Unvergessen - nicht nur hier: Gustav Heinemann

Ministerpräsidentin Hannelore Kraft, Bundespräsident Joachim Gauck und Essens Oberbürgermeister Thomas Kufen besuchten gemeinsam mit der Familie das Ehrengrab von Gustav Heinemann.
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Bundespräsident Joachim Gauck am Grab seines großen Vorgängers:

Der Parkfriedhof ist ein schöner und besinnlicher Ort. Er lässt sich durch die höchste Sicherheitsstufe nicht aus der Ruhe bringen: Wie sie in Deutschland nun mal bei Besuch vom Bürger Nummer Eins ausgerufen wird. Seit genau 40 Jahren gedenken hier Essens Bürger eines großen Sohnes ihrer Stadt: Sie ehren Gustav Heinemann. Jetzt kam sein Nachfolger.

Hier auch unvergessen: Heinemanns unermüdlicher Einsatz als Oberbürgermeister, die Nachkriegsnot seiner Heimatstadt zu lindern und den Wiederaufbau aus Trümmern zu meistern. Bevor er in die damals von Studenten-Unruhen aufgewühlte Bundespolitik (erst als Innen- und Justizminister) und 1969 in einer knappen Wahl, als erster sozialdemokratischer Kandidat zum erst dritten Deutschen Bundespräsidenten gewählt wurde. Der mit seinem nüchtern pragmatischen, aber humanistischen Politikstil bis heute Maßstäbe setzte.

Der amtierende Bundespräsident sagte in der kleinen Feierstunde vor der Kranzniederlegung, er sei gerne gekommen, um diesem großen Vorgänger vierzig Jahre nach dessen Tod die Ehre am Grabe zu erweisen. Wie Heinemann (in seiner Amts-Zeit bis 1974) sucht auch Joachim Gauck die Nähe der Menschen. In der Trauerhalle erinnerte Gauck an den von der Bevölkerung liebevoll „Bürgerpräsident“ benannten Heinemann, dem Pomp, politische Rituale und falsches Pathos immer fremd waren. Er zitierte dazu mit großer persönlicher Sympathie die berühmten Worte Heinemanns: „Ich liebe keine Staaten, ich liebe meine Frau.“

Gauck war sich mit NRW-Ministerpräsidentin Hannelore Kraft auf dem Parkfriedhof einig: Gustav Heinemann hat - nicht nur in seiner fünfjährigen Amtszeit als Bundespräsident - mit seiner klaren Haltung die Demokratie in Deutschland verteidigt und damit aktiv gestärkt. Joachim Gauck: „Als Humanist, Demokrat, Jurist und als nüchterner Christ wusste er, was passiert, wenn die Demokratie sich nicht verteidigt.“.

Gegen Unrecht und Untertanengeist

Diese Haltung kam nicht von ungefähr: Ein Großvater Heinemanns war auch schon als junger Mensch in der deutschen Revolution von 1848 aktiv und impfte dem Enkel erfolgreich das Gegenteil von „Untertanengeist“ ein. In der Nazizeit dann war Gustav Heinemann als Rechtsbeistand seiner „Bekennenden Kirche“ aktiv, auch versorgte er heimlich versteckte Juden mit Lebensmitteln. Lebenslange Freundschaft verband ihn mit dem evangelischen Theologen Helmut Gollwitzer, der war es auch, der ihn 1976 hier beerdigt hat. Auch in den Kindern Heinemanns haben sich Humanismus und „Gerechtigkeits-Gen“ wohl weiter vererbt, verbunden mit dem Wissen, dass man für Demokratie auch aktiv und unaufgefordert einstehen muss.

In der ersten Reihe saß seine berühmt streitbare Tochter Prof. Uta Ranke-Heinemann (*1927, Studienkollegin von Joseph Ratzinger, dem späteren Papst Benedikt), die ja im Gegensatz zu diesem nicht nur eine Jungfrauen-Geburt Jesu angezweifelt, sondern sich jahrzehntelang - unter anderem auch mit ihrem Buch „Eunuchen für das Himmelreich“ - aktiv in den fortschrittlichen Religions-Diskurs eingemischt hat.

Ihr Sohn, der Gustav-Heinemann-Enkel Andreas Ranke sagte uns leise, er freue sich sehr, dass „an die politischen und humanistischen Ideale meines Großvaters erinnert wurde. Gerade in der heutigen Zeit, wo längst erledigt geglaubte Vor-Urteile und Xenophobie (Ausländerfeindlichkeit) wieder aufleben.“.

Der amtierende Bundespräsident begrüßte auch die Heinemann-Enkelin Christina Rau, die als Gattin des verstorbenen NRW-Ministerpräsidenten und späteren Bundespräsidenten Johannes Rau auch einmal mit diesem Amt verbunden war. Als „bekennender Urgroßvater“ sprach Joachim Gauck aber auch alle anderen der zahlreich erschienen Heinemann-Nachfahren bis in die vierte Generation der Ururenkel hinein herzlich an.

Anschließend an die Reden ging es gemeinsam mit den Familienmitgliedern, mit Ministerpräsidentin Hannelore Kraft und Oberbürgermeister Thomas Kufen durch den grünen Friedhof zum Ehrengrab von Gustav Heinemann. Wo in einer einfachen, aber würdigen Zeremonie Kränze niedergelegt und des Menschen und Politikers Gustav Heinemann gedacht wurde. Selbst die nüchternen Body-Guards einer längst neuen Generation von Präsidenten-Wächtern waren sich einig: Dem „Bürgerpräsidenten“ hätte das so bestimmt gefallen. (cd)

Autor:

Caro Dai aus Essen-Werden

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