„Wir wissen nie, was hinter der Tür auf uns wartet“

Beate Salomon-Bock (r.) übernimmt die Koordination der ambulanten Hospizarbeit von Annette Hohlweck-Müller.
Foto: Henschke
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Beate Salomon-Bock ist neue Koordinatorin der ambulanten ökumenischen Hospizgruppe Werden

Der letzte Gang ist oft ein schwerer Weg. Doch man muss ihn nicht alleine gehen. Die ambulante ökumenische Hospizgruppe Werden steht Schwerstkranken und Sterbenden bei, entlastet die Angehörigen.

Die Ehrenamtlichen nehmen sich dafür die Zeit, sie hören zu. Doch auch ihnen muss man zuhören. Ihr Engagement für lebensverkürzend Erkrankte kann belastend sein, das möchte hier keiner verschweigen. Schlimm, wenn für den Sterbenden noch Rechnungen offen sind. Wenn etwa der Streit mit den Kindern noch nicht beigelegt wurde. Das lastet auch auf denen, die die Situation begleiten. Es gibt aber auch überraschend viele freudige Momente. Wenn etwa der Sterbende zu einem Gottvertrauen findet: „Diese Menschen wirken erlöst, sie gehen viel friedlicher.“ Wenn man noch einen Wunsch erfüllen kann: „Eine letzte Fahrt zum Meer, ein Besuch im GOP oder bei einer Weihnachtsfeier. Einfach nochmal kurz nach Hause zurückkehren.“ Das sind immer wieder Gänsehautmomente. Sie machen die Arbeit der Hospizgruppe so wertvoll für beide Seiten.

Vorbereitungskurs

Im Jahr 2017 wurden von der ökumenischen Hospizgruppe 104 Menschen begleitet. In Fischlaken, Heidhausen und Werden, aber auch in Kettwig. Ob im Krankenhaus oder bei den Menschen daheim, 24 Frauen und vier Männer üben dieses Ehrenamt aus. Einige von ihnen machen das nun schon länger als 20 Jahre. Immer werden neue Mitarbeiter gesucht, eine der Aufgaben von Beate Salomon-Bock: „Ich führe erste Gespräche mit Interessenten. Denen möchte ich zunächst die Unsicherheit nehmen. Sie sollen erst einmal in sich gehen und dann entscheiden. Alle zwei Jahre führen wir einen Vorbereitungskurs durch, der dauert ein halbes Jahr. Für Anfang 2019 steht der nächste an.“ Bei diesen Kursen lerne man die Ehrenamtler in spe schon gut kennen, zumal es auch Seminare über ein ganzes Wochenende gibt: „Danach kann man sie gezielt einsetzen. Wer ist in einer häuslichen Situation sicher, wer vielleicht nicht? Man sollte auch den Stressfaktor nicht unterschätzen. Auch ein Ehrenamtler darf sagen, dass er mal eine Auszeit benötigt. Insgesamt klappt es gut. Die Chemie stimmt, bei uns findet jeder Topf den passenden Deckel.“

learning by doing

Beate Salomon-Bock ist gelernte Krankenschwester, wirkte im ambulanten Pflegedienst, machte dann eine palliative Zusatzausbildung und arbeitete sechs Jahren im Christlichen Hospiz an der Dudenstraße. Im gleichen Haus befindet sich ihr neues Büro, das sie von Annette Hohlweck-Müller übernommen hat. Fast elf Jahre lang betreute ihre Vorgängerin die Gruppe hauptamtlich, möchte nun in den verdienten Ruhestand gehen: „Es wird für mich Zeit, Luft zu holen. Ich möchte heute und morgen leben, in Urlaub fahren. Darauf freue ich mich schon.“ Abschiedsprobleme habe sie gar keine: „Ich gehe ja nicht so ganz.“ Für Urlaubszeiten oder im Krankheitsfall wird Annette Hohlweck-Müller nämlich nur zu gerne einspringen: „Wir bleiben im Kontakt. Ich stehe für Fragen zur Verfügung. Aber dieser Posten ist am besten durch learning by doing zu erfahren. Wir koordinieren die zeitlichen Möglichkeiten unserer Ehrenamtler mit den Bedürfnissen der zu Betreuenden. Da muss man kontaktfreudig sein, die Ruhe bewahren können. Das ist ihr gegeben. Die Beate schafft das.“ Die so Gelobte erläutert ihre Aufgaben: „Der erste Kontakt läuft über mich. Das können zum Beispiel die Onko-Psychologen sein, die es im Krankenhaus mit austherapierten Patienten zu tun haben. Die nehmen uns dann mit ins Boot.“ Aber es können eben auch oft verzweifelte Angehörige sein. Denen möchte Beate Salomon-Bock gerne die Ängste nehmen: „Viele haben nämlich irgendwie dubiose Vorstellungen von der Hospizarbeit.“

„Wir sind alle nur Menschen“

Wie läuft so ein erster Kontakt? „Da gibt es keine Muster. Wir wissen nie, was hinter der Tür auf uns wartet. Ist der Patient informiert? Was ist mit den ihm Nahestehenden? Rund 70 Prozent unserer Arbeit ist nämlich die Unterstützung dieser Angehörigen. Die Patienten selbst lassen die Dinge ganz oft mit sich geschehen. Ihnen ist aber unheimlich wichtig, dass ihre Lieben unterstützt werden. Da können wir viel helfen. Allerdings müssen wir frühzeitig klarstellen, dass wir nur ergänzend eingreifen können und wollen. Denn es darf nicht sein, dass das Ehrenamt alle Lücken schließt.“ Vor zehn Jahre habe man sich nicht selten rund um die Uhr gekümmert. Das gehe einfach nicht mehr: „Wir müssen auf unsere Begleiter achten. Viele sind noch beruflich eingespannt. Wir sind alle nur Menschen. Daher setzen wir uns viermal im Jahr zusammen und sprechen in der Gruppe über etwaige Probleme. Auch da lassen wir keinen allein.“
Das stationäre Hospiz in Werden und die ambulante Hospizarbeit werden finanziell unterstützt vom Förderverein, der unter der Leitung von Hedwig Reinhard zurzeit 322 Mitglieder hat.  Hedwig Reinhard ist unter 0201-401244 oder reinhard.hospizarbeit-werden@gmx.de zu erreichen. Die Bankverbindung bei der Sparkasse Essen lautet DE 9536 0501 0500 0161 8180.
Die neue Koordinatorin übernimmt auch die Beratung der Angehörigen. Sie informiert beispielsweise über Patientenverfügung und Vorsorgevollmacht, bietet zu verschiedenen ThemenAnsprechpartner über das Palliativnetzwerk an. Beate Salomon-Bock ist telefonisch unter 0201-32035024 sowie per Mail unter ambulante-hospizgruppe@hospizarbeit-werden.de zu erreichen.

Beate Salomon-Bock (r.) übernimmt die Koordination der ambulanten Hospizarbeit von Annette Hohlweck-Müller.
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Im Christlichen Hospiz Werden befindet sich auch das Büro der ehrenamtlichen Gruppe.
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Autor:

Daniel Henschke aus Essen-Werden

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