Analyse und Konzepte
LSG Niedersachsen-Bremen: Konzept der Stadt Göttingen 2016 nicht schlüssig

In einer jetzt veröffentlichten Entscheidung hat das LSG Niedersachsen-Bremen am 02.04.2019, L 6 AS 467/17 geurteilt,  dass die Kosten der Unterkunft für die Stadt Göttingen im Jahr 2016 nicht den höchstrichterlichen Anforderungen an ein sogenanntes schlüssiges Konzept genügen. Damit bestätigten die Richter das erstinstanzliche Urteil des SG Hildesheim, S 39 AS 999/16 vom 10.05.2017.

Geklagt hatte eine 58-jährige Frau, der aufgrund des durch „Analyse & Konzepte“, Hamburg erstellten Konzeptes monatlich 66,01 € Mietbeihilfe gekürzt wurden. Allein im Jahr 2016 hatte sie 792,00 € aus ihrem Existenzminimum aufwenden müssen um ihre Wohnung zu finanzieren.

„Bis zum Ende des Jahres 2014 berechnete der Landkreis die Angemessenheitsgrenze nach den Tabellenwerten des Wohngeldgesetzes plus 10 % Sicherheitszuschlag. Danach bewilligte er auf Grundlage der Fortschreibung der Mietwerterhebung durch das Hamburger Institut "Analyse und Konzepte" nur noch geringere Sätze.“
kostenlose-urteile.de

In der Urteilsbegründung wurde eine Vielzahl von Erhebungsfehlern gerügt, so dass keine repräsentative Datenerhebung erfolgt sei.

Unter anderem sei der zugrunde gelegte Vergleichsraum unzutreffend abgebildet, die Datenerhebung sei nicht repräsentativ, da der Schwerpunkt der Erhebung bei Großvermietern liege und außerdem könne das Gericht nicht ausschließen, dass bei der „Stichprobe“ sämtliche Mietdaten der Leistungsberechtigten des Jobcenters eingeflossen wären und es damit zu einer Verzerrung komme.

„Die Bedarfsgemeinschaften beliefen sich im Monat Juni 2012 auf 8.362. Der Rücklauf der Vermietergruppen habe betragen: Großvermieter 11.136 (Anteil 76,4 %), Kleinvermieter 556 (Anteil 3,8 %), ergänzt um den Jobcenterdatensatz von 2.876 (Anteil 19,7 %).“

. . . und im Märkischen Kreis?

Es bleibt dabei: bis zum Ende 2013 gab es im Märkischen Kreis kein schlüssiges Konzept. Ausnahmslos alle vom Jobcenter Märkischer Kreis (und Grundsicherung) genannten Mietobergrenzen waren falsch, unzureichend und rechtswidrig. In der Konsequenz wurden Hunderte, wenn nicht Tausende von Leistungsberechtigten um Sozialleistungen betrogen! – In einem funktionierenden Rechtsstaat müsste die Staatsanwaltschaft von Amtswegen selbstständig ermitteln und den Betrug beziffern.

Das ab 2014 geltende Konzept von „Analyse & Konzepte“ ist noch immer rechtsanhängig, und wird wohl mit großer Wahrscheinlichkeit als Konsequenz aus den aktuellen Entscheidungen des Bundessozialgerichts vom 30.01.2019  verworfen werden.

Das BSG hat entschieden.

Rn. 29 Vielmehr kann das Gericht zur Herstellung der Spruchreife, wenn ein qualifizierter Mietspiegel vorhanden ist, auf diesen zurückgreifen; andernfalls sind mangels eines in rechtlich zulässiger Weise bestimmten Angemessenheitswerts die tatsächlichen Aufwendungen für die Unterkunft dem Bedarf für die Unterkunft zugrunde zu legen, begrenzt durch die Werte nach dem WoGG plus Zuschlag von 10 % (BSG vom 20.8.2009 - B 14 AS 65/08 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 26 RdNr 20 f; BSG vom 16.6.2015 - B 4 AS 44/14 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 85 RdNr 30).

Rn. 33 11. Ein Konzept, das zu mehreren Wohnungsmarkttypen mit unterschiedlichen Angemessenheitswerten innerhalb eines Vergleichsraums aufgrund einer "Clusteranalyse" führt, erfüllt nicht die aufgezeigten Voraussetzungen für ein schlüssiges Konzept.
BSG, 30.01.2019 - B 14 AS 41/18 R (E. B. ./. Jobcenter Kreis Segeberg)

Autor:

Ulrich Wockelmann aus Iserlohn

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