Wie sicher fühlen Sie sich in Essen?

Fast 5.000 Straftaten mehr im Jahr 2014, so sieht Essens Kriminalstatistik aus. Dabei werden von 100 Einbrüchen nur ca. 8 aufgeklärt.  Foto: Polizei Rhein-Erft-Kreis
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  • Fast 5.000 Straftaten mehr im Jahr 2014, so sieht Essens Kriminalstatistik aus. Dabei werden von 100 Einbrüchen nur ca. 8 aufgeklärt. Foto: Polizei Rhein-Erft-Kreis
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In Essen wurde es im vergangenen Jahr wieder „krimineller“. Die Polizei hat über 62.000 Straftaten gezählt, das sind fast 5.000 mehr als im Jahr zuvor. Vor allem die Einbruchszahlen steigen stetig.

Das macht der Polizei besonders Sorgen. Sie versucht in Kampagnen immer wieder darüber aufzuklären, wie man sich gegen Einbrüche schützen kann (der STADTSPIEGEL berichtete).
Landesweit sieht es seit 2013 so aus, dass sich die Aufklärungsquote nahezu halbiert und bei 13,6 Prozent stagniert. In der Ruhrmetropole liegt die Quote noch darunter bei gerade einmal 7,97 Prozent. Von 100 Wohnungseinbrüchen in Essen bleiben also etwa 92 unaufgeklärt.
Seit dem Frühjahr ist Frank Richter neuer Polizeipräsident für Essen und Mülheim. Von seiner Vorgängerin Stephania Fischer-Weinsziehr hat er kein leichtes Erbe übernommen. Sie setzte auf Wachenschließungen bzw. Einschränkungen der Bereitschaftszeiten am Wochenende und nachts (zuletzt in Steele und Borbeck). Dafür sollten mehr Polizeistreifen in den Stadtteilen unterwegs sein. Doch die oben genannten Zahlen aus der Kriminalitätsstatistik geben diesem Vorgehen keinesfalls Recht.
Im Gegenteil: Nach dem ursprünglichen Einsparungs-Modell der Ex-Polizeipräsidentin (ohne Borbeck und Steele) gäbe es in Essen und Mülheim für insgesamt 740.000 Einwohner nur noch 4 Polizeiwachen mit 24 h-Dienst. Dortmund (670.000 Einwohner) setzt auf 13 Anlaufstellen im 24 h-Dienst. Bochum/Herne/Witten (640.000 Einwohner) auf 8.

Das sagt NRW-
Innenminister Jäger

Laut Gewerkschaft der Polizei sind in den vergangenen 15 Jahren 16.000 Stellen bei der Polizei abgebaut worden. Ist Polizeiarbeit unter solchen Vorzeichen überhaupt noch durchführbar? Können wir uns im Alltag noch sicher sein? Dieser Fragenkomplex beschäftigte uns auch im STADTSPIEGEL-Interview mit NRW-Innenminister Ralf Jäger, das wir im vergangenen Jahr geführt haben. Nachfolgend Interviewauszüge zum Thema „Sicherheit“.

Ihre Kritiker werfen Ihnen vor, dass seit Ihrem Amtsantritt (Juli 2010) die Zahl der jährlichen Wohnungseinbrüche in NRW um 10.000 Einbrüche auf 54.000 Einbrüche pro Jahr angestiegen ist. In Essen liegt die Zahl mit 3.000 Einbrüchen jährlich auf Rekordniveau. Landesweit habe sich die Aufklärungsquote halbiert und stagniere bei nur 13,6 % (in Essen lag sie 2013 bei nur 7,97 %, somit blieben bei uns von 100 Wohnungs-Einbrüchen 92 ungeklärt). In diesem Zusammenhang wird Ihr Präventions-Programm kritisiert. Nicht die Bürger alleine sollen handeln / vorbeugen, sondern Sie sollen den Anteil der Kriminalpolizei am Gesamtpersonalstand erhöhen, der seit 30 Jahren unverändert ist.
Ralf Jäger: Diese CDU-Kritik an unserem Präventionsprogramm ist mir bekannt. Allerdings widerspricht sie sich selbst (Anm. d. Red.: Der Minister hält eine CDU-Wahlwerbung hoch.), indem sie feststellt: „Prävention ist das beste Mittel gegen Einbruch“. Von jährlich 1,48 Mio. Straftaten landesweit sind 2,5 % Einbrüche. Aber: Es geht hierbei nicht nur um den materiellen Schaden. Ein Einbruch stellt einen Eingriff in die Privatsphäre dar, viele Opfer sind traumatisiert. Deshalb setzen wir in NRW längst auf neue Strategien. Denn südosteuropäische Banden haben sich auf Einbrüche in NRW spezialisiert. Die Täter sind mobil, gehen für einen geringen Erfolg ein großes Risiko ein und können über unsere Autobahnen sehr schnell wieder aus den Großstädten verschwinden. Was die Täter nicht haben, ist Zeit. Deshalb sind präventive Maßnahmen z.B. bei der Fenster- und Türensicherung so wichtig. Zur Bekämpfung dieser Täter haben wir 16 Schwerpunktbehörden eingerichtet, Datenbanken angelegt und die Zusammenarbeit mit dem LKA optimiert. Wir fahren mehr Streife. Wir rütteln diese Szene auf, indem wir ganz gezielt verdächtige Kleintransporter bzw. Kfz-Typen kontrollieren - auch über Landesgrenzen hinweg. Seit Januar haben wir 379-mal zugeschlagen, 130 Täter sitzen in Haft. Aber die Bürger müssen auch gegenseitig auf sich achten. Sie sollten der Polizei verdächtige Aktivitäten bzw. Personen melden, auch das gehört zur Verbrechensvorbeugung.

Die Essen-Mülheimer Polizeipräsidentin Stephania Fischer-Weinsziehr schließt gerade mehr oder weniger zwei Essener Wachen (Borbeck / Steele) nachts und an den Wochenenden. Somit wären in E und MH für 740.000 Einwohner nur noch vier Wachen im 24 h-Dienst tätig. In Dortmund gibt es für 670.000 Einwohner 13 24h-Dienst-Wachen, in Bochum/Herne/Witten für 640.000 Einwohner 8 24h-Dienst-Wachen. Wie bewerten Sie die Essener Wachen-Schließungen vor diesem Hintergrund? Funktioniert Polizeiarbeit von Stadt zu Stadt so unterschiedlich?
Ralf Jäger: Nein, allerdings müssen die Entscheidungsträger vor Ort ganz genau und gemessen an den jeweiligen Rahmenbedingungen agieren. Dortmund mit Lünen und Umgebung ist daher nicht vergleichbar mit Essen und Mülheim. Polizeipräsidentin Fischer-Weinsziehr muss genau abschätzen, wie sie den Spagat zwischen dem subjektiven Sicherheitsgefühl der Bevölkerung mit rund um die Uhr besetzen Wachen und der Präsenz vor Ort in den Stadtteilen durch Streifen hinbekommt. Das hängt immer ganz besonders von der Personal-Situation ab. Die Polizei in den Revierstädten sollte in der Fläche Präsenz zeigen, schnell und variabel einsetzbar sein. Damit das gelingt, müssen die Verantwortlichen vor Ort die Lage ganz genau bewerten. Da gibt es kein „Schema X“ seitens des Innenministers, das muss lokal situationsbedingt angepasst werden.
Das gesamte Interview

Autor:

Detlef Leweux aus Essen-Steele

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