Essener Akzente auf der AWO-Bundeskonferenz

Klaus Johannknecht   Foto: Archiv

Sie haben Rederecht bei der Bundeskonferenz der Arbeiterwohlfahrt in Bonn. Welche Fragen werden Sie ansprechen?

Die Schere zwischen Armen und Reichen in unserem Land geht immer stärker auseinander. Es gibt kaum noch Vertreter einer gesicherten Mittelschicht. Was das für Probleme mit sich bringt, sieht die AWO in einer Spannbreite von der Betreuung in den Kindergärten bis hin zur Pflege in den Altenzentren. Ich frage mich angesichts vieler sozialpolitischer Entscheidungen, ob die verantwortlichen Politiker überhaupt noch die Bindung zur Basis haben. Weiß man dort, wie Familien mit nur einem Verdiener über die Runden kommen müssen? Hat man ein Bild von den alltäglichen Schwierigkeiten Alleinerziehender? Und vor allem: Können sich unsere Verantwortlichen in Politik und Gesellschaft überhaupt vorstellen, wie Altersarmut immer mehr um sich greift? Diese gesellschaftlichen Schwerpunktthemen werde ich ansprechen.

Treten solche wichtigen (AWO-) Themen z.B. vor dem Hintergrund der alltäglichen Euro-Diskussion nicht zu sehr in den Hintergrund?

Ich will es mal bewusst etwas überspitzt ausdrücken: Wie können wir denn jeden Tag neue Banken retten und die Gelddruckmaschine für ganz Europa anwerfen, während unseren nächsten Verwandten noch nicht einmal die Pflegestufe 1 zuerkannt wird? Viele Rentner müssen mit weniger als 700 Euro monatlich auskommen. Angehörige von Pflegebedürftigen, die ein Leben lang in die Kassen eingezahlt haben, streiten sich mit Gutachtern medizinischer Dienste um die Mindestversorgung herum. Nur alleine die Energiekostenerhöhung bringt Altenzentren und Kindergärten gleichermaßen in die Bredouille. Es ist an der Zeit, dass die Sozialpolitik hier eine klare Linie fährt, die auch vor Ort, z.B. in Städten wie Essen, zu greifbaren Verbesserungen führt. Soziale Gerechtigkeit für alle Menschen - was ist aus dieser Forderung Willy Brandts heutzutage geworden?

Welche kommunale Momentaufnahme nehmen Sie als Essener mit nach Bonn?

Essen ist leider ein Paradebeispiel dafür, wie Bundes- und Landespolitik eine Stadt in die soziale Enge manövrieren können. Die Kommune muss über Jahrzehnte Vorgaben aus der Bundespolitik erfüllen, bekommt dafür aber keine oder zu wenige Mittel aus dem Bundeshaushalt. Das ändert sich unter der Federführung von Ministerpräsidententin Hannelore Kraft auf Landesebene zum Glück gerade. Doch der ständige Sparzwang, Stichwort: politische Altlasten, führt aktuell zu Einschnitten bei der VHS, den Bibliotheken, Bürgerämtern etc. Wie soll das in den einzelnen Stadtteilen verkraftet werden? Da kann ein einzelner kontrovers diskutierter Bad-Neubau aucht nicht helfen. U.a. der AWO-Bundesverband hat die „Essener Erklärung 2010“ („Zusammenhalt stärken - Ausgrenzung verhindern“) auf Zollverein unterstützt. Es ist an der Zeit, diese Agenda zum sozialverträglichen Handeln im Sinne aller Einwohner endlich mit Leben zu füllen.

1976 trat Klaus Johannknecht in die AWO ein. Seit 32 Jahren gehört er dem Vorstand der AWO Essen an, davon 12 Jahre als Mitglied des geschäftsführenden Vorstands. Für sein vielschichtiges soziales Engagement erhielt er das Bundesverdienstkreuz am Bande.

Autor:

Detlef Leweux aus Essen-Steele

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