Mit Kampfgeist und Optimismus

Barbara Schröder und Roger Löcherbach zerrten mit ein wenig Mühe die Planen herunter.
Foto: Bangert
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Barbara Schröder hat es geschafft: Löcherbach-Figuren „Musica“ und „Herold“ festlich enthüllt

Merkwürdige verhüllte riesige Figuren. Die eine deutlich höher als die andere. Da braucht der Werdener an sich nicht lange zu überlegen: „Das sind bestimmt Männe und Setta“. Nein, aber fast… Das ungleiche Paar aus dem 19. Jahrhundert ist im Abteistädtchen Legende. Nun machte sich ein Paar der etwas anderen Art auf den Weg, um in Werden für Furore zu sorgen.

Aus Fischlaken stammen die Hölzer für die überlebensgroßen Werke: Roger Löcherbach hat sich einen Namen gemacht mit seinen unorthodoxen Figuren. Mit der Kettensäge traktiert der im Westerwald geborene Künstler seine Objekte. Oft verzichtet er dann auf Details wie die Ausarbeitung des Gesichts oder der Hände. Die Haltung und die Silhouette machen dann die Wirkung der Figur aus. Bei vielen Figuren erfolgt aber noch eine Weiterbearbeitung mit dem Schnitzeisen, manchmal auch bis hin zur Glättung der Oberfläche mit Schmirgelpapieren. Häufig sind es ganz normale Mitmenschen, die Löcherbach porträtiert.

Zwei Schwergewichte

Hier jedoch sind es Allegorien, die er Werden ganz speziell auf den Leib geschneidert hat. Beide Figuren sind nackt, halten vergoldete Blasinstrumente, was den Einklang von Musik und Natur symbolisiert. Die „Musica“ sitzt und ist an die drei Meter hoch. Sie entstand aus der Dreierastgabel einer Riesen-Kirsche, die von Löcherbach kurzerhand umgedreht wurde. Der „Herold“ ist aus einer Eiche gefertigt und ragt fast vier Meter in die Höhe. Solche Kolosse haben ihr Gewicht, Roger Löcherbach weiß es genau: „Zusammen bringen die beiden 1.250 Kilo auf die Waage.“ Da war es gar nicht so einfach, ein Spezialunternehmen zu finden, welches die beiden Kolosse unfallfrei und ohne Kratzer aus ihrer Fischlaker Heimat gen Werden bringen konnte. Mit viel Geduld und Spucke hievte der Teleskop-Kran die Stämme aus der Scheune, die Löcherbach als Unterstand dient, sie wurden aufgeladen und durch die engen und kurvigen Straßen Fischlakens an ihren Bestimmungsort kutschiert. Auf der Grünfläche am Platz der Werdener Feintuchwerke fanden „Musica“ und „Herold“ ihre neue Heimat. Zunächst wurde eine schwere Betonplatte als Kontergewicht in die Wiese eingelassen, dann in stundenlanger Feinarbeit die Figuren an ihrer endgültigen Position verankert. Das Ganze wurde noch mit porösem, wasserdurchlässigem Beton angegossen, obendrauf kam noch eine Schicht aus grobem Sandsteinschotter. Eine kleine Tafel am Weg weist auf Künstler und Werk hin, ein QR-Code führt ins Internet.

Neues Werk von Christo?

Nach der Aufstellung wurden sie geheimnisvoll mit rotem Tuch verhüllt, nicht wenige vermuteten ein neues Werk von Christo. Vor großem Publikum wurden die Figuren dann wieder, nun auch offiziell, ans Licht der Welt geholt. Im Mittelpunkt stand neben der Kunst an sich auch das bürgerliche Engagement von Barbara Schröder. Seit ihrem ersten Kontakt mit dem Löcherbachschen Werk im Kulturhauptstadtjahr 2010 war in der Werdenerin der unbändige Wunsch gereift, für ihren Stadtteil den historischen Bauten auch Kunst aus unserer Zeit dazu zu gesellen. Dabei hätte es schon während der Aufstellung durchaus kritische Stimmen gegeben: „Einige werden sich reiben. Aber das ist auch gut so!“ Kunst als Basis für angeregte Diskussionen belebe das Miteinander in der Stadt.

Klinkenputzen

Beim „Fest der Sinne“ hatte Barbara Schröder einen „Kunst- und Krempelmarkt“ organisiert, unter anderem mit Original-Zeichnungen und Skulptur-Modellen von Roger Löcherbach. Mit gutem Erfolg: „Wir konnten sagenhafte 2.500 Euro für die Skulpturen sammeln!“ Die Bezirksvertretung erteilte die Genehmigung, beteiligte sich mit einem Zuschuss. Doch all‘ dies reichte bei weitem nicht aus, also machte sich Barbara Schröder ans „Klinkenputzen“, kaum eine Tür, an der sie nicht geklopft hat. Ihre unendlich scheinende Energie, gepaart mit hartnäckiger Beharrlichkeit, kochte so manchen potenziellen Geldgeber weich. Die Ahlener „Theodor F. Leifeld“-Stiftung spendete eine größere Summe, Allbaustiftung, Sparkasse Essen und Genobank gaben etwas dazu.

Eröffnung mit Hornklängen

Zwei Hornisten eröffneten mit passenden Klängen, so der Forrest Harmony von Händel. Heinz-Josef Bresser als Vorsitzender des Geschichts- und Kulturvereins fand erstaunliche Parallelen zum Gründer Werdens: „Der Baum als Lieferant von Kunst- und Baumaterial hatte immer eine besondere Symbolik hier in Werden. Ludgerus ist am Ort des Baumes begraben, sein Sarkophag ruht auf einem Baumstumpf.“ Der Herold sei der Verkünder, hier in Werden sei auch früh das Christentum verkündet worden. Die Musik bestimme das Leben im Abteistädtchen: „Musik ist allgegenwärtig. Schon alleine, wenn man an den offenen Fenstern der Folkwang-Universität vorbei geht.“
Bezirksbürgermeister Dr. Michael Bonmann gab zu: „Als nüchtern denkender Mensch war ich skeptisch. Doch Kampfgeist und Optimismus von Frau Schröder haben mich überzeugt.“ Bonmann hat eine ganz eigene Beziehung zu Löcherbach. Er teilt mit seinem Stellvertreter Reinhold Schulzki nämlich das „Schicksal“ von kunstbegeisterten und zupackenden Ehefrauen. Immer noch musste er grinsen: „Unsere Frauen haben hinter unserem Rücken die Modelle gekauft. Nun steht bei uns die Musica auf dem Kaminsims und schaut mich täglich an. Aus anfänglicher Antipathie wurde inzwischen große Sympathie!“

Bravo-Rufe

Dr. phil. Johannes von Geymüller fand genau die richtigen Worte, um Roger Löcherbach, sein Werk, diese speziellen Figuren und ihren Verweis auf die Musik einzuordnen. Dann endlich fassten sich Barbara Schröder und Roger Löcherbach ein Herz, zerrten mit ein wenig Mühe die Planen herunter, die enthüllten Figuren riefen zahlreiche Bravo-Rufe hervor. Mit ein wenig Glühwein und ganz vielen guten Gesprächen, zahleichen Erinnerungsfotos und immer wieder herzlichen Dankesworten an Künstler und Initiatorin endete eine ganz besondere Stunde der Kunst in Werden.

Autor:

Daniel Henschke aus Essen-Werden

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