“Die SPD ist keine Arbeiterpartei, sie dient den Interessen der Großkonzerne”

Am vergangenen Freitag hat der Bundestag das Gesetz zur Tarifeinheit verabschiedet. Nur Linkspartei und Grüne haben es bis zum Schluss abgelehnt. Ich sprach mit Niema Movassat, Bundestagsabgeordneter der Linken aus Essen, über die Folgen des Gesetzes für Gewerkschaften und darüber, wie man sich dagegen wehren kann. Er meint: “Die Büchse der Pandora wurde mit diesem Gesetz geöffnet.”

Daniel Kerekeš: Du hast im Bundestag gegen das Gesetz gestimmt, warum?

Niema Movassat: Weil das Tarifeinheitsgesetz ein Frontalangriff auf das Streikrecht in Deutschland ist. Dabei ist es ein Grundrecht streiken zu dürfen, verankert in Art. 9 Abs. 3 Grundgesetz. Ich denke, wir haben nicht zu viele, sondern zu wenige Vorschriften die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer schützen und ihnen Rechte geben. Deshalb werde ich niemals einem Gesetz zustimmen, dass die Rechte der arbeitenden Bevölkerung versucht einzuschränke

Was ist das genaue Problem mit dem Gesetz?

Die Befürworter behaupten, das Gesetz würde Streiks ja nicht verbieten und zudem würden auch Gewerkschaften frei weiterarbeiten können. Aber: Streiks sind nach diesem Gesetz nur noch dann zulässig, wenn sie auf den Abschluss eines Tarifvertrages gerichtet sind. Durch das Tarifeinheitsgesetz gilt aber in einem Betrieb immer der Tarifvertrag, den die mitgliederstärkste Gewerkschaft abgeschlossen hat. Folge: Mitglieder kleinerer Gewerkschaften können praktisch nicht mehr streiken, da ihre Gewerkschaft keine Tarifverträge abschließen kann.

Wieso hat die SPD, die sich ja durchaus als gewerkschaftsnahe Partei versteht, für dieses gestimmt?

Es ist ja nicht nur so, dass die SPD dafür gestimmt hat! Andrea Nahles, die Arbeitsministerin, ist ja SPD-Mitglied und sie hat dieses unsägliche Gesetz dem Bundestag vorgelegt! Die SPDler stehen zumeist den großen Gewerkschaften nahe und einige dieser größeren Gewerkschaften sind für dieses Gesetz, zum Beispiel der Dachverband DGB. Denn das Tarifeinheitsgesetz wird vor allem die kleinen Spartengewerkschaften wie die GDL treffen. Schlussendlich muss man sagen: Die SPD ist keine Arbeiterpartei, sie dient den Interessen der Großkonzerne. Die haben stets ein Interesse, Arbeitnehmerrechte zu verringern. Es passt einfach in die Logik einer arbeitnehmerfeindlichen Partei wie die SPD, die die Agenda 2010, Hartz IV, Rentenkürzungen, Senkung der Steuern für Reiche, Ausbau der Leiharbeit und vieles mehr zu verantworten hat.

Hat das Gesetz was mit dem Streik der GDL zu tun?

Der GDL Streik war im Prinzip der Anlass für das Gesetz, wobei entsprechende Ideen seit Jahren verfolgt werden. In der letzten Koalition unter schwarz-gelb kam kein Tarifeinheitsgesetz, weil die FDP dagegen war. Man hat nun den Zeitpunkt, da viele Bürgerinnen und Bürger verärgert über Bahnstreiks sind, genutzt, um dieses Gesetz durch den Bundestag zu peitschen. Dabei hat man gezielt darauf gesetzt, die legitimen und richtigen Forderungen der GDL zu diskreditieren und so eine öffentliche Stimmung gegen die Gewerkschaft zu erzeugen.

Was empfiehlst du den Menschen, die jetzt davon betroffen sind?

Protestieren und sich durch das Gesetz nicht einschüchtern lassen! Ich hoffe, dass die großen Gewerkschaften dem Vorbild von Verdi folgen, die sich ja zum Glück klar gegen das Tarifeinheitsgesetz ausgesprochen haben. Kein Gewerkschaftler kann ernsthaft wollen, dass die grundgesetzlich garantierte Koalitionsfreiheit eingeschränkt wird. Heute trifft es vielleicht die GDL, morgen schon kommt vielleicht das nächste Gesetz, dass die großen Gewerkschaften trifft. Die Büchse der Pandora wurde mit diesem Gesetz geöffnet. Dagegen muss es breiten Widerstand geben!

Wird die Linke vor dem Bundesverfassungsgericht klagen?

Wir können gar nicht klagen, dafür fehlt uns die notwendige Mehrheit im Bundestag, denn wir bräuchten ein Viertel der Abgeordneten für eine Normenkontrollklage. Grüne und LINKE, die beide dagegen gestimmt haben, haben aber gerade mal 20 % der Abgeordneten. Aber der Deutsche Beamtenbund (dbb), dem die GDL unter anderem angehört, hat bereits angekündigt zu klagen. Und ich bin eigentlich sehr sicher, dass das Tarifeinheitsgesetz grundgesetzwidrig ist und vom Bundesverfassungsgericht einkassiert wird.

Danke dir für das Interview.

Autor:

Daniel Kerekeš aus Essen

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