Extreme Belastungen für Stadtbäume am Beispiel Kellerwald
„Der Klimawandel hat uns erreicht“

Nur ein Stumpf zeugt noch von der Rotbuche im Kellerwald.  
Foto: Henschke
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  • Nur ein Stumpf zeugt noch von der Rotbuche im Kellerwald.
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Ortstermin im Werdener Kellerwald. Christian Cichos steht im Schatten einer mächtigen Rotbuche: „Wir werden diesen Baum nicht retten können.“ Der 36-Jährige hat in Göttingen Arboristik studiert, sich dort unter anderem mit Baummanagement und Gehölzpathologie befasst.

Cichos ist einer der Menschen, die sich um den Essener Baumbestand kümmern.
Seit 2011 arbeitet der gebürtige Braunschweiger bei Grün und Gruga, dort ist er Nachfolger von Arne Thun als Baumsachverständiger. Im Kellerwald spricht der Arborist über die Zukunft der Bäume. Die Analyse macht wenig Mut: „Dieser Ahorn leidet, die Roteiche dort drüben, die Hainbuche dahinten. Wir werden zeitnah eine Baumkontrolle veranlassen.“ Wie das Ergebnis lauten wird? Cichos schaut wenig optimistisch. Er stampft auf den sehr festen Boden und urteilt: „Die Wasserspeicherkapazität ist bescheiden. Wassermangel und Hitzestrahlung setzen dem Wald zu.“ Seit den 80er Jahren sei die Jahresmitteltemperatur deutlich angestiegen: „2003 war sehr trocken und 2018/2019 waren extrem trocken. Der Klimawandel hat uns erreicht.“ Mit fatalen Folgen: Eine dramatische Häufung von „Mastjahren“ ist zu verzeichnen. Die zehren an den Kräften der Bäume und schwächen ihre Vitalität.

Fatale Folgen

Zurück zur Rotbuche: „Der Baum steht schon seit Jahren unter Beobachtung und wir haben einiges an Pflegemaßnahmen durchgeführt. Doch jetzt drohen ganze Kronenteile herunterzufallen. Der Holzabbau ist schon drastisch. Auch steht der Baum ungeschützt zur Hauptwindrichtung. Spätestens in sechs Monaten besteht hier große Gefahr.“ Die Buche steht direkt an einem Weg, der von vielen Menschen genutzt wird. Die Stadt ist hier in der Verkehrssicherungspflicht und Cichos wird deutlich: „Ich würde meine Kinder hier nicht langgehen lassen.“
Während die Bäume unter Hitze und Trockenheit leiden, fühlen sich die Schädlinge so richtig wohl: „Viele unserer Buchen sind von einer Komplexkrankheit befallen. Die führt zunächst zu einer Schwächung des Baums, dann kommen Folgeschäden hinzu. Denn wenn es der Buche nicht gut geht, sendet sie Signale aus, die weitere Schädlinge anlocken.“ Eine ganze Armada stürzt sich dann auf die wehrlosen Bäume. Die Buche im Kellerwald ist so ein Beispiel. Cichos verweist auf abgestorbene Äste, schwarzen Belag und weiße Punkte. Da sind Pilze wie die Pfennig-Kohlenbeere oder der Gemeine Spaltblättling am zerstörerischen Werk. Dieser weltweit am weitesten verbreitete Pilz gilt als ausgesprochen trockenheits- und hitzeresistent. Er zersetzt das Holz und bildet Fruchtkörper. Gerne gesellt sich noch der Zunderschwamm hinzu, denn er befällt bereits geschwächte Laubbäume. Der Kleine Buchenborkenkäfer und der Buchenprachtkäfer nutzten die Borke als Kinderstube für den Nachwuchs, innerhalb eines Jahres sind mehrere Generationen möglich.
Nun musste die ehrwürdige Rotbuche gefällt werden. Ein gut 150 Jahre altes Lebewesen. Sie hinterlässt eine spürbare Lücke im Kellerwald. Eine Neupflanzung ist versprochen, wird aber Jahrzehnte benötigen, um die Lücke füllen zu können.

Autor:

Daniel Henschke aus Essen-Werden

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