Schnee erleben im winterlichen Naturpark Nagelfluhkette

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Während der Winter sich in weiten Teilen des Landes nicht von seiner besten Seite zeigt, freuen sich die Touristenorte im Allgäu über beste Schneeverhältnisse. Trockenes kaltes Wetter schafft beste Bedingungen für Wintersportler. Der Schnee sorgt nicht nur für malerische Bilder, sondern schafft auch vielfältige touristische Möglichkeiten. Das Spektrum reicht vom gemütlichen Schneespaziergang auf dem Panoramaweg über Schneeschuhtouren bis hin zu einer halsbrecherischen nächtlichen Rodeltour. Genießen kann man neben der Kulturlandschaft, den Bergen und dem Schnee auch die gastronomischen Angebote, die über Allgäuer Kässpatza weit hinausgehen.

Wer mit der Bahn oder dem Auto in den Allgäu reist, sieht schon auf dem Weg wie die Landschaft zunehmend hügeliger und weißer wird. Zwischen Wäldern, Wiesen und Seen sind kleinere und größere Ansiedlungen und Ortschaften zu sehen. Eine davon ist das Städtchen Immenstadt. Am Ufer des Alpsees liegt dort das AlpSeehaus, das Besucher in die Geschichte und die Natur der Region einführt. Das Team des Hauses zeigt den Gästen multimedial aufbereitete Informationen über den Naturpark Nagelfluhkette und seine Tier- und Pflanzenwelt. So erfährt man, dass das Auerhuhn zu den in dieser Gegend bedrohten Tierarten gehört und dass deshalb besondere Schutzgebiete eingerichtet wurden. Auch viele andere Tiere und Pflanzenarten brauchen Schutz und sollen von Touristen und Einheimischen zum Beispiel in der Brutzeit oder im Winter möglichst wenig gestört werden. „Wir laden dazu ein, das Herz ein Stück weit an die Natur zu verlieren“, gibt mir ein örtlicher Experte mit auf den Weg und wirbt für die schonende Nutzung der Natur. Trotzdem bietet die Gegend vielfältige Freizeitmöglichkeiten in der Natur. Ich habe mich für eine geführte Schneeschuhwanderung entschieden. Die Schneeschuhe werden unter die normalen Wanderschuhe geschnürt und sorgen durch die größere Oberfläche und eingebaute Spikes dafür, dass weder tieferer Schnee noch leichte Anstiege ein Problem sind. Abgerundet wird die Winterausstattung durch Gamaschen, die dafür sorgen, dass kein Schnee zwischen Hose und Schuhe gerät sowie durch Handschuhe und Wintermütze. Dann kann es losgehen. Mit dem Tourguide fahre ich mit dem Sessellift der Alpsee-Bergwelt den Berg hinauf. Oben liegt deutlich mehr Schnee als im Tal, das ich unter mir teils hinter Wolken versteckt sehe. Doch der Blick geht nach vorne. Vorbei an Klettergarten, Rodelbahn und der Gastronomie „Bärenfalle“ geht es zunächst über Wege später aber auch durch tiefen Schnee in die Berge. Während die ersten Meter auch für ungeübte Urlauber leicht zu gehen sind, wird es mit der Zeit anstrengend. Zunächst merke ich das daran, dass mir in der Bergsonne immer wärmer wird. Mütze, Handschuhe und andere Kleidungsstücke verschwinden im Rucksack, kalte Getränke werden zur Kraftquelle auf dem Weg. Belohnt werde ich mit eindrucksvollen Ausblicken in die Berge und in der Sonne glitzernden Schneefeldern. Soweit das Auge reicht ist oben in den Bergen alles schneeweiß, lediglich die dunklen Bäume und der blaue Himmel durchbrechen diese Farbgebung.

Schneewanderung durch die verschneite Natur

Obwohl es in den Bergen so schön ist, begegnen mir nur hin und wieder andere Urlauber. Manche sind wie ich auf Schneeschuhen unterwegs, andere bei einer Skitour unterwegs durch die in weiten Teilen unberührte Schneelandschaft. Begleitet werde ich auf der Schneewanderung von Wolfgang Schmid. Der von der Region begeisterte Mann hat in den letzten Jahrzehnten Skigebiete auf aller Welt bereist und war über mehrere Jahre als Guide in Russland beschäftigt. Dort begleitete er zahlungskräftige Touristen, die sich von Hubschraubern zum „Freeriding“ zu schneebedeckten Gipfeln bringen ließen. Im Allgäu lässt er es sanfter angehen und hat in erster Linie die Sicherheit seiner Gäste im Blick. Schneetouren bleiben deshalb in der Regel in Gebieten mit weniger als 30 % Steigung, in denen zum Beispiel keine Lawinen drohen. Dass „Wolfi" gut mit Gästen kann, zeigt sich immer wieder während der Tour. An schwierigen Stellen bietet der Guide eine helfende Hand und auch bei den Pausen hat er die Kondition seiner Gäste im Blick. Nach einer Einkehr im Naturfreundehaus, in dem ein warmes Mittagessen mir neue Kraft gibt, sind noch einige Höhenmeter zu bewältigen bis zur Alpe Mittelberg. Diese liegt auf 1.370 m über dem Meeresspiegel. Sie ist eine von über 500 Alpen im Naturpark, auf denen rund 14.000 Jungrinder und 3.000 Milchkühe den Sommer verbringen. Im Winter bietet die Alpe zumindest an den Wochenenden für müde Wanderer Restauration und eine Übernachtungsmöglichkeit an. Schon von weitem sehe ich das Haus, aus dessen Fenstern Kerzenlicht flackert. Einen letzten, langen Aufstieg über einen schneebedeckten Hang muss ich schaffen, bis ich die Tür der Alpe erreiche. Diese führt in einen dunklen Gang und sieht auf den ersten Blick gar nicht einladend aus. Schon will ich nach einem anderen Eingang suchen, doch da entdecke ich in der Dunkelheit einen Mann. Er lädt mich ein, meine Schneeschuhe und die zugehörigen Stöcke abzulegen und ihm ins Haus zu folgen. Mit jeder Tür, die ich hinter mir lasse, wird es wärmer. Schließlich stehe ich vor einem Ofen, in dem Holzscheite brennen. In diesem Raum ist es warm genug, um meine Winterkleidung abzulegen, zu rasten und wieder aufzutauen. Später serviert der Hüttenwirt in diesem Raum Allgäuer Kässpatza und erfrischende Getränke. Obwohl die Alpe fernab von der Ortschaft liegt, füllt sich die mit riesigen Kuhglocken und gestickten Sinnsprüchen dekorierte Gaststube bis auf den letzten Platz. Die meisten der Gäste sind Einheimische, die das schöne Wetter für eine abendliche Vollmondwanderung auf die Alpe genutzt haben.

Über Nacht auf der Alpe Mittelberg

Während die Allgäuer am Abend den Abstieg ins Tal planen, habe ich mich für eine Übernachtung entschieden. Im Rucksack habe ich deshalb neben einem Hüttenschlafsack auch eine starke Taschenlampe. Die hilft nicht nur in der Natur, sondern auch im spärlich beleuchteten Haus. Anders als andere Hütten ist die Alpe Mittelberg nicht nur mit Toiletten und Schlaflagern, sondern auch mit einem Badezimmer mit warmem Wasser ausgestattet. Das ist gut, denn der eigentliche Schlafraum ist nur minimal geheizt. Ich habe Glück, dass das Nachtlager neben mir frei bleibt und ich deshalb nicht nur zwei kleine Kissen, sondern auch zwei wärmende Bettdecken habe. Eine einzige hätte in Verbindung mit dem dünnen Hüttenschlafsack nicht für eine komfortable Nachtruhe gereicht. Am nächsten Morgen geht es früh wieder los. Dass ich mein Handy in der Alpe mangels Steckdosen nicht laden kann, ist nicht schlimm, denn hoch oben in den Bergen hätte ich auch mit vollem Akku keinen Empfang. Nach einem Frühstück mit Käse aus eigener Produktion, Wurst und süßen Aufstrichen wird es Zeit die Schneeschuhe wieder anzuziehen. Wir gehen durch ein seit dem letzten Schnee kaum besuchtes Seitental. Den Berg hinauf geht es bis zum Grat, der nicht bewaldet ist und einen guten Ausblick ins Tal bietet. Der Weg durch den Schnee führt durch den Bergwald, kleine Hügel hinauf und über eine vereiste Brücke über einen Gebirgsbach. Am Wegesrand biegen sich die Tannen unter der Last des Schnees. Als ich später wieder oberhalb des Sessellifts stehe, entscheide ich mich für einen schnellen Abstieg ins Tal. Während andere Wanderer den Weg über den Grat in Richtung Oberstaufen fortsetzen, gehe ich am Rand der Piste und über einen in Serpentinen ins Tal führenden Weg zurück zum Ausgangspunkt der Wanderung. Von dort geht es dann komfortabel weiter nach Oberstaufen.

Schlittenfahren und mehr in Oberstaufen

Der Ort kommt mit 8.000 Gästebetten im Jahr auf 1,4 Millionen Übernachtungen. Diese verteilen sich auf Bauernhöfe, Appartements und Hotels aller Preisklassen. Eine ganze Reihe der Gastgeber bietet seinen Gästen die „Oberstaufen Plus"-Karte an. Diese ist im Übernachtungspreis enthalten und gibt den Gästen die Möglichkeit öffentliche Verkehrsmittel, Bergbahnen und viele andere touristische Angebote zu nutzen. Davon profitieren auch die Gäste des Lindner Parkhotels. Das Haus direkt am Kurpark punktet mit schön ausgestatteten Zimmern und einem attraktiven Wellnessbereich. Besonders sehenswert ist die Spa-Suite, ein mit Whirlpool, Massageliegen und einer Sauna ausgestatteter privater Bereich, der besonders gern von Paaren gemietet wird. Für alle anderen Gäste bietet das Hotel einen kleinen Pool und verschiedene Saunen an. In einer davon genieße ich den Tag nach der Rückkehr aus dem Schnee. Doch ganz lassen vom Schnee kann ich nicht in der malerischen Kulisse der Berge. Als es schon dunkel ist, mache ich mich auf zur Talstation der Imberg-Bahn. Bis 21 Uhr kann man dort mit eigenen oder geliehenen Schlitten auf einer drei Kilometer langen, beleuchteten Rodelbahn ins Tal rasen. Auf den Berg fahre ich mit einer modernen Kabinenbahn. Jeder Kabine bietet genug Platz für sechs Gäste und ihre Schlitten. Oben angekommen fällt die Wahl nicht leicht: Gleich hinab ins Tal oder zunächst Einkehr in der gemütlichen Wirtschaft. Ich entscheide mich für die rasante Fahrt ins Tal. Schon auf den ersten Metern nimmt der nagelneue Schlitten schnelle Fahrt auf, doch da die Bahn breit und gut präpariert ist, finde ich schnell heraus, wie man den Rodel steuert und bremst. Während ich noch lerne mit dem Schlitten umzugehen, rasen links und rechts von mir juchzende Rodler aller Altersklassen ins Tal. Die abwechslungsreiche Bahn hat flachere und steilere Abschnitte und eignet sich sowohl für vorsichtige Rodler als auch für Adrenalinjunkies. Als ich nach einigen Minuten und einer letzten steilen Strecke im Tal ankomme, fahre ich gleich wieder nach oben. Im gemütlichen Imberghaus genieße ich mein Abendessen. Dazu spielen zwei Musiker stimmungsvolle Lieder. Zur Freude der Gäste greifen sie später nicht nur zum Akkordeon, sondern auch zu einem überdimensionalen Alphorn. Erst kurz bevor die Bahn schließt, kann ich mich losreißen und brettere erneut ins Tal. Da ich die Strecke schon etwas kenne, bin ich bei der zweiten Abfahrt wagemutiger. Ans Bremsen erinnert mich ein zu schneller Schlitten, der in einer steilen Kurve durch den Sicherheitszaun gefahren ist. Ein kurzer Stopp verschafft die Gewissheit, dass der Rodler mit dem Schrecken davon gekommen ist. Im Tal kann ich mich kaum von meinem Schlitten trennen, so begeistert bin ich von dem schnellen Gefährt und dem nächtlichen Abenteuer.

Wintersport für Einsteiger: Spaziergang im Schnee

Auf dem Weg zurück zum Hotel werde ich auf einen Skiverleih aufmerksam, in dem am späten Abend noch Licht brennt. Ich halte an „Olis Bikeshop" an und treffe Inhaber Oliver Presser, der mit Gästen seiner Tagestour auf die erfolgreiche Schneetour anstößt. Bevor ich meine Langlaufski für den nächsten Tag mitnehmen kann, zeigt der Inhaber einige seiner Videos, die er für die Gäste seiner geführten Touren filmt und produziert. Nach dem Frühstück wartet am nächsten Tag Naturparkführer Theo Palecek auf mich. Er führt seine Gäste im Auftrag des Tourismusbüros durch die Natur rund um Oberstaufen. Im Winter können die Gäste auch ohne besondere Kondition über einen Premium-Wanderweg spazieren. Der Weg erfüllt besondere Kriterien sowohl in Bezug auf den Ausblick als auch auf die Ausschilderung und den Boden. Während es im Sommer verschiedene Wege gibt, die die Zertifizierung als Premium-Wanderweg erreicht haben, gibt es im Winter im Allgäu nur einen. Sobald genügend Schnee liegt, wird über Felder und Wiesen ein Weg gewalzt, sodass man ohne Schneeschuhe und besondere Anstrengungen über den Schnee laufen kann. Mit einer Länge von ca. sechs Kilometern lässt sich der Weg spielend in den dafür angesetzten zwei Stunden bewältigen. Zwar kann man den Weg auch ohne Wanderführer bewältigen, doch ein Profi an der Seite sorgt mit zusätzlichen Informationen für Mehrwert. Am Wegesrand entdeckt der Naturparkführer nicht nur eine Brennnessel aus dem Vorjahr, deren Fasern er vor meinen Augen zu einem stabilen Faden verzwirnt, sondern auch unter der Lupe eindrucksvoll aussehende Flechten. Später bastelt er aus einem Japanischen Knöterich eine Flöte. Natürlich hat der erfahrene Wanderführer auch viel über die Region zu erzählen. Auf Wunsch nennt er nicht nur alle Berge beim Namen, sondern erzählt auch von längst geschlossenen Skisprungschanzen und zeigt einen besonderen Skilift, in dem sechs Kinder zugleich auf den Berg gezogen werden.

Langlauf auf der Anfängerloipe

Auf die klassische Skiabfahrt verzichte ich bei meinem Kurzurlaub im Allgäu, doch zumindest den Langlauf probiere ich aus. Nicht weit vom Hotel liegt eine auch für Anfänger geeignete Loipe. Diese besteht aus zwei parallelen Spuren, durch die die schmalen Ski sich bewegen. Um möglichst gut voran zu kommen, habe ich mich für traditionelle Ski und gegen Skating-Ski entschieden. Nachdem ich Schuhe und Ski am Rande der Loipe verbunden habe, wird es rutschig. Nach den ersten Gehversuchen, bei denen mir die Skistöcke sehr helfen, gelingt es jedoch immer besser. Zunächst bewege ich mich mit kleinen Schritten in der Ebene, doch ganz ohne Hügel kommt auch die Anfängerstrecke nicht aus. Schritt für Schritt taste ich mich den Berg hinauf und bremse die ganze Zeit, als es danach wieder abwärts geht. Die erfahrenen Läufer sind mehr als tolerant und lassen mir Zeit zu üben und mit den Ski vertraut zu werden. Als ich die erste Runde von rund 1,2 km hinter mir habe, packt mich der Ehrgeiz. Statt zurück ins Hotel zu gehen, fahre ich die Strecke ein zweites Mal. In der Ebene entdecke ich dabei, wie ich durch größere Schritte und mehr Schwung Kraft spare und bergab bin ich mutiger und lasse mich ohne Bremsmanöver gleiten. Da ich mir vor der Heimfahrt den Ort anschauen möchte, heißt es dann Abschied nehmen von der Loipe, die ich auch ohne Vorkenntnisse ohne Sturz bewältigt habe. Im Stadtzentrum gibt es neben der schon von weitem gut sichtbaren Kirche viele Geschäfte, nicht nur mit Wintersportartikeln. Bevor ich mich auf den Weg zum Bahnhof mache, kehre ich ein im „Blauen Haus“. Es verbindet ein Geschäft mit vielseitigen Accessoires mit einem gut besuchten Café. Am ersten freien Tisch, den ich im Obergeschoss entdecke, genieße ich hausgemachten Kuchen, bevor es Zeit wird zum Bahnhof zu gehen. Müde, aber mit vielen interessanten Erinnerungen im Gepäck sage ich dem Schnee am Nordrand der Alpen „Lebwohl“. Es gibt noch viel zu entdecken im Allgäu...

Autor:

Christian Kolb aus Essen-Steele

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