Kleine Reise in die Vergangenheit

Fotos: Debus-Gohl
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Nur ein Schritt durch die „Zaubertür“, schon verwandelt sich alles um einen herum in die Fünfziger, Sechziger und Siebziger Jahre. Dann noch eine Stufe runter, und es versetzt einen zurück in Zeiten des Rokoko und Biedermeier.

Nach vielen, unbefriedigenden beruflichen Stationen in seinem Leben, hatte Christian Wegmann (34) mal wieder eine neue Idee. Er wollte einen Ebay-Shop eröffnen. Aber schon bei der Suche nach den passenden Räumlichkeiten, warf er diesen Plan wieder über Bord.
„Ich habe eine Lehre zum Industriekaufmann gemacht, dann ein Studium in Betriebswirtschaften abgeschlossen. Nach einer kurzen Zeit als Projektmanager und nach einem Ausflug in die Marketingabteilung von Hugo Boss in Australien, habe ich schnell gemerkt, das macht mich alles nicht glücklich“, erzählt der Mitdreißiger.
Und das Glück im Berufsleben ließ sich auch weiterhin nur schwer finden. Nach einem abgebrochenem Medizinstudium, kam Wegmann die Idee, die sein Leben verändern sollte: Design Klassiker übers Internet verkaufen. Ein eigener Ebay-Shop sollte es werden.

„Ich hege schon seit ich denken kann eine Leidenschaft für Vintage und alten Kitsch. Ich kann es nicht haben, wenn schöne alte Dinge einfach weggeschmissen werden. Also dachte ich mir: aufbereiten und weiterverkaufen.“
Trotz des gut durchdachten Planes, kam dann alles ganz anders.
Als Wegmann die Räumlichkeiten von knapp 300 Quadratmetern Stellplatz und 40 Meter Schaufenster Front, am Germarkenplatz besichtigte, war es Liebe auf den ersten Blick. Viel zu schade um die „Schätze“ hier nur zu lagern, dachte sich der Jungunternehmer und prompt wurde aus dem ehemaligen Fernsehergeschäft, Wegmann`s „Platz.Hirsch“.
„Der Punkt zwischen Platz und Hirsch ist sehr wichtig. Der Name soll nicht meinen, dass ich jetzt den "Breiten" mache, sondern meinen Bezug zum Gemarkenplatz auf der einen Seite und dem Hirsch als Symbol für alles Gediegene auf der anderen Seite verdeutlichen“, schmunzelt der Ladenbesitzer.
Im April wurde der Laden eröffnet. Von der Sofa-Garnitur, über Lampen bis zum Aschenbecher, Wegmann sucht alle seine „Schätzchen“ selber aus. Entweder findet er etwas auf den Flohmärkten dieser Welt, im Sperrmüll, bei Wohnungsauflösungen, oder Leute bringen ihm etwas auf Kommission.
„Ich möchte die wertvollen Einzelstücke an echte Liebhaber weitergeben“, schwärmt der junge Nostalgie-Liebhaber.

Die Kunden, die in den Laden kommen fühlen sich schnell in die Vergangenheit zurück versetzt. Wegmann stellt seine Möbel, Bilder, Plattenspieler und alles Andere nicht einfach querbeet in den Raum. Er baut kleine Kulissen. In der einen Ecke leben die Fünfziger im Wohnzimmer mit Nierentisch auf, ein Stück weiter und schon sitzt man am Küchentisch der schrillen Siebziger. Und eine Stufe weiter runter, fühlt sich jede Frau auf dem Kanapee Sofa wie eine Prinzessin der Antike.
„Ich möchte das die Leute sich hier wohl fühlen und die Story der Gegenstände hier spüren“, erklärt Wegmann.
Und diese Geschichten sind vielfältig.
„Bis vor kurzem hatte ich zum Beispiel ein goldenes Telefon hier. Das gehörte dem Besitzer des ehemaligen „Club David“ in Rüttenscheid. Das Ding war so kitschig, dass es schon wieder Kult war. Nach ein paar Tagen war es verkauft.“
Auf seinen "Schatzsuchen", ist Wegmann immer wieder auf alte Kleidungsstücke, Schmuck und Accessoires gestoßen.
„Die Kleidung in den Platz.Hirsch zu hängen fand ich unpassend. Aber zurücklassen wollte ich sie auch nicht.“

Darum mietete er kürzlich, direkt nebenan, noch einen Raum an. Bei „Reh.belle“ hängen extravagante Cocktailkleider der Fünfziger, bunte Seventys Oberteile oder Omas schönste Perlenketten und warten auf Abnehmer.
„Oft haben die Teile von früher, sowohl Möbel, als auch Kleidungsstücke eine viel hochwertigere Qualität als die Sachen, die heute produziert werden. Und das Beste: Wiederverwertung schont auch die Umwelt“, so Wegmann.
Besonders entzückend: Kürzlich verkaufte Wegmann ein Kleid aus den Fünfzigern, Größe 34, an ein junges Mädchen. Sie wollte es zum Abi-Ball tragen. Das Kleid hing gerade einen Tag im Laden. Es gehörte einer alten Dame. Sie trug das Kleid beim ersten Date mit ihrem Mann und bewahrte es 60 Jahre lang auf.
„Das war eine ganz besondere Kostbarkeit. Die alte Dame hat sich gewünscht, dass es ihrer Nachfolgerin genauso viel Glück in der Liebe bringt, wie ihr Selbst.“
Wie kleine Märchen, die Geschichten aus dem Nostalgie-Lädchen.

Fotos: Debus-Gohl

Autor:

Laura da Silva aus Gelsenkirchen

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