb. Wahr ist, das Holz gelangt in den Handel - für den Möbelbau, als Baustoff und auch als Brennholz.

Selbstaussaat

Dabei unterliegt der Essener Holzanbau dem FSC-System nachhaltiger Forstwirtschaft. Förster Bösken entgegnet dem Kritiker: „Wenn man 100 Jahre warten würde, bis hier alles zusammenfällt - das wäre ein Kahlschlagbetrieb.“ Vor acht Jahren sei im Kessing-Park zuletzt gerodet worden. Bösken: „Es wurde nichts neu gepflanzt, alles hier hat sich selbst ausgesät.“ Denn: „Im Wald ist immer was los! Er verjüngt sich ständig. Massenweise kommen Bäume nach.“ Entscheidend, so der Forstingenieur, sei nicht die Höhe oder das Alter der Bäume, sondern die Menge der Blattmasse (Phytomasse). „Wir denken in Strukturen, die nicht auf einen Baum isoliert sind“, so Bösken. Und sei dieser Baum auch eine hundertjährige Buche...

Autor:

Melanie Stan aus Essen-Ruhr

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