Auf der Jagd nach Nahrung - "Containern" als Alternative ?!

Noch verzehrbare Lebensmittel im Wert von zirka 60 Euro und mehr kommen an einem Abend locker zusammen.
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  • Noch verzehrbare Lebensmittel im Wert von zirka 60 Euro und mehr kommen an einem Abend locker zusammen.
  • hochgeladen von Michael Hoch

„Wir haben es satt“, sagt Melanie S. (Name der Redaktion bekannt) als sie zu später Stunde gemeinsam mit Joshua K. in Containern wühlt. „Wir haben es satt, dass alles teurer und trotzdem noch so viel weggeworfen wird. Da sollen die es doch ihren Mitarbeitern mit nach Hause geben. Oder zur Tafel fahren.“ Melanie und Joshua holen sich ihr Essen aus dem Müll. Ich habe sie dabei begleitet.

Ich gehe mit den beiden Rüttenscheidern auf Streifzug durch die Nacht. Melanie zieht Handschuhe an, Joshua seine Kapuze über den Kopf. Noch sind ihre Rucksäcke leer. Aber das wird sich schnell ändern, wie wir feststellen.
Wir betreten einen Hinterhof im Essener Süden. Hinter einer offenen Tür liegt das Paradies, so könnte man meinen. Berge von noch verwertbaren Lebensmitteln warten auf die Beiden, frische noch nicht verfaulte Bananen, leckere Nüsse, ganze Orangennetze, in denen sich nur eine faule Frucht befindet und noch viel Essbares mehr fischen sie aus den Containern.

Unmoralisch?

„Das ist unmoralisch, was die mit Lebensmitteln machen. Auch in Deutschland gibt es Menschen, die nicht genug zu essen haben oder die kein Geld haben für Biogemüse. Und die schmeißen es dann einfach in den Müll? Das ist doch eine verdrehte Welt, sagt Melanie.“
Sie und Joshua sind keine Einzelfälle. Es gibt eine Szene, die sich auf diese Art der Lebensmittelverwertung „spezialisiert“ hat und auch in einschlägigen Foren sich darüber austauschen, auch über die rechtliche Lage.
Joshua ist durch einen Fernsehbericht auf das so genannte „Containern“ aufmerksam geworden. Markus Lanz hatte es in seiner Talkshow zum Thema. „Dann habe ich nach der Arbeit auf dem Nachhauseweg einfach mal einen Blick in einen Container geworfen und sofort etwas gefunden. “ „Das Gute ist“, so Melanie weiter, „dass man auch Sachen findet, die man sich sonst nie kaufen würde.“
Auch wenn man denjenigen, die „containern“ Diebstahl vorwerfen könnte, stellt sich die Frage, was moralisch verwerflicher ist, die Sachen mitzunehmen oder die Sachen wegzuwerfen.
Containern ist für Melanie im gewissen Sinne auch ein Statement und eine Ideologie und hat noch andere Aspekte.
„Nachts einkaufen ist so, als wenn man sein Essen noch selber jagd, weil man nicht weiß, was man fängt und dann hat man immer eine Überraschung und man freut sich. Es ist ein echtes Erfolgserlebnis.“ Das sieht auch Joshua so und findet zwei Packungen Sushi unter einem Müllsack.
Nach einer Stunde, vorbei an verschiedenen Hinterhöfen vieler Lebensmittelgeschäfte wird die Ausbeute zusammengeworfen. Den Wert schätzt Melanie auf rund 60 Euro. Für sie hat das nächtliche Einkaufen noch einen ganz anderen entscheidenden Vorteil: „Seit ich das Containern mache, ernähre ich mich viel gesünder, weil ich mir teure Sachen einfach nicht leisten kann - frisches Gemüse und Kräuter und so etwas. Und hier finde ich auch mitunter außergewöhnliche Sachen.“

Die rechtliche Seite:
„Containern“ wird meistens geduldet. Eigentümer des Mülls ist entweder der jeweilige Supermarkt selbst oder der Entsorgungsbetrieb, der die Container zur Verfügung stellt. Rein rechtlich ist das Mitnehmen von Müll Diebstahl, wenn man ihn aus Abfallcontainern entnimmt.
In der Regel wird man aber nur ermahnt oder im besten Falle auch ignoriert. Und auch die Polizei interessiert sich wenig für „wertlose“ Gegenstände. Anzeigen werden in den meisten Fällen aber nicht erstattet.

Autor:

Michael Hoch aus Düsseldorf

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