Der Weg ist das Ziel - aber nur ohne Abkürzung

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Was ein Läufer niemals tun sollte

Ein mahnender Erlebnisbericht von Peter Jamsek (TC Kray)

Auch für unseren 9-tägigen Mallorca-Urlaub wurde natürlich die Laufausrüstung eingepackt. Schließlich stand eine Woche nach dem Urlaub der Keufelskopf-Traillauf über 22km auf dem Plan. Da wir unser Urlaubsdomizil im Südwesten der Baleareninsel bezogen hatten, gab es hier einige hügelige Trailstrecken, die sich als Trainingspfade gut eignen sollten. Wie gut, dass sollte sich bald zeigen.

Vom Strand zum Gipfel

Mein Plan war es, von Paguera am Strand entlang in Richtung Andratx zu laufen. Also lief ich erstmal los. Als Verpflegung hatte ich einen halben Liter Wasser und einen Riegel dabei. Außerdem befanden sich ein wenig Geld und mein Handy in meinem Rucksack. Meiner Frau hatte ich beim Start gesagt, dass ich für die ca.14km lange Strecke wohl eineinhalb Stunden brauchen würde.
Nach ca. 2km ging es eine Treppe hinauf, die auf eine Straße nach Cala Fornells führte. Von dort gibt es einen 5km langen Wanderweg, der bis nach Cap de Mar reicht. Die Strecke führte durch ein Waldgebiet und ich lief stetig leicht bergauf. An einer Weggabelung entschied ich mich dafür, weiter geradeaus zu laufen. Das hatte zur Folge, dass ich mich nach ein paar hundert Metern auf einem steinigen, sehr schmalen Single-Trail befand. Dort konnte ich mich teilweise nur auf allen Vieren weiter Richtung Bergkamm fortbewegen. Der wunderbare Blick von hier aus auf das blaue Meer ließ mich trotz des beschwerlichen Aufstieges lächeln und guten Mutes sein. Oben angekommen traf ich auch wieder auf den „richtigen Wanderweg“. Ich legte eine kurze Verschnaufpause ein und genoss die Aussicht.

Vom rechten Weg abgekommen

Jetzt freute ich mich darauf, bergab in Richtung Cap de Mar zu laufen - von hier oben konnte man wieder das Meer sehen und sogar den Strand des kleinen Örtchens. Wieder teilte sich hier der Weg vor mir. Ich entschloss mich in Richtung des höchsten Punktes zu laufen und mich von dort bergab zu begeben. Der Weg war sehr steinig und schwierig zu laufen. Nach kurzer Zeit wurde ein Single-Trail daraus ,der immer schmaler wurde bis überhaupt kein Weg mehr zu sehen war. Ich hatte zum zweiten Mal die falsche Richtung gewählt und traf jetzt eine folgenschwere Entscheidung.

Dornengebüsch, rutschiger Felsen und Angstschweiß

Da ich mittlerweile ein wenig bergab gelaufen war und nicht zurück laufen wollte, versuchte ich querfeldein voran zu kommen. Der Boden war hier weich, zum Teil mit großen Felsen durchzogen und zum Meer hin stark abschüssig. Die Sträucher und Büsche wurden immer dichter und waren oft mit sehr spitzen Dornen bestückt. Ich musste ständig die Richtung - nach oben und nach unten –wechseln, um den immer zahlreicheren, natürlichen Hindernissen auszuweichen.
Bei einem dieser Richtungswechsel gab das Geröll nach und ich konnte mich im Fallen gerade noch an einen Ast klammern. Der Sturz brachte mir eine Prellung am linken Handgelenk und am linken Oberschenkel ein. Spätestens jetzt wusste ich, dass ich mich in Gefahr befand. Meine Uhr zeigte mir an, dass ich mittlerweile zweieinhalb Stunden unterwegs war. Ich setzte mich auf einen Felsen und versuchte zur Ruhe zu kommen. Ich sagte mir, jetzt bloß nicht in Panik geraten.
Mein Wasservorrat war mittlerweile aufgebraucht und ich kam nur Meter für Meter voran. Oft hatte ich nur die Wahl zwischen rutschigen Felsen oder Dornengebüsch. Meist entschied ich mich für die Dornen. Diese waren zwar schmerzhaft, aber nicht so gefährlich wie das wenig Halt bietende Gestein. Nach einer weiteren halben Stunde hatte ich einen Felsvorsprung erreicht, hinter dem ich den Wanderweg vermutete. Leider war dies ein Trugschluss! Ab hier ging es so steil abwärts, dass ich in dieser Richtung definitiv nicht mehr weiterlaufen konnte. Dank meines guten Fitnesszustandes habe ich es bis hier geschafft. Nun spürte ich, dass mein Puls sich beschleunigte und ich langsam Angst bekam.

Letzter Ausweg

Mir viel auf, dass ich während der ganzen Zeit keinem zwei- oder vierbeinigen Lebewesen begegnet war. Das lag wohl an der sehr kargen Vegetation des Gebietes. Nach einer kurzen Pause setzte ich mich wieder in Bewegung. Mein einziger Ausweg: wieder bergauf zu gehen, zu klettern, zu kriechen und darauf zu achten, nicht abzurutschen. Meine Arme und Beine waren mittlerweile von Kratzern übersät - zum Glück spürte ich von meinen Prellungen wenig. Das lag wohl an der starken Adrenalin-Ausschüttung. Nach über 3 Stunden fand ich endlich den richtigen Weg wieder. Ich stieß einen Freudenschrei aus und konnte mein Glück kaum fassen. Ich lief den Hang hinab und freute mich wieder auf Menschen zu treffen.

Ein Außerirdischer im Bus

In Cap de Mar angekommen schauten einige Touristen mich sprachlos an. Dreck- und blutverschmiert wie ich war, hielten sie mich vielleicht für ein Alien. Ich holte mir eine eiskalte Cola, atmete erstmal tief durch und beschloss den Heimweg mit dem Bus anzutreten. Fast vier Stunden nach meinem Start erreichte ich unser Hotel, in dem meine Frau voller Sorge auf mich wartete. Mein bedauernswerter Anblick rettete mich dann vor einer Standpauke.

Fazit: Lieber einmal umkehren und einen längeren Weg in Kauf nehmen, als sich für einen Abkürzung in einem unbekannten Gebiet zu entscheiden. Aus der Entfernung sehen manche ausgetrockneten Bachläufe wie Wege oder Trails aus. Meine gute Fitness, meine Selbstgespräche und mindestens ein Schutzengel haben mich vor Schlimmeren bewahrt. Ich kann mich nicht erinnern beim Laufen jemals so viel Angst gehabt zu haben.

Autor:

Ralf Schuster aus Essen-Steele

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