100 Jahre in Überruhr! Ein Haus - eine Familiengeschichte

Familie Latzberg liebt ihr 100-jähriges Haus heiß und innig. Fotos: nico
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In Hinsel und in Holthausen schreiben die zwei Bauernschaften das Jahr 1801. Sie gehören zum Damenstift Rellinghausen, dorthin müssen die Bewohner auch zur Kirche gehen. So sind die meisten Bauern Überruhrs Lehnsabhängige des Stiftes.

Nach der Säkularisation im Jahr 1802 werden die Bauern frei und die Ortschaften entwickeln sich durch die Zuwanderung von Bergleuten. In den nachfolgenden fünf Jahrzehnten entsteht spärlicher Wohlstand und der „Mann mit dem Pferd und dem Wagen auf der Straße“ wird geboren.
So in etwa erzählt Werner Latzberg die Geschichte seines Großvaters. Der war Fuhrmann und reiste oft von Wuppertal nach Essen, genauer: nach Überruhr. „Mein Großvater übernahm das Haus, in dem ich heute mit meiner Familie lebe, von einem Malermeister“, erzählt Latzberg. Das war im Jahr 1922.
In diesem Jahr nun feiert die Familie das 100-jährige Bestehen des Baus, der mittlerweile einige Restaurierungen hinter sich hat.

Zu tun gibt es immer was

Zu tun gibt es nämlich immer etwas: Ob ein neuer Anstrich für die Treppe, die Renovierung des Schuppens oder der Umbau der Fassade - der rüstige Rentner macht alles in Eigenregie. „Ich habe mir die handwerklichen Fähigkeiten selbst angeeignet, konnte viel durch Zusehen lernen.“ Als kleiner Junge baute Latzberg das erste Mal etwas, einen Hühnerstall. „Damit es Eier zu essen gab“, erinnert er sich.
Auch die Familie unterstützt Latzberg, Zusammenhalt wird in dem alten Gemäuer groß geschrieben. Etwas Besonderes hat sich die Familie für den Hauseingang einfallen lassen: Dort prangt ein Schriftzug in großen Lettern, natürlich eigenhändig angepinselt. „Die Schatten sollen das hohe Alter des Hauses symbolisieren“, so Latzberg.

Die 100-Jahrfeier begingen die Latzbergs dann mit einem großen Fest, bei dem auch die Nachbarn nicht fehlen durften. „Das ist für mich das Besondere an Überruhr, die Nachbarschaft hält zusammen“, so Latzberg. Eine Nachbarin brachte sogar eine uralte Flasche Sekt mit, passend zum Haus. „Der Sekt hat sogar noch geschmeckt“, schmunzelt die Schwiegertochter Bianca Weiß, die mit Mann und Kind auch hier wohnt.
Doch bevor es mit dem Feiern losging, wurden Einladungen erstellt (Metallkarten in Form eines Hauses), das Haus festlich dekoriert und vor allem: recherchiert. Die Familie begab sich auf Spurensuche. Fündig wurde sie unter anderem im Bauaktenarchiv der Stadt Essen, auch das Grundbuch im Amtsgericht Steele half weiter. „Wir haben bestimmt über 200 Stunden nachgeforscht, um die Geschichte des Hauses lückenlos zu rekonstruieren“, erzählt Ute Weber, Werner Latzbergs Lebensgefährtin.

„Ein Neffe hat sogar eine Ahnentafel erstellt, darauf lässt sich die gesamte Familienchronik bis ins Jahr 1787 zurückverfolgen“, sagt Latzberg stolz.
Heute leben in dem alten Haus drei Generationen, auch ein Mieter beherbergt das Gebäude mit Geschichte. „Ich wohne schon mein ganzes Leben hier in Überruhr. Mir gefällt es einfach zu gut hier“, lacht Werner Latzberg. Dass sich schon sein Großvater hier wohl fühlte, belegen Postkarten und Briefe aus alten Zeiten, die bei der Recherche zu Tage kamen. Insgesamt hat die Familie ca. 800.000 Euro in das Haus gesteckt, aber ein paar Sachen müssen noch gemacht werden. „Wir sparen gerade für eine Erneuerung des Daches“, erklärt Ute Weber. Das nächste Projekt lässt also nicht lange auf sich warten.

„Mein größter Wunsch ist es, wenn das Haus in Familienbesitz bleibt“, sagt Werner Latzberg. Dabei schaut er sich im Flur um und verdrückt eine kleine Träne. Er kann zufrieden mit seinem Werk sein. Die 100-Jahrfeier geht weiter, getüftelt wird sowieso.

Autor:

Niklas Cordes aus Essen-Ruhr

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